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Steuerflucht ohne Ende
Das Kapital sucht nach lukrativer Anlage. Meist ist es für eine Neuinvestition im produktiven Sektor bei dem  durch die Konkurrenz der Kapitale erreichten Stand der Produktionsverhältnisse zu klein. Gleichzeitig groß genug, um seine Verwertungsansprüche nicht einfach aufzugeben. Es wägt ab zwischen Rendite und Risiko. Und es findet seine Schlupflöcher, dem Staat das vorzuenthalten, was der für die Förderung seiner freien Wirtschaft sich mittels Steuern vorbehält. Nicht nur in der Schweiz, auch in der EU, den britischen Kanalinseln beispielsweise, und sogar innerhalb der Eurozone, und da nicht bloß in Zypern, auch in Belgien und den Niederlanden, in Österreich und natürlich in Luxemburg, ist das Kapital renditeträchtiger angelegt, allein dadurch, daß es dem Zugriff deutscher Staatshaushaltssanierer entzogen ist.
Das ist nur allzu normal. Denn der Grund steckt in dem im Geld selber steckenden Zweck: Geld beansprucht mehr zu werden, ansonsten, als Schatz im Sparstrumpf führt es ein nichtswürdiges Dasein, ist durch die stete Inflation seinem schleichenden Niedergang ausgesetzt. Im Grunde versucht das Kapital mit seiner Anlage im Ausland nicht mehr und nicht weniger als sich in seiner anspruchsvollen Substanz zu erhalten. Das heißt, hier wird Kapital erhalten, gerettet, indem es akkumuliert, möglicherweise ja gerade für einen Rückfluß als Investition in der BRD selber. Es ist geradezu widersinnig, wenn deutsche Staatsfanatiker das nicht so recht sehen wollen, wenn sie auf einer Entwertung des Kapitals bestehen, einer Entwertung, die durch steuerliche Belastung vorangetrieben wird. Denn entwertetes Kapital läßt sich ja dann wohl nicht besteuern.
Kurz & gut, die Verwertungsbedingungen in der BRD lassen zu wünschen übrig. Das heißt, daß auch die nächste Bundesregierung eine Hauptaufgabe weniger darin sehen wird, Steuersünder zu belangen, sondern eben jene Bedingungen zu verbessern. Und was dies wiederum für die Arbeiterklasse bedeutet, braucht keine Unke in den Wald zu rufen.
(25.05.13)

Eine Lüge im Namen (supra)nationalen Interesses: »Deutschland — unschuldig!«
Wenn über die Eurokrise räsoniert wird, ist selten vom Zweck der Interessen der Beteiligten die Rede. Es ist die Rede vom Interesse am Erhalt der Eurozone. Aber es wird nicht gesagt, wozu dieses Interesse dient. Da wird abgesehen von jedem staatlichen Zweck, dem der Euro geschuldet ist. Der Euro ist ja als Erfolgsprojekt in die Welt gesetzt worden zur Mehrung deutscher Ansprüche in Sachen Macht und Geld. Und unter dem Vorwand, unter der (deutschen) Euro-Herrschaft würden die anderen Staaten samt Bevölkerung quasi automatisch profitieren. Daß, wenn sie nun so gar nicht davon profitieren, die BRD jede Schuld von sich weist, indem man die EU-Südstaaten auf ihre "maßlose Überschuldung, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, ein morades Bankensystem und erbärmliche Regierungsleistungen, die mit einem teils verrotteten Staats- und Steuersystem einhergehen" (so Walter Roller in der Augsburger Allgemeinen vom 02.05.13) als Ursachen der Krise hinweist, trifft noch nicht einmal perifer die Wahrheit. Das Bemängelte kann allenfalls als ein Resultat der Krise wahrgenommen werden, eines Mißerfolgs gemessen am Anspruch, daß jeder Staat mit seiner (freien) Wirtschaft einen positiven Beitrag zum vornehmlich deutschen Europrojekt zu leisten hat.  