
Nexperia, einst zum niederländischen Philips-Konzern gehörig, wurde durch chinesische Investitionen wiederbelebt. Die chinesische Firma Wing Technology übernahm die Firma 2019. Die EU¹ brauchte dringend diesen Halbleiterhersteller, um in der internationalen Konkurrenz mithalten zu können. China sah die Chance — und hatte auch das Kapital —, um in den Niederlanden und damit in der EU einsteigen zu können. Doch dann sahen sich auf einmal die USA von China bedroht, sie glaubten Europa an die chinesische Konkurrenz zu verlieren. Sie setzten die Niederlande unter Druck. Die niederländische Firma ASML, Produzent von zur Chipherstellung nötigen Gerätschaften, sollte ihre Exportprivilegien verlieren und damit ihren Profit riskieren, sollte Amsterdam/Den Haag nicht einlenken. Die niederländische Regierung stellte daraufhin Untersuchungen an, die Anfang des Jahres 2024 dazu führten, Nexperia Expansionspläne zu untersagen und mit einer Zerlegung der Firma zu drohen. Man war zu der Ansicht gelangt, die Chips der Firma würden als Batterien für Elektrofahrzeuge und als Bestandteile militärischer Geräte wie Radaranlagen genutzt. Sie würden also ein nationales Sicherheitsrisiko darstellen. Beijing sah das als Kniefall vor Washington.
Im Jahre 2022 sah Großbritannien ähnliche Sicherheitsbedenken. Nexperia wurde gezwungen, seine Halbleiterscheiben produzierende Fabrik in Newport zu verkaufen.
Nun, 2025 hatten die USA nochmal ihren Druck erhöht. Die Niederlande enteigneten Nexperia. Das wiederum ließ sich China nicht bieten. Es erließ Exportbeschränkungen für Materialien, die zur Herstellung von Halbleitern nötig sind, für die »seltenen Erden« Germanium und Gallium. Dies betraf damit nicht allein Nexperia, sondern alle auf diese Materialien angewiesenen Industrien. Darüber hinaus reduzierten chinesische Banken ihr Investment in europäische Hightech-Firmen und leiteten diese in Länder Asiens um. Die Firma ASML (Advanced Semiconductor Materials Lithography) wurde der Heuchelei überführt, denn sie habe jahrelang vom chinesischen Markt profitiert, hintergehe jetzt aber ihre Kunden auf US-Befehl. Etwa 15% des Profits erwirtschaftete ASML mit chinesischen Firmen, u.a. mit Nexperia. Außerdem lud China französische und deutsche Handelsvertretungen ein — mit einem deutlichen Fingerzeigen auf die Niederlande: Wer sich nicht einem Diktat aus Washington folgt, dem stehen die Geschäftstüren mit China offen.
ASML ist in der Tat noch mehr umstritten als Nexperia. Schon unter Donald dem Ersten, im Jahre 2019 wurden die Niederlande unter Druck gesetzt, Exporte ihrer mittels EUV-Lithografie hergestellten Anlagen — hier hatte (und hat noch weitgehend) die Firma ein weltweites Monopol! — nach China zu unterbinden. Die USA selber blockierten eine Schlüssellizenz für den Export in die chinesische Halbleiter-Gießerei SMIC (Semiconductor Manufacturing International Corporation). Unter Biden gingen die USA dann noch weiter und drängten auf die Begrenzung von DUV-Maschinen, ältere Lithografie-Modelle, die in China aber nach wie vor große Verwendung zur Chipherstellung fanden. 2024 stimmten die Niederlande stärkeren Exportkontrollen zu: ASML durfte keine in China tätigen Maschinen mehr warten oder upgraden. Das konnte sich China natürlich nicht bieten lassen. Bestellungen aus China wurden eingestellt und damit vor allem längerfristig der Profit der Firma bedroht. Außerdem rüstete China auf. China sponserte die eigenen Firmen Highon (eine von 5 Halbleiterprojektfirmen von Huawei) und SME (Shanghai Micro Electronics Equipment).
Am 7. November nun hat die niederländische Regierung sich bereit erklärt, ihre Kontrolle über Nexperia wieder fallen zu lassen, wenn zugleich die nötigen Materiallieferungen wieder aufgenommen werden würden. Nicht nur den Arbeiter in den Firmensitzen in Nijmegen und Eindhoven bleiben somit ganz ohne Einschreiten der Gewerkschaften die Arbeitsplätze erhalten, auch all denen, deren Firmen auf die Chips angewiesen sind, unter anderem die deutsche Ausbeuterfirma Nr. 1, VW.
Das Handelsblatt beurteilt die Lage so, den deutschen Weltmachtanspruch als EU-Räson einfordernd:
»1. China ist nicht zu trauen – Amerika auch nicht Es ist fahrlässig, sich weiterhin auf Lieferungen aus China zu verlassen. Die Volksrepublik instrumentalisiert Halbleiter, um die eigenen Interessen durchzusetzen, und zwar ohne zu zögern.
Allerdings stehen die USA den Chinesen in nichts nach. So hat Washington den Export bestimmter Halbleiter nach China untersagt. Die Regierung von Ex-Präsident Joe Biden wollte einst sogar die Ausfuhr in westliche Länder beschränken. Auf die Großmächte ist kein Verlaß, wenn es um die strategisch wichtigen Halbleiter geht. Europa benötigt dringend mehr Erpressungspotenzial.
2. Erst nachdenken, dann handeln Die niederländische Regierung hat über Nacht dem chinesischen Eigentümer Nexperia entzogen. Dafür gab es nachvollziehbare Gründe. Trotzdem wäre es klug gewesen, vorher über die Konsequenzen nachzudenken.
3. Europa fehlt es an Erpressungspotenzial Dem Lieferstop der Chinesen hatte Europa nichts entgegenzusetzen. Nur eine Technologie ist einzigartig auf dem Kontinent: das sogenannte EUV-Verfahren des Anlagenbauers ASML. Es ist zwingend nötig, um die fortschrittlichsten Chips zu fertigen. Im Fall von China hilft das nichts, weil ASML seine modernsten Maschinen ohnehin nicht in das Land exportieren darf. Europa benötigt dringend mehr Erpressungspotenzial.
4. Das Chipgesetz ist ein Rohrkrepierer Die EU-Kommission wollte mit einem Chipgesetz dafür sorgen, daß sich der Anteil Europas an der weltweiten Produktion bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent verdoppelt. Stand heute wird dieses Ziel klar verfehlt. Allerdings: Nur wenn Europa nennenswert selbst produziert, läßt sich Druck auf andere Länder ausüben.
5. Lieferengpässe mit Allianzen vermeiden Kurzfristig lassen sich neue Chipengpässe nur abwenden, indem die Firmen ihre Lieferantenbasis erweitern und die Politik Allianzen schließt. Und das mit Ländern, die ebenfalls von den Supermächten unter Druck gesetzt werden: Allen voran Japan, Taiwan und Südkorea für den Kern der Chipfertigung sowie Malaysia, Indonesien und die Philippinen fürs Verpacken und Testen. Ohne Produktionskapazitäten und technologisches Drohpotenzial bleibt Europa abhängig. Nur durch Investitionen und gezielte Bündnisse wird Europa weniger verletzlich.« (HB, 12.11.25)
1. Die Gleichsetzung von den USA mit China ist verlogen. Schließlich hat sich China nur den freien Welthandel zunutze gemacht, den die USA stets propagiert haben, von dem sie aber nichts mehr wissen wollen, wenn der zu ihren Ungunsten ausschlägt. China muß sich also mit Verhältnissen herumschlagen, die es nicht erfunden hat. Im Gegenteil, China hat ganz praktisch aufgezeigt, daß es beim Freihandel um eine Ideologie handelt, die nur einem Staat nützt, der mit überlegenen Mitteln produzieren kann. Gleichzeitig wird deutlich, daß die USA die ökonomische Weltordnung als eine einzig ihren Gewaltmitteln geschuldete betrachtet und sich deshalb Eingriffe in andere Staaten erlaubt, herausnehmen zu dürfen. Dieses Abheben auf militärische Gewalt ist China fremd. Allerdings betrachtet es den extremistischen us-amerikanischen Standpunkt als Bedrohung der eigenen Souveränität.
2. Europa denkt nicht nach: Wem sagt das HB-Männchen das? Ist ihm das auch eingefallen, als sich die EU und allen voran die BRD sich schließlich dem US-Diktat unterwarf und sich von den russischen Energielieferungen löste, das der Wirtschaft wie den Verbrauchern teuer zu stehen kommt?
3. Wenn Kapitalismus, dann auch gehöriges Erpressungspotenzial! Scheitert solch Potenzial lediglich an einer (US-hörigen?) EU-Bürokratie, die unrealistische Ziele gesetzlich fixiert? An den gewaltigen Ansprüchen liegt es ja wohl nicht!
4. In Sachen Ausbeutung ist das Handelsblatt unschlagbar: Es weiß genau, wo sich welche Ausbeutungsmodelle befinden, die sich die EU zunutze machen kann. Chips in Taiwan, hergestellt zu Billigsttarifen, Dienstleistungen dann in südostasiatischen Ländern, wo jeder froh sein kann, überhaupt eine Lohnarbeit zu finden… Die Arbeiter sollen auch dort für die imperialistische Konkurrenzfähigkeit des deutschen Staates und seines EU-Projekts bluten, was denn sonst!
___________________
¹ Die EU (damals noch EWG) wurde einst hauptsächlich von Deutschland und Frankreich, aber auch Italien sowie den Niederlanden ins Leben gerufen. Jeder dieser Staaten sah sich allein zu schwach, der damals unangefochten ökonomisch dominierenden USA Paroli bieten zu können. Gleichwohl hatten die Westeuropäer genau diesen Anspruch. Mit jeder Erweiterung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde jeder neue Mitgliedsstaat darauf verpflichtet, zur Wirtschaftskraft der zunehmend deutsch dominierten Gesamt-EU beizutragen. Sollte er dazu noch nicht fähig sein, verpflichtet er sich darauf, mit Hilfe der anderen Staaten seine Wirtschaft profitabel aus- und herzurichten. Diesem Anspruch unterwarfen sich zuletzt auch die ehemaligen RGW-Staaten und Teile Ex-Jugoslawiens.