Dieser deutsche Anspruch erlischt nicht mit der Krise, zumal wenn man als Parteigänger des deutschen Staates so kinderleicht die Schuld auf andere schieben soll und will: "Deutschland ist nicht schuld an der katastrofalen Lage in den südlichen Ländern." (Roller, ebenda) Ja, das wäre ja noch schöner, wenn »wir« von »unserem« Projekt der kapitalistischen Einheit Europas, manifestiert im Euro, abgingen! Nur weil einige Staaten — nicht so ohne weiteres jedenfalls — gewillt sind, sich unsere »Rettungsvorschläge« zu Herzen zu nehmen, nachdem sie ursprünglich »unser« Projekt ihrerseits begrüßt hatten. Die müssen in Haftung genommen werden, dafür, daß sie den (ziemlich maßlosen) deutschen Ansprüchen nicht gerecht werden (wie denn auch!). Deutschland haftet nicht für sein eigenes Projekt, weil es sich weigert, diesbezüglich zu kapitulieren. Und gerade deshalb, andere bluten zu lassen, muß die BRD den Anschein wahren, daß sie sich um nichts anderes kümmert als darum, ein supranationales Ziel, »die Einheit Europas« zu verfolgen. Die vehementesten Vertreter dieser Superlüge sind übrigens weniger »rechts« als »links« zu finden, insbesondere bei den GRÜNEN: Die politische Durchsetzung deutscher Diktate obliegt ja derzeit eh den anderen.
Übrigens: Es ist nun wirklich nicht so, daß die BRD bei Einführung des Euro nicht auf die Stabilität der Währung geachtet hätte, sie festzurren wollte, gerade mit dem Hineinregieren in die Staaten, die bislang als währungspolitisch instabil galten. Jetzt so zu tun, als wäre die Instabilität der europäischen Südstaaten eine Überraschung, ist verlogen. Es zeugt allerdings vom tiefen Sachverstand deutscher Wirtschaftspolitiker und -experten!
(04.05.13)

Randnotiz zum deutschen Exporterfolg
Die Exportoffensive der BRD profitiert von eigener Vermarktung vor Ort mittels seinen privat agierenden Global Players im Bereich Handel. So werden beispielsweise in Griechenland durch die Firma Lidl deutsche Weine auf den Markt geworfen, obschon Griechenland genügend eigenen Wein produziert, darunter absolute Spitzenweine (u.a. aus den Weingütern von Nico Lazaridi aus Drama/Nordgriechenland, Karipidis aus Vunena/Thessalien, Emery aus Embonas auf Rodhos und andere mehr), gegen die deutsche Weine weit abfallen.
Der Export deutscher Weine läuft also ganz automatisch und hat Tricksereien selten noch nötig. Mit solchen wollten die Nazis ihrerzeit den deutschen Weinexport in die Gänge bringen. Erich Maria Remarque berichtet darüber in seinem Roman »Eine Nacht in Lissabon«:
"Helen stand auf und ging in die Küche. Sie kam mit zwei Flaschen und einem Korkenzieher zurück. »Unser glorreicher Führer hat das alte Weingesetz modifiziert«, sagte sie. »Früher durfte bei Naturweinen kein Zucker zugefügt werden. Jetzt darf sogar die Gärung unterbrochen werden.«
Sie sah mein verständnisloses Gesicht. »Das macht saure Weine in schlechten Jahrgängen süßer«, erklärte sie und lachte. »Ein Schwindel der Herrenrasse, um den Export zu erhöhen und Devisen hereinzubekommen.«" (aus dem 5. Kapitel)
Man kann nur hoffen, daß dem deutschen Kapital sein unverschämtes Glück, das es einst mit dem Prädikat »Made in Germany« hatte, allmählich auf die eigenen Füße fällt. Es waren die Briten, die dieses Prädikat auf deutsche Importgüter schreiben ließen, um deutsche Waren als minderwertig zu stigmatisieren. Doch viele Industriegüter waren einfach weiter entwickelt als die britischen, hatten einen höheren Gebrauchswert, was dazu führte, daß »Made in Germany« auch bei den Produkten ein deutscher Exporterfolg wurde, die gar nicht besser waren als die des Importlandes. Allzu viele deutsche Waren werden erst recht heute – nicht bloß im Ausland – ziemlich, manchmal sogar maßlos überschätzt.
Das Dumme für die Griechen ist mittlerweile, daß sie so sehr aufs Geld schauen müssen, daß sie zu den ausländischen Billigprodukten greifen müssen. Es würde ihnen also wenig nützen, wenn sie Wissen über die Weinschätze des eigenen Landes hätten, oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, wenn sie ihre einheimischen Tomaten als viel gesünder und schmackhafter zu schätzen wüßten, weil weitaus weniger pestizidbelastet. In der deutschen Presse war diesbezüglich zu lesen, daß sich viele Griechen ihren obligatorischen Ouzo nicht mehr leisten können….
(22.10.12)

Gegen die »Dysfunktionalität des Kapitalismus«!
"Deutschland hat in der Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte und in der gegenwärtigen Krise eine besondere Rolle eingenommen." (Alex Demirovic und Thomas Sablowski in analyse & kritik 570 v. 16.03.12, Vorabdruck aus der Zeitschrift ProKla, daraus auch die folgenden Zitate)
Wer so in die Argumentation einsteigt, der tut so, wie der Staat selber tut, wenn er Sachzwänge vorschützt, die ihm keine oder kaum eine andere Wahl ließen. Es tritt eine Verkehrung von staatlichem Interesse und Sachzwängen zutage. Demnach schaffen nicht die durchgesetzten und durchzusetzenden Intereessen des Staates (an seiner Machtausweitung und der dafür zu beschaffenden Mitteln) die Zwänge, die sich aus eben diesen Interessen ergeben – z.B. dem, daß das nationale Lohnniveau dringend gesenkt werden muß –, sondern umgekehrt: An den Zwängen, z.B. eben dem, das nationale Lohnniveau senken zu müssen, würde sich der Staat abarbeiten müssen, ganz so als ob dieser Sachzwang keinem Interesse geschuldet wäre. So liegen Steine auf dem staatlichen Weg, Steine, die dem Staat im Wege sind, und niemand weiß so recht, wie sie überhaupt dorthin gekommen sind.
Der Staat bzw. eben jene Autoren, die ihm eine (bloße) Rolle bescheinigen, tun ja gerade so, als wäre die BRD an sich ein Staat wie Mali oder Azawad, wo man keine Löhne senken kann und daher auch nicht muß. Eine Ökonomie, die profitabel ist, möchte noch profitabler werden. Ein Staat, der über eine solche verfügt, möchte sie noch profitabler machen, um für seine Macht dafür mehr verfügbar machen zu können. Das ist ein offensives und kein defensives Programm, keines, in dem ein »Rolleninhaber« bloß auf »Sachzwänge« reagiert. Deshalb ist auch die folgende Analyse grundfalsch:
"Nach der Vereinigeung der beiden deutschen Staaten hat sich Deutschland enorm verschuldet, um Strukturpolitik zu ermöglichen, die Folgen der Deindustrialisierung Ostdeutschlands zu mildern und die öffentliche Infrastruktur auszubauen. Die Zahl der Arbeitslosen war sehr hoch, das duale System der gewerkschaftlichen und betrieblichen Interessenvertretung der lohnabhängig Beschäftigten wurde zunehmend ausgehöhlt, insbesondere in Ostdeutschland. Die Öffnung Osteuropas, die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte und die Verlagerung von Produktion und Dienstleistung nach Osteuropa übten Druck auf die Beschäftigungsverhältnisse aus."