13.11.2025
© Kommunikation & Kaffee Augsburg
www.koka-augsburg.net
Feedback: info@koka-augsburg.com

Die USA zwischen Prinzipien und notwendig gewordenem Opportunismus — für die bombenfesten Europäer ein Skandal
Die derzeit die USA regierende Partei der Republikaner war bis noch vor nicht allzu langer Zeit eine Partei, deren Staatsräson in möglichst wenig Staatseingriffen in die Wirtschaft und in einem harten Plädoyer für Freihandel bestand. Das hat sich mittlerweile unter der Führung des Präsidenten Trump umgekehrt. Nun gebietet ihnen die Staatsräson das glatte Gegenteil: Sie ist zum Protektionismus umgeschwenkt, weil ihre Wirtschaft in der internationalen Konkurrenz Federn hat lassen müssen. Die überbordende Rolle des Finanzkapitals kann nicht verhindern, daß die Warenproduktion und damit auch die Exporte schrumpfen. Kürzlich gab es in den städtischen Zentren der USA Großdemonstrationen vornehmlich gegen die Selbstherrlichkeit des »Diktators« Trump. Allein seiner Arroganz wurde attestiert, für die Folgen seiner Politik verantwortlich zu sein. Die resultiert in einer Geldentwertung einerseits bei vielfach gleichzeitig stattfindendem Einkommensausfall andrerseits. Es gelang der demonstrierenden Masse mühelos, diesen materiellen Grund in eine verfehlte Politik einer allzu dummen Charaktermaske zu übersetzen. Dabei wissen die Aktivisten selber nicht — und die oppositionelle Partei der Demokraten ebensowenig — wie denn eine »vernünftige Politik«, eine attraktive Charaktermaske stattdessen aussehen könnte.
Doch so ist es eben: Leute, die kein Geld mehr haben, können nichts mehr kaufen und so zieht das Land auch keine Geschäftemacher, pardon: Investoren mehr an, welche vorhandene Kaufkraft auf ihre Mühlen zu lenken versteht. Ja, die USA leben trotz aller wirtschaftlichen Misere auf großem Fuß, was ihrem Weltmachtstatus und ihrem -anspruch entspricht. Allein für die weltumspannenden Militärbasen und die auf die Weltmeere zu deren Überwachung beorderten Flugzeugträger geben sie Milliarden aus, ökonomisch gesehen völlig unproduktive Kosten. Das »Wirtschaftswunder« der BRD nach dem Krieg war dadurch begünstigt, daß der NS-Nachfolgestaat solche Ausgaben erst einmal nicht zu tragen hatte und sodann sie noch — vergleichsweise zu heute — moderat ausfielen. Wenn also Trump ein Wirtschaftswunder für die USA anstrebt, dann ist er sicher der letzte, der aus der Historie des eigenen oder eines anderen Staates Lehren zu ziehen gedenkt. Er interessiert sich in Sachen Geschichte allein für die fänomenalen Taten großer Staatsmänner. Sein überragendes Vorbild, in dessen Fußstapfen er schon alsbald zu treten gedachte, ist sein damaliger Parteifreund Ronald Reagan. Dieser hatte es vollbracht, die Sowjetunion zur Abdankung zu bewegen. Ähnliches wie Ronald wollte auch Donald vollbringen, als es den russischen Präsidenten nach Alaska eingeladen hatte: Jener sollte in Sachen Ukraine einen Rückzieher machen. Blöderweise ließ sich Putin nicht über den Tisch ziehen und so mißlang die Abwicklung des Konflikts im Sinne der USA. Vorteilhafterweise soll ja das Kapital nicht aus und in der Ukraine, sondern im eigenen Land Kapital schlagen. dazu kommt, daß der europäischen Konkurrenz ist die Ukraine als Kapitalanlagemöglichkeit entzogen ist — nicht zu reden vom Geschäftsausfall mit Rußland. Der EU halsen die USA die Kosten für einen fortgesetzten Krieg, was zwangsläufig zu einer weiteren Schädigung ihrer Ökonomie führen muß. Damit entledigen sich die USA der leidigen europäischen Konkurrenz, ohne das ausdrücklich in ihrem Programm zu haben. Der Krieg nützt den USA sogesehen durchaus. Freilich Geld für Investitionen in den USA hat das deutsche Kapital nicht übrig. Rätselhaft ist, wie die Präsidentin der EU-Kommission den USA Investitionen in Höhe von 600 Milliarden USD nebst 750 Milliarden USD für US-Energieträger in einem Abkommen mit Donald zusagen konnte. Herr Schäuble würde sich sicher im Grabe umdrehen, wenn er mitbekäme, was aus seiner »schwarzen Null« geworden ist. Nicht nur die US-Republikaner haben sich den Staatsnöten angepaßt, auch die europäischen Politiker. Und man mag sich streiten, wer die Ökonomie seines Staates nun besser managt.
Eines darf jedoch dabei nicht vergessen werden: Es sind ja nicht allein die knallharten ökonomischen Tatsachen, die beim politischen Management zusätzlich zu Buche schlagen. Es ist die Ideologie. Für deutsche und andere europäische Politiker kommt eine Verständigung und ein Interessenausgleich mit Rußland einfach nicht in die Tüte. Soviel Flurbereinigung muß sein: Die Ukraine gehört »uns« und nicht Rußland, koste es, was immer es wolle; ebenso Georgien und andere exsowjetische Staaten. Die Ukraine und Rußland haben den Preis zu zahlen — was für die EU offenkundig in Ordnung geht —, aber — und über diesen Zusammenhang wollen die Führungsfunktionäre nicht reden — nicht alleine! Das bleibt den Politikern zwar nicht verborgen, doch ihren eigenen kostenträchtigen Aufwand halten sie einfach für drängend notwendig.
Auch die USA wollen sich nicht zu den Dilemmata der EU-Staaten äußern, für die sie ja nicht unwesentlich verantwortlich sind. Den Opportunismus der EU-Staaten ihnen gegenüber, der sich in dem genannten Abkommen zeigt, halten sie für völlig ausreichend, um sich nicht weiter in deren inneren Belange einzumischen. Allüberall sind schließlich die Politiker an der Macht, die die USA völlig zu Recht für ihre Parteigänger halten können. Es ist ein Stück Sicherheit, das die USA zugebilligt erhalten, während für ihre »Partner« nichts abfällt, da mögen die sich einbilden, was immer sie wollen.
Interessant wird es, wenn die arroganten Staatsfiguren imperialistischer Staaten sich miteinander auseinandersetzen (müssen). Neulich, im Anschluß an den Alaska-Gipfel, kamen in Washington DC die Wichtigsten zusammen, der Trump, der Macron, der Starmer, der Merz, die Meloni und die Von der Leyen, der niederländische NATO-Chef. Die europäischen Figuren wollten, Trump möge am gemeinsamen NATO-Projekt festhalten, die Ukraine einzugemeinden, ein Projekt, das ohne maßgebliche Unterstützung der USA nicht möglich ist. Trump hingegen wollte und will, daß die Europäer die Lasten schultern , welche die USA bislang im wesentlichen für sie getragen haben. In diesem schönen Dialog war selbstverständlich unterstellt, daß die Ukraine — wenn man sie denn schon Rußland überlassen muß — so zugerichtet ist, daß Rußland damit wenig glücklich sein kann, daß ein ökonomischer Nutzen, eine kapitalistische Verwertbarkeit von Land und Leuten in der Ukraine auf längere Sicht sich nicht einstellt. Außerdem unterstellt ist, daß der Rußland zugefügte Schaden gar nicht groß genug sein kann. Offiziell wird am gemeinsamen strategischen Plan festgehalten, die Ukraine vor Rußland zu retten, ihm also gar befreite Gebiete über kurz oder lang wieder zu entreißen.
Wie in kapitalistischen Staaten üblich stehen für das nun fällige, voranzutreibende Projekt die Kosten und ihre Verteilung im Mittelpunkt. Der Streit geht darum, wer die immensen Kosten für die Gewaltmittel übernimmt, ohne die ein imperialistisches Projekt solcher Größe nun einmal nicht durchzuführen ist. In einer Hinsicht freilich stehen diese Kosten nicht zur Debatte: Insofern nämlich, als diese Kosten der jeweiligen staatlichen Manövriermasse aufgebürdet werden. Also daß die nationalen Arbeiterklassen all das auszuhalten haben, was an — in zwischenimperialistischer Konkurrenz zementierten — kostenintensiven Ansprüchen beschlossen wurde, steht außer Frage!
Die deutsche Öffentlichkeit weiß alsogleich, was sie zu propagieren hat. Das muß an dieser Stelle nicht dargestellt werden, der Leser schlage einfach eine x-beliebige Zeitung auf: Die Fakten sind immer in die Staatsräson, in deren Ideologie eingebettet. In dieser Weise werden sie dem Leser verabreicht — man könnte auch sagen: angedreht. Der etablierte Journalismus geht nämlich davon aus und er kann das erfahrungsgemäß, daß der Leser sich auf der Höhe des nationalen Zeitgeistes befindet. Gerade deshalb können die Medien davon ausgehen, weil sie dieses Nationalbewußtsein schaffen und täglich schüren. Das ist die Essenz einer »freien Presse«!
11.11.2025
© Kommunikation & Kaffee Augsburg
www.koka-augsburg.net:
Feedback: info@koka-augsburg.com

Heinrich Manns (1871-1950) »Die Göttinnen« — Diana, Minerva und Venus — erzählt von der Herzogin von Assy, die ihr Leben nacheinander der Freiheit, der Schönheit und der Liebe verschreibt. Die Sympathie für den Freiheitsdrang der von Italien und Österreichern unterdrückten Bevölkerung in Dalmatien läßt sie sich etwas kosten. Wer in Dalmatiens Hauptstadt Zadar (italienisch: Zara) reist, sollte sich Violante von Assy zuvor nicht entgehen lassen, um einen historischen Eindruck dieses Teils der Balkan-Halbinsel zu gewinnen. Und selbstverständlich noch einiges mehr. Es wäre verfehlt, die Romane bloß als romantisch hinzustellen, sie sind gleichwohl sozialkritisch, ja revolutionär.
Die Schriftstellerin Birgit Vanderbeke schrieb für die Neuausgabe ein Nachwort: »Das Buch stand zu Hause im Giftschrank. Als ich es mir dort ungenehmigt ausgeborgt hatte, merkte ich schnell: Dort gehörte es auch hin. Es war üppig wie Buttercremetorte, herrlich unanständig, und man wurde im Kopf so beschwipst wie nach Amaretto, der schließlich auch verboten war. Später lernte ich, dass das der dekadente Charme des Fin de siècle ist. Noch später fing ich an, die Göttinnen besser zu kennen. Dann schmeckt es nicht mehr nur süß. Da kommen dann Heinrich Manns Witz und Schärfe durch, sein Vergnügen an der Vorstellung, 'mehrere Damen kreischen leise'. Heute ist mir, als seien sie alle drei, die junge Revoluzzerin, die spätere Kunstgläubige und die noch spätere Erotomanin, selbst von ihrem Autor ein wenig verkannt worden und als ahnte er unterschwellig das eigentliche, das wirklich beunruhigende Geheimnis seiner Violante, das indes den ganzen Roman ansteckt: 'Sie lachte laut auf, darauf fiel er lang auf den Teppich.'«
Die Formulierungskunst, mit dem Inhalt stets eng verknüpft, ist bei diesem Werk eigens zu würdigen: Brilliant!
Wer über die sonstigen Werke Heinrich Manns berichten will, sendet seinen Text an: info@koka-augsburg.com

Claude Farrère¹ schrieb 1921 einen Zukunftsroman, der möglichst realistisch wirken sollte, dessen Geschehnisse heute allerdings schon wieder rund 30 Jahre zurückliegen. Indessen war dieser Roman selbst der heutigen Zeit in mancherlei Hinsicht um das ein oder andere voraus.
Die Zentralisation des Kapitals war weit fortgeschritten. In einer einzigen Fabrik, gelegen auf einer Insel im Mississippi-Delta, wurde das gesamte Brot für den amerikanischen Doppelkontinent hergestellt. Selbstredend war auch die Technik atemberaubend. Kleine Flugzeuge, landbar auf Flachdächern, eröffneten zumindest den Wohlhabenden bislang ungeahnte Mobilität. Nicht in dieses epochale Bild paßte da ein nach wie vor existentes Proletariat. Doch die Besitzer der Brotfabrik zeigten Herz und setzten es nicht einfach außer Brot². Das wäre nämlich möglich gewesen, da schon neueste Maschinerie eingetroffen war, die dies ermöglicht hätte. Die Schiffe mit dieser beladen wurden der Arbeiterschaft zuliebe und für sie außer Sichtweite weitab bei New Orleans verankert. Kurzum, die Arbeiter wußten davon nichts. Sie lebten in einer standardisierten Mustersiedlung mit mehrstöckigen Blocks, von der Firma für sie errichtet. In dieser gab es das für ihre Reproduktion nötige, Lebensmittelläden, Kneipen, Kinos, Kindergärten etc. Viele der Arbeiter fühlten sich durch die Eintönigkeit in dieser Wohngegend ebenso wie von der stumpfsinnigen Fabrikarbeit borniert und niedergedrückt. Manch einer versuchte sich durch Sabotage an den Backmaschinen Luft zu verschaffen, allenthalben erfolglos. Doch es gab auch einen, der den großen Aufstand plante. Dieser wurde ins Werk gesetzt, die Fabrik zu stürmen versucht. Mit brutaler Polizeigewalt wurde die Revolte niedergeschlagen. Schon anderntags langten die Schiffe mit den – den allergrößten Teil der Arbeiter ersetzenden – Maschinen an und so konnte die Produktion geradezu verzögerungslos fortgesetzt werden.
Aus Farrères Zeit heraus verständlich: Seinerzeit gab es noch eine Arbeiterbewegung. Die Arbeiterbewegung wurde über die Jahre vom demokratischen Staat, von seiner Bildungspolitik und den auf ihn verpflichteten Gewerkschaften sang- und klanglos abgewickelt. Ebensowenig konnte sich Farrère vorstellen, wieviele Arbeitskräfte als Selbstständige ausgelagert werden würden beziehungsweise zunehmend von vorneherein sind, Arbeitskräfte, die für das Kapital de facto zum Stücklohn – also jenseits einer geregelten Arbeitszeit – produzieren oder ihm anderweitig dienstbar sind.
Der Aktionismus der Arbeiterklasse, der – wie der Autor zeigt – an und für sich der Blindheit bedarf, wird im fatalen finalen Ansturm auf die Fabrik vorgeführt. Aktivisten handeln aufgrund einer rein moralischen Gesinnung. Wissen erübrigt sich für sie in aller Regel – nach der Devise: Man sieht doch, was Sache ist, und die ist zutiefst ungerecht. Diejenigen³ jedoch, die, wie sie glauben, mit Wissen unterwegs sind, behaupten gerne, daß Klassenbewußtsein und -kampf in Aktionen entwickelt werden können, diese also Voraussetzungen seien, die schließlich in einer grundsätzlichen Umwälzung der Verhältnisse münden sollten und müßten. Aber: So ein angedachter Übergang entbehrt der Logik, entbehrt jeder zwangsläufigen Notwendigkeit! Solch in Aktionismus resultierendes Klassenbewußtsein zeigt nur eines: Es ist ein beschränktes, die Kritik der Ökonomie ist nur eine sehr oberflächliche, obendrein fehlt überhaupt die Kritik der politischen Ökonomie, der Staatskritik. Schließlich ist es ja die Wirtschaft des Staates, der hat sie mit seiner puren Gewalt als private freigesetzt, ent- und beschränkt sie, kontrolliert sie also, er steht ihr ja vor.
Die kapitalistische Ökonomie hat sich für den Staat letzthin als die ihm zweckdienlichste und zuträglichste für die Schaffung nationalen Reichtums erwiesen. Die kapitalistische Wirtschaftsform verdankt sich.gewissermaßen der Ökonomisierung des Staates. Ebenso wie die Staatsform namens Demokratie sich für die Staat zu seiner Rechtfertigung und Legitimation sich als probateste erwiesen hat.⁴
Der Anspruch auf Profit wird aufgrund der im Kapital liegenden Notwendigkeit seiner permanenten Verwertung immer maßloser, entfernt sich immer weiter von seiner ökonomischen Grundlage. Auf diese Weise wird die Welt zugrunde gerichtet, ganz ohne Kriege, die.zu allem Überfluß keineswegs fehlen, ist der globale Kapitalismus doch in Form konkurrierender Nationen organisiert. Die versuchen ihre ökonomische Grundlage durch den Zugriff auf und gegen andere Staaten zu erweitern.
________________________
¹ Claude Farrère (1876-1957) in seinem Roman »Die Todgeweihten« [»Les condamnés à mort«], Drei Masken Verlag, 1922. Farrère war insbesondere an moderner Technik wie an der Psyche der Individuen interessiert.
² Sicher hat sich Farrère wohlwollend darin getäuscht, daß die Kapitalistenklasse gerade nach dem 1. Weltkrieg ein Mitgefühl für die Arbeiterklasse haben könnte oder aber einen blassen Schimmer, worauf ihr Profit beruht. Daß das Kapital auf die Gewalt des Staates zählen kann, war Farrère natürlich umso klarer.
³ Konsequenterweise führte das zu all den Beispielen in Sachen Ökonomie, die in der Sowjetunion und ihren Anhängerstaaten zu dem schnöden Nationalismus – und damit zur Westorientierung – geführt hat, an dem die Nachfolgestaaten bis heute zu ihrem eigenen Ruin leiden; in China zu einer Rekapitalisierung der Gesellschaft im Namen der Arbeiterklasse, des Sozialismus. Der Übergang von einer Teilrepublik der UdSSR zu einem heutigen faschistischen, pardon: demokratischen Staat wie der Ukraine ist nicht weit – deren Nationalismus hatte Chrustschow, zuvor Republikchef, mit der Angliederung der Ukraine gar noch honoriert.
⁴ Die Unklarheiten bezüglich des Klassenbewußtseins haben freilich schon ihren Anfang bei Lenin: »Der Staat ist eine Maschine zur Aufrechterhaltung der Herrschaft einer Klasse über eine andere.« [»Über den Staat«, Vorlesung an der Swerdlow-Universität, 11.07.1919] Er definiert den Staat als Mittel der Ausbeuterklasse. Er sieht den Staat nicht als Souverän an, der sich selber seine Zwecke setzt, eben auch und gerade in seiner Ökonomie. Lenin legt den Fehlschluß nahe, daß der Staat befreit werden müsse, aus den Händen der Bourgeoisie und in die des Proletariats überführt werden müsse. Der Staat ist nach Lenin also nicht ein Klassenstaat, ein Staat, der über den Klassen steht, sondern der Staat einer Klasse. Aus diesem Dogma heraus erschließen die Revisionisten, daß mit dem Klassenkampf der Staat von der Besetzung durch eine Klasse in die Besetzung der bisher unterdrückten überzugehen hat. Es handelt sich also um eine brutale Affirmation staatlicher Gewalt!
24.10.2025
© Kommunikation & Kaffee Augsburg
www.koka-augsburg.net
Feedback: info@koka-augsburg.com

Charlie Kirk war einer jener nationalistischen Wirrköpfe, welche eine Demokratie massenhaft hervorbringt. Er propagierte »The American Way of Life«, also den American Way of Life, dem er nun selber zum Opfer gefallen ist. Denn zu diesem weltberühmten American Way of Life gehört unzweifelhaft auch der American Way of Death.
Dies freilich birgt noch ein anderes Mosaiksteinchen. Nicht jeder der zahlreichen Knallköpfe bringt es zu solch immenser Massenwirksamkeit. Charlie hungegen wurde stark gesponsert ¬ von milliardenschweren Stiftungen und Personen. Jenen paßten sein moralisierendes Weltbild wunderbar ins Konzert: Der »Influencer« war ausersehen, sein Publikum auf der Linie des American Way of Life zu halten. So weit, so lief bislang alles bestens. Alle Äußerungen Charlies sprudelten wie am Schnürchen aus dem arg beschränktem Reservoir eines »gesunden Menschenverstandes«. Doch auf einmal passierte etwas Schlimmes: Charlie überkamen Bedenken bezüglich des israelischen Massenmords in Gaza, den er bislang als Apologet Israels so nicht wahrgenommen haben wollte. Und er ging in aller Öffentlichkeit auf Distanz zum dortigen Genozid. Das nun gefiel dem ein oder anderen Finanzier aus der Gruppe der Zionisten überhaupt nicht. Und wie es bei solchen Leuten, die wie Charlie dem American Way of Life & Death huldigen, üblich ist, machten sie gleichsam biblischen Prozeß mit dem Häretiker.