Hier wird allen Ernstes behauptet, die Folgen staatlichen Wirkens wären der Ausgangspunkt staatlicher Herausforderung und Tätigkeit. Wer, bitteschön, hat denn die Ostzone deindustrialisiert, wer hat denn Osteuropa heim ins kapitalistische Reich der Freiheit geholt, wer hat denn Billiglohnarbeiter verlangt, ihnen Räume eröffnet und angeworben?
Und so geht es dahin: "Mit den Maastricht-Kriterien konnte von deutscher Seite her eine neoliberale Geldpolitik durchgesetzt werden, die den Spielraum der staatlichen Wirtschaftspolitik, die öffentlichen Investitionen und der politischen Steuerung sehr einschränkte. Durch die Schuldenbremse und den Fiskalpakt wird diese weiter verstärkt."
Da hat sich der deutsche Staat doch glatt in seinem Interesse selber beschnitten, behaupten damit die Autoren ohne mit der Wimper zu zucken. Zu diesem Befund kann man nur kommen, wenn man vom (objektiv feststehenden) Interesse des Staates absieht! Man möchte nämlich auf folgendes hinaus, wenn man konstatiert: "Die Einführung des Euro war für die deutschen Unternehmen vorteilhaft." Das soll nämlich für den Staat eher kontraproduktiv gewesen sein, denn damit habe er sich ja (neue) Probleme geschaffen, anstatt (alte) Probleme zu bewältigen! Schöne Scheiße! Da sitzt er nun der Tor und ist so klug als wie zuvor!
Für die beiden Autoren ist freilich der Staat nicht gleich der Staat. Sie unterscheiden vom real existierenden, unvernünftig handelnden Staat einen, der vernünftig handelt und somit dem existierenden vorzuziehen sei. Sogesehen wäre die Eurokrise vermeidbar gewesen und all die anderen Mißlichkeiten auch. Es sind die Rechten, die den (Staats-)Karren in den Dreck gefahren haben. Und die Linken sollen sich anheischig machen, ihn wieder herauszuziehen? Das kann doch nicht wahr sein!
Und so geht der ganze Artikel über die so verwerfliche Austeritätspolitik darum, daß ein blöder Staat Sachzwänge nicht bloß vorfindet, sondern sich auch noch selber welche schafft, die er dann zu bekämpfen hat.
Demirovic und Sablowski würden also 1. keine Zwänge schaffen und 2. diese dann nicht so kontraproduktiv bekämpfen, wie der vorhandene Staat (bzw. dessen unfähige Regierung Merkel) es tut.
Sehr logisch! Denn ansonsten entstünden ja neue Zwänge, von denen es eh genug gibt.
Zugegeben, das ist höhere Logik, die Zwänge als die Prolegomena, die als solche aufgehoben werden sollen, ohne zudem und damit den Staat in seinem Wesen zu tangieren, vielmehr ihm zu reiner Wesenheit zu verhelfen. Das allerdings wird als linke Theorie verkauft. Und das geht dann wiederum nicht mit Ratschlägen an die Leute ab, die sich als links verstehen: Doch wer möchte davon dann, nach dieser brillanten Analyse, noch etwas wissen?: »Von der sozialistischen Perspektive gegen die Dysfunktionalität des Systems!«
(16.04.2012)

Die Bankenfinanzierung – versteht sich nicht von selber
"Bundesbankchef Jens Weisdmann möchte die EZB-Anleihekäufe am liebsten auslaufen lassen. Wofür gebe es schließlich den Euro-Rettungsfond EFSF? Doch mit den Stützkäufen aufzuhören, ist schwierig, Märkte und Politiker haben sich daran gewöhnt [Das ist natürlich kein wirklicher Grund!]. Insgesamt 211 Milliarden Euro hat die EZB seit Mai 2010 in diese Papiere investiert, in der vorrigen Woche waren es 3,3 Milliarden Euro,… – nach 635 Millionen in der Vorwoche.