Der Einfluß jener Geldmagnaten ist so riesig, daß sie nicht ernsthaft mit einer Strafverfolgung rechnen müssen. Dem FBI sitzt bekanntlich ein gewisser Kash Patel vor, der die Ermittlungen im Falle von Jeffrey Epstein einfach nicht ernsthaft vorantreiben will. Der umfangreiche FBI-Bericht ist de facto schlicht unergiebig, ja irreführend, eröffnet Spekulationen, die allesamt wahrscheinlicher sind als die offiziell verbreitete Selbstmordthese. Wurde der Häftling ermordet oder gar entführt? Die Epstein-Files selber werden vom Justizministerium unter Verschluß gehalten, soweit jedenfalls, wie sie aufschlußreich sein können und das sind eine ganze Menge. Und jüngst verfügte der US-Senat mit der rebublikanischen Mehrheit von 51 Stimmen, daß keine weiteren Veröffentlichungen vorgenommen werden müßten. Ein Affront gegen die wenigstens im nachhinein etwas Gerechtigkeit verlangenden Opfer von Jeffrey Epstein, Ghislane Maxwell und all ihrer Geldkumpane. Die Opfer könnten allenfalls daraus lernen, wozu Democracy und der hochgelobte American Way of Life gut sind.
Für den US-Präsidenten Donald Trump ist indessen klar, daß der Fall Epstein von den tollen Erfolgen seiner Politik nur ablenken soll. Und er selbst lenkt von den Hintergründen im Fall Kirk ab, indem er ihn für seine politischen Zwecke verwendet, indem er gegen alle, die er für irgendwie »links« hält – was selbst die Demokratische Partei einschließt! –, Haßreden vom Stapel läßt. Die spontane Lobrede des zionistischen Mörderchefs auf Kirk übrigens ist nicht minder einer Ablenkung verdächtig!
Fast könnte man annehmen, daß die us-amerikanischen Zustände der seit dem Abgang der Sowjetunion total verblichenen ML-Ideologie wieder zum Leben zu verhelfen trachten, der zufolge der Staat sich in den Händen des Kapitals befindet und der deswegen aus dessen Okkupation befreit werden müsse. In der Tat wird der Schein erzeugt, es handle sich bei den USA nicht um einen Klassenstaat, sondern um den Staat einer Klasse. Kurioserweise werden die, die diesen Schein hervorrufen, von der Arbeiterklasse selber in Wahlen ermächtigt, die Herrschaft im besten Sinne auszuüben. Dafür allerdings ist ein Typ wie Charlie Kirk sehr hilfreich. Das geringste Problem wird sein, einen passenden Nachfolger zu finden, einen, der sich in all seiner Dummheit auch nicht verzettelt.
27.09.2025
© Kommunikation & Kaffee Augsburg
www.koka-augsburg.net
Feedback: info@koka-augsburg.com

Das Profitinteresse des Kapitals war — historisch betrachtetet — von vorne herein nicht auf eine einzelne oder eine bestimmte Anzahl von Segmenten der Produktion beschränkt. Alle gesellschaftlichen Bedürfnisse wurden bedient und selbst das war nicht ausreichend. Immer mehr Gegenstände wurden erfunden, die einen nützlichen Gebrauchswert hatten. Oft und immer öfter rief erst die produzierte und auf dem Markt feilgebotene Ware die Nachfrage danach hervor. Die Fantasie der Menschen war schnell zu erregen, zu begeistern. So rasch, daß auch viel Zeug verkauft werden konnte, mit dem zwar ein gutes Geschäft zu machen war, dessen Qualität und/oder Halbwertszeit jedoch schwer zu wünschen übrig ließ, deren »Neben«wirkungen nicht unbeträchtlich waren. So ist das alles natürlich bis heute geblieben.
Immer schon war eine Wertschöpfung für den rein intellektuellen Raum vorhanden. Waren die Waren diesem Feld ursprünglich auf Zeitungen und Bücher ausgerichtet, kamen im Laufe des 20. Jahrhundert eine technikbasierte Ausweitung gigantischen Ausmaßes hinzu: Grammofon, Film, Radio, Fernsehen, CD/DVD, Computer, internetfähige mobile Geräte…
All dies benötigt jenseits von Hard- und Software Inhalte.¹
Diese Inhalte beschäftigen den menschlichen Geist und haben mit der täglichen Arbeit für Geld herzlich wenig zu tun. Diese Inhalte besetzen die sogenannte Freizeit. Das ist die Zeit, die das Individuum jenseits seiner täglichen Arbeitszeit zur Reproduktion seiner Kräfte nötig hat. Doch nur ein Teil dieser freien Zeit widmet das Individuum notwendigerweise dem Schlaf. Seit Erfindung des elektrischen Lichts ging diese Ruhezeit zurück — derzeit haben ca. 40% in der BRD nicht ausreichend Schlaf (dabei ist die Definition von »ausreichend« ohnehin schon auf ein Minimum hin definiert!) —, Schlafstörungen hingegen nehmen zu. Nicht deswegen, weil das Individuum ausreichend Schlaf nicht mehr in diesem Ausmaß nötig hat, vielmehr einfach deshalb, weil das Hirn über die tägliche Arbeit hinaus immer mehr beladen, ja belastet wird. Unterhaltung verspricht dem Individuum nämlich eine Kompensation für seine Defizite im Arbeitsleben und überhaupt für all die, die er in der kapitalistischen Gesellschaft erleidet.
Das Kapital hat im Verlauf seiner Entwicklung immer mehr im Unterhaltungssektor investiert. Soviel, daß dieser Sektor, die technischen Voraussetzungen dazugezählt, eine schier unglaubliche Zugkraft entwickelt hat. Im Jahre 2024 setzte die Unterhaltungsindustrie in der BRD 111,6 Mrd. € um, Tendenz steigend — zum Vergleich: Der Umsatz der Lebensmittelhersteller belief sich auf 232,8 Mrd. €, Tendenz fallend. Und selbst im globalen Süden hat allem dort herrschendem Hunger zum Trotz das Smartfon seinen Siegeszug angetreten (und zuvor schon das Fernsehen).
Das Individuum ist gerade über diese Schiene selber zum Produkt des Kapitalinvestments geworden. Dies wird perfektioniert durch eine ungeheure Datensammlung² der Bedürfnisse, die bei Kauf oder auch nur online beim Betrachten einer Ware erhoben werden. Diese Daten werden unmittelbar in die Produktion, nicht zuletzt in virtuelle Produktion, überführt, und deswegen allein schon sind die Daten werthaltig. Die Waren fluten die Märkte massenweise, sogar jenseits des gesamtgesellschaftlichen Bedarfs. Die Daten sind unentbehrlich nicht nur für Erfindung und Herstellung der Waren, sondern erst recht für deren Versilberung, für die letzte Transaktion, der Verwandlung von Ware in Geld.³
Die Unterhaltungsbranche hat das Individuum sicher im Griff: Gerade weil sie seine Bedürfnisse sozusagen rund um Uhr und Raum dominiert. Im Gegensatz zu Nahrungsmitteln etwa, deren Genuß seine natürliche Schranke hat, unwesentlich mehr gegessen und — die Alkoholabhängigen mal beiseite gelassen — getrunken werden kann und damit der Umsatz beschränkt ist, ist der der Sfäre der Unterhaltung schier grenzenlos. Sicher, man kann sich immer nur einem Medium gleichzeitig widmen, jeder leistet sich jedoch schrankenlos viel Zeug zur Unterhaltung. Wie oben bereits gesagt, verlangt das die Hoffnung auf Kompensation, das Bedürfnis nach Kompensation aller Unannehmlichkeiten, die das Individuum so erleidet. Und die Unannehmlichkeiten sind erfahrungsgemäß sonder Zahl.
Doch wenn es bloß das wäre! Mit den Medien werden ihm ja die Inhalte vermittelt, mit denen er weiterhin gesellschaftlich brauchbar gehalten bzw. gemacht wird. Ihm werden all die Klischees, Stereotypen, Gewußt-Wie-Rezepte bis hin zu politischen Freund- und Feindbildern — also die moralischen Orientierungspunkte — nahegebracht. So nahe, daß jeder automatisch aufs Abstellgleis geschoben wird, wenn er solchen Angeboten inhaltlich widerspricht, sich ihnen verweigert.
Die gesamten Entscheidungen von Politik und Wirtschaft werden dem Leser, Hörer, Zuschauer auf ein Unterhaltungsangebot so zugeschnitten, daß der alles eben so wahrnimmt, wie es dargestellt ist: Oberflächlich, leicht konsumierbar. Tatsachen sollen ebensowenig wie Maßnahmen nicht nach ihrem Grund befragt werden, Fragen überhaupt sind schon durch die Darstellung ausgeschlossen, es zählen Fakten — auch wenn nur allzu oft etwas nur als Faktum dargestellt wird, also erlogen ist. Daraus folgt jedenfalls: Kein Widerspruch erlaubt! Spekulationen, Wunschdenken obendrein sowieso uferlos.
Überhaupt ist die durchgesetzte Maxime in den führenden kapitalistischen Staaten: Alle Welt will belogen sein. Ohne Frage, gilt es doch stets, den Gegenüber über den Tisch zu ziehen, in der Wirtschaft wie in der Politik. Natürlich muß man diese Verlogenheit adaptieren, wenn man Karriere machen will. So erklärt es sich, daß die größten Halunken die besten Chancen haben und konsequenterweise auch ganz oben stehen: Sie pflegen die hohe Kunst der Verstellung. Den Oberhäuptern der Gesellschaft ist sie in Fleisch und Blut übergegangen.
Das macht es im übrigen gerade den Staaten schwer, die diese Maxime nicht kapiert haben oder nicht kapieren wollen. Das ist oftmals ein desaströser Lernprozeß, wie beispielsweise an Rußland zu sehen ist.
Die Verlogenheit, die gerade in der unhinterfragbaren, geradezu kindergerechten Vereinfachung eines Sachverhalts steckt, macht Politik so überaus kompatibel mit dem Märchenland der Unterhaltungsindustrie.
_____________________________
¹ Was die konkreten Inhalte sind, wie umfassend sie in den Alltag eingreifen, das kann sich leicht jeder selber ausmalen, ja an sich selber sehen. Eine Aufzählung wäre ohnehin nie vollständig.
² Es ist gerade so, als würde auf Marx' Einstieg in seine Kapitalanalyse noch eins draufgesetzt: »Der Reichtum der Gesellschaften, in denen die kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine 'ungeheure Warensammlung', die einzelne Ware als seine Elementarform.« (Karl Marx, Das Kapital, Band 1, S. 49)
³ Zu Umschlaggeschwindigkeit und Umschlagzahl des Kapitals und dessen Bedeutung im Fortschreiten der Entwicklung siehe Marx, Das Kapital, Band 2
01.09.2025
© Kommunikation & Kaffee Augsburg
www.koka-augsburg.net
Feedback: info@koka-augsburg.com

Es gibt zweifellos so etwas wie »Völkerpsychologie«. Allerdings nicht in dem herkömmlichen Sinn wie sie einstige und heutige Politiker in Deutschland und die mit ihm verbündeten Staaten geprägt haben: In ihrer Herrenmensch-Arroganz haben diese Figuren die Unterschiede der Menschen in den verschiedenen Ländern auf die Natur zurückgeführt und tun dies weiterhin. Diesen Rassismus können sie in ihrem politischen Denken und Handeln nicht verleugnen. Um Beispiele anzuführen: Warum durfte und darf die Türkei nicht der EU beitreten? Oder warum darf das »gemeinsame Haus Europa« nicht mit Rußland und Weißrußland gebaut werden, aber mit den Bandera-Nazis der Ukraine? Warum ist ein Damm gegen Flüchtlinge aus Afrika gebildet worden? Warum distanzieren sich Von der Leyen, Merz, Klingbeil und Co. nicht von Israels Genozids? Warum weifert sich Deutschland hartnäckig, im Krieg überfallenen Staaten wie Griechenland für Überfall und Gräueltaten zu entschädigen? Warum rehabilitiert Deutschland Offiziere der Nazi-Wehrmacht und stellt sie als Vorbild hin¹? Usw. usf. Niemand kann behaupten, daß all das politisch und ökonomisch wirklich zweckmäßig ist für die Staatsräson einer kapitalistischen Gesellschaft. Klar, es wird dennoch — mit verräterischen Vehemenz! — glauben gemacht. Doch keiner der vielzitierten »Experten« prüft diese Behauptungen und wagt, Einwände zu erheben; nicht einmal die Leute der Wirtschaft. Es könnte immer aufs neue überraschend sein — so man nicht um die Dringlichkeit kurzfristigen Profits wüßte —, schlägt man das Zentralorgan der Investoren, das Handelsblatt, auf, wie dort speziell der deutschen Außenpolitik aus dem Hirn gefressen wird: Dabei muß man kein tieferes Verständnis der Wirtschaft haben, um zu sehen, wie kontraproduktiv Wirtschafts- und Außenpolitik nicht nur aber gerade die der derzeitigen Regierung ist.
Aus Marxscher Sicht muß man sie gar als noch destruktiver einschätzen: Schließlich sind Investitionen ins Militär totes Kapital, Kapital, das dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird: Waffen, die nicht eingesetzt werden, rosten vor sich hin, entwerten sich ohne irgendwem irgendetwas gebracht zu haben; werden sie eingesetzt, zerstören sie die Ökonomie erst recht.
Also was kann unter Völkerpsychologie im Gegensatz zu dieser zutiefst rassistischen Auffassung verstanden werden. Der Grieche Nikos Dhimu hat ein aufschlußreiches (auch auf deutsch erschienenes) Büchlein geschrieben: »Über das Unglück, ein Grieche zu sein«.² Dhimu ist ein politisierter Bürger, Anhänger seiner Nation. Als solcher hat er ein Riesenproblem: Griechenland stellt in der heutigen Welt einen abgehängten, schwachen Staat dar. Kein Vergleich zur Macht der griechischen Stadtstaaten in der Antike, in der die griechische Ökonomie mit ihrem weit verzweigtem Handel und die geistigen, wissenschaftlichen Errungenschaften so zentral waren, daß sich gar die griechische Sprache zur Weltsprache entwickelt hatte. Was Dhimu also so anschaulich vor Augen führt, ist, daß ein politisierter Bürger sein persönliches Image auf die Zugehörigkeit zu einer Nation zurückführt, genauer: zu deren Rang unter den Staaten: Wie selbstverständlich mißt er die Nation am Anspruch, Weltmacht zu sein. Immerhin vermeidet die NATO-, EU- und €-Mitgliedschaft dann seinen intellektuellen Selbstmord…
Kein Wunder, daß die Weltmacht USA in Sachen Nationalismus die Nr. 1 sind. Dieser so qua Erfolg gut begründete Nationalismus macht gleichwohl nicht Halt an den Grenzen einer Nation:
»… Je nachdem die politischen Formen eines fremden Landes denen der Vereinigten Staaten entsprechen, wird dieses Land, bei Gleichstand auf andern Gebieten, als dem Amerikanertum nahekommend erachtet. Doch wenn von diesem politischen Moment die Rede ist, wird gewöhnlich ein Synonym für den Begriff Amerikanertum gebraucht, und dieses lautet: Demokratie. …
Der Glaube an das Hinstreben der ganzen Welt zum Amerikanertum ist ihnen [den US-Amerikanern] so in Fleisch und Blut übergegangen, daß es nur sehr schwer aufgegeben werden wird; und wenn die Umstände sie zum Aufgeben zwingen, so besteht die Gefahr, daß sie die ganze internationale Zusammenarbeit aufgeben. Menschen, die so verdreht sind, daß sie Ausländer bleiben wollen, verdienen eben keine Hilfe. …«³
Aufzugeben kommt für die politische Führung natürlich nicht einfach dann infrage, wenn sie (zeitweise) mit ihren nationalen Ansprüchen nicht durch- oder vorankommt. Sie setzt alles daran, diesen ihr unerträglichen Zustand zu beenden. Sofern Wirtschaftskriege dazu nicht ausreichend sind, kommt der Einsatz des Militärs in Betracht.
Das nationale Programm, die Staatsräson ist unberührt, ungeachtet welche Personen und welche Partei die nationalen Spitzenämter bekleiden. Die Charaktermasken der Politik konkurrieren darüber gegeneinander: Wer ist der konsequenteste Anwalt der Nation.
Das ist Demokratie. Das ist us-amerikanisches Vorbild. Politisierte Bürger in aller Welt haben daran einen Narren gefressen. Und das ganz jenseits des Rangs ihres Staates im Konzert der Nationen.
__________________
¹ Im August 2024 unter Regie des Bundesverteidigungsministerium, vom SPD-Militaristen Pistorius geführt. Halbherzig wurde das dann doch wieder zurückgenommen, nachdem die taz getitelt hatte: »Mehr Wehrmacht wagen!« Aber allein wieviel Leute dafür bezahlt wurden, von der Politik beauftragt, solchen Scheiß auszuarbeiten und als ernsthaft und wichtig zu präsentieren, wirft ein schlagendes Licht darauf, was der demokratische deutsche Staat unter »Vergangenheitsbewältigung« versteht. Ganz abgesehen davon, daß der Nazi Stauffenberg, der sich als besserer Hitler verstand, nach wie vor in hohen Staatsehren steht..
² Νίκος Δήμου, Η δυστυχία του να είσαι Έλληνας
³ Geoffrey Gorer, Die Amerikaner – Eine völkerpsycholgische Studie, 1949, dt. 1956, S. 163
30.08.2025
© Kommunikation & Kaffee Augsburg
www.koka-augsburg.net
Feedback: info@koka-augsburg.com

Sie leiden gerade insofern schwer, als sie in Wahlen ein Mittel sehen, um ihren menschenfreundlichen Anliegen zum Erfolg zu verhelfen.
»Die Leute, die Kerzen auf dem Altar des Ideals anzünden, haben immer eine Kerzenfabrik hinter sich.« (Dino Segre alias Pitigrilli in »Vegetarier der Liebe«) Das Perverse ist, daß sozial gesinnte, also links orientierte Leute weder eine Kerzenfabrik noch sonst eine Fabrik hinter sich haben, wenn sie Idealen huldigen. Sie wollen mit ihrem Idealismus ganz grundsätzlich gegen den Materialismus schlechthin ankämpfen, den sie für des Teufels halten. Ja, damit nehmen sie Abstand auch von ihrem eigenen Marterialismus: En vogue kam diese Haltung mit der Hippiebewegung in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Jene an sich sympathischen Typen damals empfahlen ein einfaches Leben, eine Flucht aus der kapitalistischen Konsumwelt. Doch diese hat die Bewegung alsbald wieder aufgesogen, allzu verlockend waren die Angebote der Warenwelt. Bunte, oft überaus praktische Gebrauchswerte hatten die ideellen »Werte«, mit denen man ja nichts anfangen konnte und kann, in den Schatten gestellt. Und nicht allein das. Die Idealismen wurden denen überlassen, die als Kapitäne der Wirtschaft, als Führer der Politik und als amtliche Schullehrer der Staatsräson sie zur Beschönigung ihrer gewaltbasierten Taten benutzen wollten und benutzt haben und weiterhin mit diesen Idealen propagandisch hausieren gehen.
Nichtsdestotrotz erheben die mittellosen, unbedarften Idealisten immer erneut ihr Haupt, messen Herrschaft und Wirtschaft an ihren — man kann getrost sagen — Utopien einer heilen Welt, einer antimaterialistischen Welt — ganz ohne irre zu werden. Sicher, der insbesondere unter der Jugend zirkulierende Idealismus legt sich in aller Regel im Laufe der Alterung seiner Protagonisten. Das kann man sehr deutlich sehen, an denen, die bei Wahlen »links« wählen. Also hierzulande an Parteien wie »Die Linke«, die Piratenpartei, »Die Partei« von Martin Sonneborn oder MeRA25 von Janis Warufakis [Γιάνης Βαρουφάκης].¹ Sehr gut bemerken sie mitunter, daß alle anderen Parteien nichts mit einem antimaterialistischen Idealismus am Hut haben, hingegen den Idealismus für ihren kapitalistischen Staat als dessen Rechtfertigung und zu dessen Verklärung benutzen.
Die Haltung all der idealistisch infizierten Opposition ist selbstredend keine der Arbeiterklasse. Diese Klasse (aus-)verkauft vermittels ihrer gewerkschaftlichen Organisationen ihre materiellen Interessen an ihre Gegner. Dabei ist unterstellt, daß sie mit diesen in einem Boot sitzt und Gegensätze deshalb zu unterbleiben hätten. Das Dementi eines fundamentalen Gegensatzes materieller Interessen also!