Gegenüber den Banken gibt sich die EZB hingegen spendabler. Von Mittwoch an können sich Banken unbegrenzt Notenbankgeld leihen, und zwar auf drei Jahre – so lange wie nie zuvor. Banken haben deshalb zuletzt italienische und spanische Staatsanleihen gekauft, um diese dann als Sicherheit bei der EZB für diese Drei-Jahres-Kredite zu hinterlegen. Für die Banken ein gutes Geschäft, können sie doch das Kapital zu viel höheren Zinsen wieder verleihen. Die EZB hält dieses Banken-Notopfer für unerläßlich – schließlich verlieren viele Kunden das Vertrauen in die Geldhäuser." (SZ, 20.12.11)
Banken, die keine Kredite vergeben können, sind naturgemäß für Anlage suchendes Kapital nicht interessant. Denn woher soll denn sonst eine Rendite kommen? Nun springt also an dieser Stockung des Geldflusses der Staat ein. Die Stockung unterbindet den Lebensnerv des Systems und das darf natürlich nicht sein. Wie groß die Stockung ist, kann man an dem Kapitalbedarf sehen, für den der Staat mit seinem Kredit einspringt. Die Kreditvergabe seitens der Banken hängt also nicht mehr in erster Linie von einer erfolgreichen Verwertung von Kapital in Produktion und Handel ab, umgekehrt hängt der am seidenen Faden eines staatlicherseits aufrechterhaltenen Kreditswesens, das sich je mehr es sich eben dadurch auch aufbläht, seiner Entwertung entgegenstrebt und die Kapitale immer mehr in die Entwertung mitzureißen droht, die von ihm abhängen. Alles in allem droht eine Entwertung des nationalen Kredits. Zur Entwertung nationalen Kredits trägt der Staat noch das seine bei, indem er ihn ziemlich maßlos strapaziert, nämlich ausweitet.
Gerade deshalb, weil der Bundesbankchef nicht so recht weiß, wo und wie man der Entwertung begegnen soll, spielt er auf Zeit. Und was bitteschön soll sich in den drei Jahren ereignen? Eine kommunistische Revolution, die den ganzen Kredit hinwegfegt, der eh nichts anderes ist als eine Vorspiegelung falscher ökonomischer Tatsachen, eine künstliche Unterdrückung der Stockung nämlich?
Im übrigen mutet Marx Beschreibung der Stockung noch geradezu idyllisch an, hielt er es zum Zwecke der Erklärung der Kapitalzirkulation für angebracht, von einer gesamtgesellschaftlichen Stockung abzusehen: "Der Gesamtkreislauf stellt sich für jede Funktionsform des Kapitals als ihr spezifischer Kreislauf dar, und zwar bedingt jeder dieser Kreisläufe die Kontinuität des Gesamtprozesses; der Zirkellauf der einen funktionellen Form bedingt den andren. Es ist eine notwendige Bedingung für den Gesamtproduktionsprozeß, besonders für das gesellschaftliche Kapital, daß er zugleich Reproduktionsprozeß, und daher Kreislauf jedes seiner Momente ist. Verschiedne Bruchteile des Kapitals durchlaufen sukzessiv die verschiednen Stadien und Funktionsformen. Jede Funktionsform, obgleich sich stets ein andrer Teil des Kapitals darin darstellt, durchläuft dadurch gleichzeitig mit den andren ihren eignen Kreislauf. Ein Teil des Kapitals, aber ein stets wechselnder, stets reproduziert, existiert als Warenkapital, das sich in Geld verwandelt; ein andrer als Geldkapital, das sich in produktives verwandelt; ein dritter als produktives Kapital, das sich in Warenkapital verwandelt. Das beständige Vorhandensein aller drei Formen ist vermittelt durch den Kreislauf des Gesamtkapitals durch eben diese drei Phasen.