Manchem derer, die idealistisch unterwegs sind, fällt diese Trennung von der Arbeiterklasse störend ins Auge: Denn eigentlich, so meint ein solcher, gehörte gerade auch diese Klasse, die ja offenkundig wirklich nicht viel zu lachen hat, doch auch zur Opposition und es wäre erfolgversprechender, man zöge gemeinsam an einem Strick. Dieses Wunschdenken ist vor allem in der Partei »Die Linke« beheimatet. Dort macht man sich allerdings keinen Gedanken darüber, warum das nur ein Wunschdenken ist und bleiben muß. Denn weder dem eigenen Idealismus von einer Gesellschaftsordnung noch der sozialverträglichen nationalen Gesinnung der Arbeiterklasse möchte man zu nahe, auf die Füße treten. Und so gehen politische Opposition und die materielle Durchsetzung von Arbeiterinteressen gegen das Establishment eben nicht zusammen, zumal letztere eben gar nicht als wirklicher Gegensatz genommen werden.²
Natur- und Klimaschützer bringen ein materielles Interesse vor, da es sich um menschliche Lebensgrundlagen handelt, die tagaus tagein von einer kapitalistischen Wirtschaft zerstört werden. Freilich nur allzuoft wollen diese Schützer damit keine Gegnerschaft zu den gesellschaftlich obwaltenden Interessen eröffnen. Ganz im Gegenteil, sie meinen, daß ihre und jene Interessen im Grunde gar nicht auseinanderfallen dürften und schon gleich nicht sollten. Insofern machen sie einen Übergang vom materiellen Interesse hinweg zu einem Idealismus. Denn in der Tat liegt Natur- und Klimaschutz nur bedingt und sehr sehr untergeordnet im Interesse eines kapitalistischen Staates. Solch Schutz ist ja logischerweise ein nachgeordneter: Wie kommt man denn darauf, etwas schützen zu wollen, wenn es zuvor nicht verwundet worden ist?
Kein Wunder, daß sich also auch Klima- und Naturschützer im Kreise einer linken Idealistenpartei am ehesten wohlfühlen.
Noch etwas muß gesagt werden: Eine gewisse Naivität lassen Linksidealisten gegenüber anderen Staaten erkennen. Wenn irgendwo in der Welt oppositionelle Demonstranten unterwegs sind, dann wollen sie nicht herausfinden, welches Interesse jene überhaupt vertreten, was sie auf die Straßen treibt. Oft genug sind die Ansprüche doch nichts anderes als die, die westliche Einmischung in ihre Länder gutheißen und fordern, ja bis hin zu einem — in völliger Ignoranz gegenüber den Interessen der imperialistischen Staaten — geforderten Umsturz. Mit solchen Demonstranten sich hierzulande solidarisch zu erklären, ist die Perversion jeglichen materiellen Interesses, paßt also ausgezeichnet zu einem radikalisierten Idealismus.
Mit einem auf die Spitze getriebenen Idealismus glauben seine Protagonisten doch gleichwohl bei der Herrschaft früher oder später Gehör finden zu müssen. Und in diesem Vorhaben entdecken sie nicht ihrer Täuschung, lassen sich nicht so leicht ent-täuschen. Im Gegenteil, dieser Irrtum verführt sie mitunter zu immer noch radikalerem Protest. Sicher, nur wenige werden Anarchospontis, doch auch diese Sackgasse eröffnet sich allen Idealisten.
_______
¹ Auch DIE GRÜNEN starteten als Idealistenpartei. Der Abschied vom Idealismus erforderte die Ermordung ihrer damaligen Parteichefin Petra Kelly.
² Die Gewerkschaften ködern ihr Arbeiterklientel regelmäßig mit einem Ideal von Gerechtigkeit. Sie verstehen sich auf die gleichen Heucheleien wie die Politik. Bei denen, die vorgeben, sich um die materiellen Interessen ihrer Klasse zu kümmern, ist das besonders gemein.
27.08.2025
© Kommunikation & Kaffee Augsburg
www.koka-augsburg.net
Feedback: info@koka-augsburg.com

»Make America Great Again« — das unterstellt eine Ahnung davon, daß die USA nicht mehr so alle und alles überragend sind, wie sie es über 70 Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg waren.
Kurzum, die Aufgabe, die sich die Regierung unter Präsident Trump gestellt hat, ist gewaltig. Gewaltig deshalb, weil zwangsläufig viele Stellen in das Gesichtsfeld der Regierung geraten. Fast gleichzeitig wurden diese Baustellen nun in dem noch laufenden ersten Jahr der neuen Präsidentschaft bereits angegangen.
Ein zweifellos überaus wichtiger Punkt war, die Stellung der Regierung im Innern zu festigen. Dies konnte mit der drastischen Steuersenkung für die Klasse der Bourgeoisie, für die Kapitaleigner vergleichsweise leicht gelingen.
Eine zweite Wohltat für das heimische Kapital kam hinzu, die Absicherung mit Zöllen gegenüber der internationalen Konkurrenz. Unglücklicherweise hat sich das als zweischneidiges Schwert erwiesen. Nichtsdestotrotz wird entsprechend abgestuft an diesem Erfolgsrezept festgehalten.
Die dritte Baustelle sind die nationalen Staatsfinanzen. Über 37 Billionen US-Dollar Bundesdefizit haben selbst die US-Rating-Agenturen so beeindruckt, daß sie die Daumen nach unten gesenkt haben: Die USA sind nicht länger supertop bewertet.
Die Zölle sollten auch das Staatsdefizit merklich senken helfen. Außerdem wurde die Axt an überflüssig erscheinende Ausgaben gelegt. USAID wurde aufgelöst. Bemerkenswert auch der direkte Zugriff des Staates auf den Profit von Firmen, die brisante Geschäfte mit China machen¹.
Zur Sanierung des Bundeshaushaltes soll auch die Einsparung von Ausgaben für den von den USA angeführten Stellvertreterkrieg in der Ukraine gehören, zumal der aussichtslos geworden ist. Gleichzeitig sollen die NATO-Bündnispartner, wenn sie den Krieg weiterführen wollen — und das wollen sie ja sehr entschieden —, Waffen dafür in den USA kaufen und damit die US-Industrie stärken und gleichzeitig die US-Staatseinnahmen erhöhen.
Damit ist man schon bei den außenpolitischen Prioritäten. Mindestens so wichtig wie die Deckelung des lästig gewordenen Ukraine-Krieges ist die Sorge um den Herz-Partner, um Israel. Das dortige Zionistenregime hat sich seit nunmehr fast zwei Jahren in einen permanenten Mehrfrontenkrieg begeben. Ohne die politische und militärische Unterstützung der USA ist dieser nicht aufrecht zu erhalten. Israel hat die USA nicht gebeten, seine Kriege zu beenden. Vielmehr war die Bitte, ihm freie Hand zu geben, letztlich auch den Iran als Wurzel allen Übels anzugreifen, und die USA sollten selber einen klarstellenden Schlag landen. Obwohl Israel Hebel hat, die USA zum Einschreiten zu bewegen, war die Sache nicht so einfach. Es brauchte nicht nur eine Vorbereitungszeit von 60 Tagen. Es bedurfte auch der höchst persönlichen Reise Trumps nach Saudi-Arabien, um die Sache abzusichern. Die Araber sollten nicht dazwischenfunken und die ökonomischen Beziehungen zwischen Rijad und Washington DC sollten nicht tangiert, trotz der kriegerischen Umgebung und gerade aufgrund derselben ausgebaut werden. Trump zufolge gibt es dafür ein großes Potenzial.
Sodann konnte der exemplarische Schlag gegen den Iran durchgeführt werden. Nicht zu vergessen der zuvor schon erfolgte Schlag gegen den Jemen, deren von den Huthi geführte Regierung es sich erlaubt, in Solidarität mit den unter dem zionistischen Genozid leidenden Palästinensern diesen zuhilfe zu eilen. Die antiiranischen US-Schläge erinnern an die gewaltige Attacke, die Trump in seiner ersten Amtszeit 2017 gegen Syrien durchführte. Auch diese kam dem Zionistenstaat den ohnehin seinerseits ständig durchgeführten Bombardierungen des Nachbarstaates sehr zupaß, ob ausdrücklich angefordert oder nicht.
Da ein Merkmal eines faschistisches Staates ist, einen permanenten nationalen »Befreiungskrieg« à la Israel zu führen, bleibt den USA ihr eigenes imperialistisches Projekt im Nahen und Mittleren Osten bis auf weiteres erhalten. Einfach deshalb, weil es sich um ihr, die muslimische Welt kontrollierendes und »zivilisierendes« Projekt handelt, machen die USA keinerlei Anstalten, sich aus der penetranten Einflußnahme der Zionisten zu lösen: Selbst ein Genozid beeindruckt die USA nicht. Ihren Rassismus halten sie offenkundig für Zivilisation, welche in den Werten »Frieden, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte« besteht. —
Wichtige andere Felder bleiben den USA neben dem Ukraine-Krieg weiterhin erhalten. Immerhin scheinen sich für die USA nach dem Alaska-Gipfel Trump—Putin neue ökonomische Perspektiven zu ergeben, mit denen die Ukraine — in welcher Größe auch immer sie überlebt — nicht mithalten kann.
An der Periferie Rußlands versuchen die USA weiterhin zu drehen. Sie mischen sich in den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan ein. Diesen Konflikt zu beenden, war den USA insofern besonders wertvoll, da beide Staaten den zentralen Raum zwischen Rußland und dem Iran einnehmen. Außerdem grenzen beide Staaten an die Türkei an, die sich für eine Aufnahme in das BRICS-Bündnis bewerben. Eine Aufnahme ist aber kaum denkbar, solange die Türkei Mitglied der NATO ist und mit İncirlik einen bedeutenden US-Luftwaffenstützpunkt beherbergt, auf den die USA nicht ersatzlos verzichten werden, wenn überhaupt.
China obliegt dem US-Imperialismus ebenfalls zur Lösung. Die beiderseitige wirtschaftliche Abhängigkeit neigt sich zusehends zugunsten Beijings. Der auf diesbezügliche Änderung zielende Zollkrieg ist jämmerlich fehlgeschlagen. Die Anstrengungen militärischer Drohungen sind gleichzeitig angewachsen. Angefangen von Süd-Korea über Japan, die chinesische Provinz Taiwan bis zu den Filippinen bilden die USA einen Kordon: Der Pazifik gehört den USA und seine Verletzung, insbesondere im Südchinesischen Meer, stellt einen Kriegsgrund dar. Die China vorgelagerte Inselkette plus Süd-Korea im Norden betrachten die USA gleichzeitig als ein Aufmarschgebiet. Die dortigen Regierungen sind in Augen der USA Vasallen, die aufgerüstet und — notwendigerweise mit US-Militär versehen werden (sofern sie es nicht schon sind), ohne das sie nicht wie erwünscht steuerungsfähig sind.
Bleiben die USA-Ansprüche auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Auch an dieser Front sind es ebenfalls die Zölle, mit denen die USA ihren Wiederaufstieg bewerkstelligen wollen. Insbesondere Kanada, Mexiko und Brasilien gehören zu den Hauptadressaten. Der Erfolg ist — wie oben bereits erwähnt — äußerst zweischneidig geblieben. Einen kleinen Erpressungserfolg verbuchten die USA gegenüber dem Kleinstaat Panama, dessen Kanal US-Schiffe nun kostenlos durchqueren dürfen. Einen weiteren gegenüber El Salvador, dessen Führer dem US-Präsidenten sein gigantisches Foltergefängnis zur Übernahme illegaler Migranten angeboten hat. In Sachen Grönland sind die Ansprüche angemeldet, deren Durchsetzung ist laut Trump nicht eilig. Sicherlich gehen die US-Überlegungen dahin, Dänemark dieses Eiland günstig abkaufen — ähnlich wie sie vor langer Zeit Alaska von Rußland kaufen konnten, als es in finanziellen Nöten war.
Abschließend muß noch die »working class« erwähnt werden, die überwiegend für Trump gestimmt hat und die sich jetzt insofern belohnt sehen kann, als daß sie bei allen ökonomischen Maßnahmen, die die Regierung trifft, erwähnt wird. Erwähnt wird, wenngleich für sie keinerlei materieller Nutzen abfällt. Freuen tut die Arbeiterklasse sich, national bewegt, wie sie seit jeher ist, wenn Tausende von Migranten abgeschoben werden. Ein Arbeitsplatz für die US-Amerikaner fällt deswegen nicht ab. Freuen kann sich diese Klasse auch darüber, daß die Straßen der Städte gesäubert werden von all den Obdachlosen: Bei aller Not will ein Yankee sauber bleiben! Freuen kann das Proletariat sich allerdings kaum darüber, daß ihnen der Zufluchtsort ihrer bedrängten Kreatur schwerer erschwinglich gemacht wird: Die Preise für Spirituosen steigen und der Drogenhandel wird bekämpft — hauptsächlich beim Endverbraucher, versteht sich. Die Großhändler machen die USA im Ausland (Israel ausgenommen) ausfindig. Und das auch noch so, daß sie Venezuelas Präsident Maduro des Narkoterrorismus bezichtigen, obwohl sie genau wissen, daß der am allerwenigsten mit der Drogenszene zu tun hat. Doch für ihr Ziel, die dortige Regierung, die sich nicht als ihr Vasall gebrauchen lassen will, zum Sturz zu bringen, ist der US-Regierung offenbar jedes Mittel recht, auch die absurdeste Rechtfertigung, wenn es eben sein muß.
Die US-Regierung hat wahrlich insofern gute Karten, als ihre Arbeiterklasse, nicht weniger als ihre Milliardäre, hinter dem US-Imperialismus steht. Nach wie vor harmonieren Erfolg und Propaganda, auch wenn der Erfolg mittlerweile oftmals nur vorgeschützt wird.
_________________________________
¹ US-Regierung nimmt 15 % Anteil, für den Verkauf von Chips der Firmen Nvidia und AMD an China in der Gesamthöhe von 3,4-Milliarden-Dollars. Für die Herstellerfirmen ist damit die Lizenz erworben, an China verkaufen zu dürfen. Dabei handelt sich um Halbleiterchips, die unter Sicherheitsvorbehalt der US-Regierung stehen, da es sich um dual-use-Waren handelt, also Waren, die sowohl für zivile wie militärische Zwecke verwendet werden können. Ursprünglich hatte die US-Regierung diese Waren im April mit einem Exportverbot belegt, machte jetzt jedoch einen Rückzieher, da sie dieses stolze Geschäft ihrer Wirtschaft aufgrund deren Schieflage sowie der ökonomischen Lage des Staates selber nicht länger vorenthalten wollte. Schätzungen Anfang des Jahres zufolge würden der Verkauf dieser Chips (1,5mn H20) nach China für das Jahr 2025 den Herstellern 23 Milliarden Dollar Gewinn bescheren.
Eine ganz andere Frage ist, weshalb China diese mit künstlicher Intelligenz programmierten Chips überhaupt kauft – aus wirtschaftlichen oder aus politischen Gründen. Wie auch immer diese Frage beantwortet wird, die Tatsache an sich macht die Schwäche der USA in ökonomischer Hinsicht deutlich. Die war schon zu sehen bei den kürzlichen Zollverhandlungen, bei denen China den USA insoweit entgegenkam, daß sie auf ihre Waren den USA einen dreimal so hohen Zoll (30%) eingeräumt hatten wie den Waren, welche die USA nach China exportieren.
Gerne gesehen hätten die USA außerdem, daß China den Weg einschlägt, sich von Rußland abzukoppeln, sich vor allem von den russischen Erdöl- und Erdgas-Lieferungen zu befreien, so wie das den USA im Falle Deutschlands und der EU gelungen ist.
23.08.2025
© Kommunikation & Kaffee Augsburg
www.koka-augsburg.net
Feedback: info@koka-augsburg.com

Zunächst ein Schritt zurück, zurück in die Zeit der Sklaverei und Leibeigenschaft. Die Sklaven mußten für ihre Herren arbeiten und wurden nach allgemein üblichem moralischen Maßstab ausgebeutet. Entschädigt wurden sie mit Wohnstätte und Nahrung, also mit ganz konkreten Gebrauchsgegenständen.
Die Sklaverei wurde abgeschafft, die Sklaven wurden freigesetzt davon, für einen Herrn arbeiten zu müssen und gleichzeitig von ihrer unmittelbaren Versorgung mit Wohnung und Lebensmitteln. Ab sofort mußten sie ihre Arbeitskraft zu Markte tragen, um Geld zu verdienen und somit ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse stillen zu können, d.h. die dafür notwendigen Dinge kaufen zu können.
Daran läßt sich Mehreres feststellen:
Der nunmehr freie Mensch konnte keineswegs machen, was er wollte, wollte er nicht zugrunde gehen. Es lastete fortan ein immenser Druck auf ihm, er mußte seine Arbeitskraft feilbieten. Ja, er mußte sie, um eine Chance auf Anstellung zu finden, auch zurechtmachen auf die Bedürfnisse eines anderen, desjenigen der sie kaufen wollte. Er war also nicht mehr geknechtet wie früher als Sklave von einem Herrn, er mußte sich fortan nun selber zum Knecht machen und zwar schon bevor und damit er von einem gebraucht werden kann, der ihn mit Geld entlohnt.
War früher sein Leben als Sklave, seine Existenz und seine Arbeit kompakt zusammengehalten, so war sein Leben nun aufgeteilt in seine unmittelbare Existenz und seine Arbeitskraft. An letzterer allein hat nun sein Arbeit-Geber Interesse. Das führte dazu, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund dessen Abhängigkeit, seine Arbeitskraft verkaufen zu müssen, gnadenlos ausnutzen konnte. Man legt auch in dieser Beziehung den allgemein üblichen moralischen Maßstab an und spricht von Ausbeutung. Diese Tatsache veranlaßte den Staat einzugreifen, doch dazu später.
Das, was mit der Anwendung der Arbeitskraft und ihrer Bezahlung mit Geld, erforderlich war, war eine über den Lauf der Jahre immer objektiver feststellbare »Leistung«. Wer seine Arbeitskraft verkauft, verkauft sie für eine bestimmte Zeit, in welcher er wiederum eine zuvor festgelegte Arbeit zu verrichten hat. Also: Verausgabung von Arbeitskraft pro Zeiteinheit = Leistung. Die ist objektiv meßbar. Vorausgesetzt die Arbeit ist wie erwünscht erbracht, erhält der Arbeiter dann beispielsweise einen Geldbetrag von 10 Euro pro Stunde. Seine Lebensmittel erhält der Arbeiter von einem anderen Arbeitgeber, in dessen Laden er gehen muß, um sich sein täglich Brot etc. zu kaufen, also sein erhaltenes Geld im Tausch gegen das Brot jenem zu geben. Einfach mitnehmen kann er das Brot nicht, auch wenn er noch soviel Hunger hat.
Der Arbeiter ist also abhängig von seiner den Erfordernissen angepaßten Arbeitskraft als quid pro quo Geld zu erhalten, das er als Tauschmittel (Zahlungsmittel) benützen muß, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
So betrachtet besteht selbstredend die Möglichkeit, daß das erhaltene Geld für die Bestreitung seines Lebensunterhaltes nicht ausreicht. In diesem Falle spricht man nach allgemein verbreitetem moralischen Maßstab durchwegs von Ausbeutung. Dieser Zustand wirkt sich allerdings negativ auf die Arbeit selber aus, die die Arbeitskraft zu erbringen hat. Das kann auch nicht dadurch ausgeglichen werden, der Arbeitskraft in der gekauften Zeit höhere Anforderungen zu stellen oder sie gar länger als vorgesehen arbeiten zu lassen. Allerdings haben das die Käufer der Arbeitskraft nicht selber eingesehen, da mußte der Staat mit seinem Auge auf die gesamte nationale Ökonomie eingreifen. Der Staat hielt solche Art eingerissener Ausbeutungs-Ökonomie für seine übergeordneten Bedürfnisse untauglich. Er wollte und will ja aus der von ihm freigesetzten Ökonomie seinen Nutzen ziehen. Seitdem achtet er auf ein diesbezüglich gesundes Verhältnis von Ausbeutung und Lebenserfordernissen des Arbeiters, der ja möglichst lange und mit möglichst wenig gesundheitlichen Schäden verschlissen werden soll. Des Staates letzte — Aufsehen erregende — Maßnahme war die Etablierung eine Mindestlohns. Dies impliziert den Anspruch, daß niemand mehr, der in einem Staat mit gesetzlich verankertem Mindestlohn lebt, von Ausbeutung sprechen kann und darf. Denn der Begriff Ausbeutung enthält ja historisch festgezurrt immer eine moralische Anklage!