Als Ganzes befindet sich das Kapital dann gleichzeitig, räumlich nebeneinander, in seinen verschiednen Phasen. Aber jeder Teil geht beständig der Reihe nach aus der einen Phase, aus der einen Funktionsform in die andre über, fungiert so der Reihe nach in allen. Die Formen sind so fließende Formen, deren Gleichzeitigkeit durch ihr Nacheinander vermittelt ist. Jede Form folgt der andren nach und geht ihr vorher, so daß die Rückkehr des einen Kapitalteils zu einer Form durch die Rückkehr des andren zu einer andren Form bedingt ist. Jeder Teil beschreibt fortwährend seinen eignen Umlauf, aber es ist stets ein andrer Teil des Kapitals, der sich in dieser Form befindet, und diese besondren Umläufe bilden nur gleichzeitige und sukzessive Momente des Gesamtverlaufs.
Nur in der Einheit der drei Kreisläufe ist die Kontinuität des Gesamtprozesses verwirklicht statt der oben geschilderten Unterbrechung. Das gesellschaftliche Gesamtkapital besitzt stets diese Kontinuität und besitzt sein Prozeß stets die Einheit der drei Kreisläufe." (Das Kapital, Band II, MEW 24, S. 108)
So sehr der kontinuierliche Gesamtkreislauf auf dem fungierenden Kreislauf der einzelnen Kapital beruht, so sehr beruht er nicht mehr darauf, sofern er insgesamt ins Stocken gerät, an welcher Stelle der Einzelkreisläufe auch immer verursacht. Auf dem erreichten Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung wird eine Stockung am Geldkapital und seiner überragenden Bedeutung deutlich, einer Bedeutung, die darauf beruht, daß, wie Marx an anderer Stelle ausgeführt hat, das für die Produktion erheischte konstante Kapital immer größer wird und werden muß und eben dafür immer mehr Geldkapital benötigt wird, letzthin soviel Geldkapital für sich selber zum Geschäft wird, daß die von Marx exemplarisch vorstellig gemachte Kontinuität des Gesamtprozesses im Falle einer Stockung gar nicht mehr gewährleistet werden kann. Eben das wußte Marx erst recht:
"In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang des Reproduktionsprozesses auf dem Kredit beruht, wenn da der Kredit plötzlich aufhört und nur noch bare Zahlung gilt, muß augenscheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer Andrang nach Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick stellt sich daher die ganze Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise dar. Und in der Tat handelt es sich nur um die Konvertibilität der Wechsel in Geld. Aber diese Wechsel repräsentieren der Mehrzahl nach wirkliche Käufe und Verkäufe, deren das gesellschaftliche Bedürfnis weit überschreitende Ausdehnung schließlich der ganzen Krisis zugrunde liegt. Daneben aber stellt auch eine ungeheure Masse dieser Wechsel bloße Schwindelgeschäfte vor, die jetzt ans Tageslicht kommen und platzen; ferner mit fremdem Kapital getriebne, aber verunglückte Spekulationen; endlich Warenkapitale, die entwertet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie mehr einkommen können. Das ganze künstliche System gewaltsamer Ausdehnung des Reproduktionsprozesses kann natürlich nicht dadurch kuriert werden, daß nun etwa eine Bank, z.B. die Bank von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende Kapital gibt und die sämtlichen entwerteten Waren zu ihren alten Nominalwerten kauft. Übrigens erscheint hier alles verdreht, da in dieser papiernen Welt nirgendswo der reale Preis und seine realen Momente erscheinen, sondern nur Barren, Hartgeld, Noten, Wechsel, Wertpapiere. Namentlich in den Zentren, wo das ganze Geldgeschäft des Landes zusammengedrängt, wie London, erscheint diese Verkehrung; der ganze Vorgang wird unbegreiflich; weniger schon in den Zentren der Produktion." (Das Kapital, Band III, MEW 25, S. 507, Hervorhebung: KoKa)
Tja, was sollen sie also tun die Herren nationaler Gelder? "Trichet erhöhte die Leitzinsen, Draghi senkte sie. Trichet forcierte den Kauf italienischer und spanischer Staatsanleihen, Draghi deutet das Ende dieser umstrittenen Interventionen an." (SZ, 20.12.11) Wie man sieht, haben sie den Laden noch immer gut im Griff: Er läuft weiter, weil er aus politischen Gründen einfach muß. (Diese schöne Diktatur heißt übrigens Demokratie.) (29.01.12)

»Die Rettung Griechenlands«
– geht es denn überhaupt darum? Und wenn ja, inwiefern?
Sorgeobjekt sind ja doch die als Kapital in Umlauf befindlichen Schulden in den Händen der Gläubiger Griechenlands. Kann Griechenland diese Schulden nicht mehr bedienen, hat sich dieses Kapital entwertet. Das gilt ungeachtet davon, in welcher Währung sich das abspielt. Anders ausgedrückt, es ist unerheblich, in welcher Form Kapital entwertet wird. Das allenthalben für beklagenswert Befundene ist seine Entwertung. Woran liegt es nun, daß daraus ein staatliches Problem wird? Weil staatlich bilanziert wird. Wenn nun ein Staat wie die BRD andere Staaten als ökonomischen Beitrag zur Stärkung seiner ökonomischen Macht verbucht, dafür eine »Gemeinschaftswährung« einführt, dann stellt dieser Staat Ansprüche an andere Staaten, (selbst)verpflichtet sie darauf, einen, ihren ökonomischen Beitrag für das deutsche Projekt zu erbringen. Die im Falle einer Nichterbringung bzw. Nichtmehrerbringung des Beitrags angesetzten Daumenschrauben – Erpressungen in Form von Einmischung in die griechische (Wirtschaft-)Politik, Vorschriften, was die zu tun habe, bei gleichzeitiger Drohung mit Sanktionen – bekommt die griechische Arbeiterklasse zu spüren. Denn wie jeder Staat, der auf seinen kapitalistischen Fortschritt setzt, hält sich auch der griechische Staat an dieser Klasse schadlos. Die »Gemeinschaftswährung« ist also schon der Witz der Sache, allerdings nicht nach der gemeinsamen Seite hin, sondern nach der Art, wie kapitalistischer Reichtum in seiner abstrakten Form, in Form von Geld, überhaupt zustandekommt; als das Mittel, auf das kapitalistische Staaten setzen und um das sie konkurrieren. Nur so kommt es überhaupt zum höheren Witz eines gemeinsamen, nationalen Geldes, einer gemeinsamen Währung, eines Euros. Aus Sicht Deutschlands ist sofort klar, daß Griechenland nicht als Konkurrent gesehen wird, wenn es mit seinem Nationalkredit als Beitrag in der globalen Konkurrenz verbucht wird. Hier macht sich ein staatlicher Vor- und Eingriff in die sonst übliche (mit Handelsabkommen etc.) ökonomische Sfäre unter Staaten geltend. Aus der Perspektive der USA haben die ihrerseits natürlich kein Interesse, daß ein europäischer Nationalkredit ihrer Währung eine Nation und deren Geschäftssfäre solcherart für sich beansprucht, als Objekt nationaler Konkurrenz entzieht. (Wenn man schon mal ins Reich der Spekulation abdriftet, dann ist sofort klar, daß ein gesundgeschrumpfter griechischer Nationalkredit in Form eigener Währung, der Drachme, sofort die Konkurrenz darüber eröffnen würde, wer diesen für seine Zwecke kapitalisieren könnte.)
Daß eine Währungshoheit keine exklusiv nationale Sache ist, liegt in der Konkurrenz der Nationen und ist abhängig vom Kapital, das sie für sich geltend machen können. (Auch der Euro ist ja nicht eine ausländisches Kapital ausschließende Währung, das ist ja nicht einmal der nicht so ohne weiteres konvertible chinesische Yuan. Die USA haben ja gerade auch in Griechenland den dortigen Nationalkredit, gerade weil er auf Euro lautend eine besonders gute Kapitalanlage bot, genutzt, soweit ökonomisch möglich, also auf privater Basis: Goldman Sachs hat aus dem Euro Nutzen gezogen, sehr zum Nachteil der BRD. Dabei war die »Überdehnung« des Kredits sicher nicht die Absicht.)