Also ist keine Rede à la Marx mehr statthaft, der seinerzeit zwar keine moralische Anklage gegen die ökonomischen Verhältnisse erhoben hat, obgleich diese, wie man aus dem Geschichtsunterricht bezüglich des 19. Jahrhunderts vielleicht noch weiß, seinerzeit hundsmiserabel waren. Vielmehr hat Marx das Abhängigkeitsverhältnis eines Arbeiters, das er mit dem Verkauf seiner Arbeitskraft eingeht, näher untersucht. Dabei ist er zu der Schlußfolgerung gelangt, daß der Wert, den der Arbeiter mit der Übereignung seiner Arbeitskraft an einen anderen schafft (und die sich in der geschaffenen Ware werthaltig manifestiert), nicht in vollem Umfang bezahlt werden kann und wird. Seine lebensnotwendige AbhäSgigkeit eröffnet der anderen Seite nämlich eine ausgezeichnete Erpressungsmöglichkeit, nämlich, auf Kosten der angewandten Arbeitskraft ein Geschäft zu machen. Diese Sachlage wird in einer kapitalistischen Gesellschaft nicht nur als ganz normal angesehen, sie darf auch nicht als Ausbeutungsverhältnis diskreditiert werden — das wäre ja gerade unmoralisch! In der staatlich etablierten kapitalistischen Gesellschaft gilt nicht staatlich erlaubte und betreute Ausbeutung als unmoralisch, sondern umgekehrt, der Vorwurf der Ausbeutung an solch famose Ökonomie!
Noch ein Nachtrag: Wie war das damals in einer realsozialistischen Gesellschaft wie der Sowjetunion oder der DDR und heute wohl nur noch in Nord-Korea. Dort waren die Arbeiter offenkundig weder Sklaven noch von einem Geschäftemacher bei Bezahlung mit Geld in Anspruch genommen. Das Verhältnis von Arbeiter zu seinen Existenzbedingungen, also zu seinen Lebensmitteln regelte er allerdings ebensowenig in Eigenregie. Dieses Verhältnis wurde also nicht von einer Privatperson wie dem Sklavenhalter oder Kapitalisten bestimmt, sondern unmittelbar vom Staat, als dessen Staatsbürger der Arbeiter existierte. So wie er in einem kapitalistischen Staat seine Arbeitskraft für deren Verkauf an einen ihn Bezahlenden zurechtschneidern mußte, um sodann zu seinen Lebensmitteln gelangen zu können, so mußte der Arbeiter seine Arbeitskraft auch im Realsozialismus zurechtmachen, um dann seine Lebensmittel zugeteilt zu bekommen. Der staatliche Anspruch auf Arbeitsleistung war unmittelbar an die Lebensmittelversorgung der Arbeiter gekoppelt. Dieses Verhältnis wurde zwar mit Geld abgewickelt, doch das Geld repräsentierte nicht einen geschaffenen Wert, sondern war reduziert auf ein reines Tauschmittel (Zahlungsmittel). Geld war kein Tauschwert, kein Kapital. Das war auch der Grund, warum den Preisen nicht der geschaffene Wert zugrunde gelegt wurde, sondern eben staatlich festgesetzt wurde (und zwar nach Lebensnotwendigkeit: Auto teuer, Brot billig). Es war im Grunde ein Witz, die Versorgungsleistungen des Staates, für die die Arbeiter arbeiten mußten, in Geld auszudrücken. Genausogut hätte man die Arbeiter in die Läden gehen lassen können, wo sie sich das, was sie benötigten, einfach mitnehmen hätten können.
Es ist offenkundig keineswegs so, daß der kapitallose Staat sich nicht an den Bedürfnissen und Wünschen seiner Arbeiter orientiert hätte. Das tat er sogar so sehr, daß er jenen nachzukommen trachtete, obschon er dabei vermeiden wollte, die Arbeitsleistungen der Arbeiter allzusehr zu diktieren oder gar zu erhöhen! Der Staat grübelte darüber nach, wie die Produktivität seiner Wirtschaft zu steigern wäre und blickte neiderfüllt in den Westen, wo die Produktivität durch die dort konkurrierenden Kapitale und die dafür ausgebeuteten Arbeitskräfte immer neue Höhen erreicht hatte. So von Bewunderung für den Westen erfüllt, dachte er schließlich auch gar nicht mehr daran, auf welcher Grundlage die Produktivität im Westen fußte. Ebenso die Arbeiter, denen jeder vernünftige Gedanke über Aufwand und Ertrag ihrer eigenen Arbeit abhanden kam.
So geschah es, daß über den internationalen Vergleich in Sachen Produktivität der ursprünglich gegensätzliche Zweck, eine von Ausbeutung freie Gesellschaft zu errichten, abhanden kam.
Und nicht nur das. Dieses Abhandenkommen wurde auch noch gerechtfertigt. Natürlich war in Rußland damals im Jahre 1917 eine Revolution angesichts der katastrofalen Ausbeutung, der Arbeiter und Bauern unterworfen waren, dringend nötig. Und sie war natürlich nicht nur dort nötig gewesen, doch anderswo nicht erfolgreich. Doch im nachhinein sahen und sehen es gerade Leute, die sich als Sozialisten begreifen, denen also die soziale Frage nicht fremd ist, darin einen Fehler. Sie behaupten, daß diese Revolution verfrüht war, also nicht zu einem Zeitpunkt, in dem der Kapitalismus so weit entwickelt gewesen wäre, daß ein Übergang zum Sozialismus auf die Tagesordnung gesetzt werden hätte sollen und dürfen. Mit der Geschichtsteleologie, nach der Sozialismus erst nach Ablauf seiner vorangegangenen Fasen erreicht werden könne, weisen sie die aktuelle Notwendigkeit, bestehend in der materiellen Notlage der Arbeiter, zurück. Sie berufen sich dabei sogar auf das Kommunistische Manifest, in dem von der Geschichte als einer Abfolge von Klassenkämpfen die Rede ist. Doch so teleologisch und apodiktisch in einen Geschichtsautomatismus mündende Entwicklung war das nicht gemeint. Weder Marx noch seine Mitstreiter wollten 1848 warten, bis daß irgendwann einmal ein Wunder vom Himmel fällt, die Ausgebeuteten erlösend. Ansonsten hätten sie gar kein kommunistisches Projekt anstrengen müssen. Für die (Miß)Interpretationen und Fehler nachfolgender Generationen können sie nicht in Haftung genommen werden, zumal der Gegensatz etwa zwischen der Ökonomie der Sowjetunion samt Verbündeten und Marx' Kapital-Analyse offenkundig ist. Es ist auch nicht so, daß man bei all den Staatsführern und im offiziellen Wissenschaftsbetrieb den Eindruck hätte, Marx' Kapital wäre zur Hand genommen und studiert worden. Ganz im Gegenteil. Die »Wissenschaft« reduzierte sich auf Weisheiten wie eben der der Geschichtsteleologie, wie sie DDR-Chef Erich Honecker einmal sprichwörtlich zusammenfaßte (»Den Sozialismus in seinem Lauf…«). Und im übrigen sei daran erinnert, daß Deng Xiaoping China auf eben den Weg gebracht hat, die dem Sozialismus vorangehende Etappe, den Kapitalismus, nachzuholen. Ob man das damit entschuldigen sollte, auf diese Weise immerhin dem Imperialismus eine Rechnung aufmachen zu können, soll an dieser Stelle nicht Thema sein. Die Alternative, das westliche Proletariat zum Aufstand gegen seine Ausbeutung zu bewegen, wurde weder von Mao Zedong noch von all seinen Nachfolgern als unmittelbar notwendig betrachtet.
Was die Sowjetunion und Co. vermeiden wollten, war sowohl der unmittelbare Zwang einer Sklavenhaltergesellschaft wie der stumme Zwang, unter den das Kapital die Arbeiter wirft. Daß sie gleichwohl nicht ohne Zwang, staatlichen Zwang auskam, war eben einerseits dem Widerspruch geschuldet, daß eine Entwicklung und eine gleichzeitige Verbesserung der Lebensbedingungen nicht ohne die Einsichten in die Ökonomie auskam. Das war die interne Seite. Dazu kam andererseits die externe Seite, daß sich die Sowjetunion ständig gegen eine ausländische kapitalistische Umwelt behaupten mußte und wollte. Das wollte sie so lange, bis sie zu der »Einsicht« kam, daß der stumme Zwang einer kapitalistischen Gesellschaft doch letzthin produktiver ist als das eigene Projekt. Eine Einsicht, die sich nun, man kann es drehen und wenden wie man will, nicht mit Marx' Erkenntnissen in Einklang bringen läßt. Und eines wollte man ganz sicher nicht, nämlich die Arbeiter auf eine rationelle Betrachtung ihrer eigenen materiellen Lage zu bringen: Denen wurde und wird immerzu unterstellt, aufgrund ihres Klassenstatus schon das richtige Bewußtsein zu haben. So daß es ein Rätsel ist und bleiben muß, warum die Arbeiter aus diesem ihrem Bewußtsein alles ihnen ganz offenbar Unzuträgliche ableiten und sich aufhalsen (auch jenseits dessen, was ihnen von außen aufgebürdet wird)..
Die Spitze des Eisbergs ist dann, wenn ein Arbeiter (auch im Status seiner Ausbildung dazu) sich selbst als Versager dingfest macht, damit vielleicht auch noch andere in Mitleidenschaft zieht (seinen Lebenspartner etwa oder ganz andere bei üblich gewordenen Amokläufen) oder zumindest sich selbst als Selbstmörder richtet. Oder aber auch zu der fänomenalen Erkenntnis gelangt, er lebe mit den falschen Genitalien, mit den richtigen sei alles kein Problem mehr.
Bei Betrachtung des Staates als solchem kommt es zu einer absurden Verdrehung: Nicht nur, daß Staaten, die die Kapitalistenklasse abgeschafft haben, aber die Arbeiterklasse nur anders interpretiert und hofiert haben — nämlich als Staatsbürger —, als sozialistisch bezeichnet werden. Sondern auch, daß im real existierenden Kapitalismus jeder Eingriff in die Freiheit des Kapitals durch den Staat schon als sozialistisch bezeichnet wird, auch wenn er durchaus zum besseren Nutzen des Kapitals erfolgt. So wird der Sozialstaat von manchen Ideologen als Sozialismus bzw. Vorstufe dazu gesehen, nicht zuletzt übrigens von Leuten, die dem Kapitalismus kritisch gegenüberstehen. Gemeint sind Kapitalismuskritiker, die sich dem Abbau von Sozialleistungen entgegenstellen oder/und bessere Sozialleistungen einfordern.
14.08.2025
© Kommunikation & Kaffee Augsburg
www.koka-augsburg.net
Feedback: info@koka-augsburg.com