Der Eindruck, den ein Lohnabhängiger hier wie in Griechenland beim Blick in seinen Geldbeutel gewinnt, ist untrüglich: Früher konnte er sich mit deinen DM und Drachmen mehr kaufen als heute mit Euro. Nur: Er täuscht sich gewaltig, wenn er denkt – wie die pausenlos blökende Blödzeitung oder die fleischgewordene Ökonomieprognose Hans-Werner Sinn – dieses Weniger sei der Nationaluniform der Geldes geschuldet, als wirklich nationales Geld wäre es »sein« Geld angesichts dessen, daß dieses Mittel seines Auskommens hinten und vorne kaum ausreicht, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Deshalb ist es auch absurd, zu glauben, staatliche Wirtschafts- und Währungspolitik würde dazu taugen, ihn, die lohnabhängige Manövriermasse, – zumindest irgendwann – mal aus der Bedrouille zu bringen. Jede währungs- und wirtschaftspolitische Maßnahme wie auch jede unterlassene Maßnahme würde in der entstandenen Lage zwar Deutschland und Griechenland wechselseitig nicht viel helfen, insofern sie an der Entwertung des Kapitals nichts ändern könnte, aber es ist nie und nimmer abzusehen, daß der Schaden eines Staates einer zum Nutzen der für Lohn arbeitenden Bevölkerung eines anderen Staates wäre. Umgekehrt schlägt auch der Gewinn, den die BRD aus dem Euro geschlagen hat und weiterhin zu schlagen gedenkt, sich ja keineswegs auf der Habenseite der Arbeiterklasse hierzulande nieder. Er ist Zweck des Kapitals und als solcher schon verbucht, selbst wenn er in Form kleiner Scheine zwischendurch und zweckentfremdet mal für die Reproduktion der Arbeiterklasse taugt: Die kann ja auch nichts Besseres damit anfangen, als das Geld, das ihr nicht gehört, gleich wieder auszugeben. Hoheitlicher Eigentümer des Geldes ist der Staat, befugter Kreditnehmer das privat institutionalisierte Eigentum, beides also weder NETTO-Verkäuferin »Monika Musterfrau« noch »Schorsch Schuttler« bei MAN Diesel & Turbo. (11.05.11)

Handreichungen zum vieldiskutierten Begriff des WERTs (08.07.10)
Neues von Robert Kurz zur Euro-Krise (16.05.10)

Ein fast allzu klassischer Fehlgriff
Vielfach bekommt man ja zu hören, daß Marx' Kapital schwer zu lesen und überhaupt schwer verständlich sei, von den über 2000 Seiten Stoff mal ganz abgesehen, die zu bewältigen in unserer schnellebigen Zeit einfach nicht möglich erscheine. Diese Klage gibt es nicht erst neuerdings, die gibt es schon fast solange es das Werk selber gibt, ebenso das falsche Urteil über die Schrift, daß sie eine Lehre sei und keine rücksichtslose Kritik der bestehenden Verhältnisse, die auf einem Zweck namens Tauschwert basiert.
Nun passiert es ja hin & wieder, daß einem etwas in die Hand gerät, das eben dazu taugt, falsche Urteile am vorliegenden Falle dingfest zu machen. Es geht um eine Neuformulierung des Kapitals, an der sich ein gewisser Julian Borchardt im Jahre 1919 zu schaffen gemacht hat. Er wollte Marx' Werk lesbar machen: "Mein Bestreben mußte es sein, soviel wie nur irgend möglich Marx' eigene Worte stehen zu lassen und meine Tätigkeit auf das Auslassen und Umstellen zu beschränken." Damit er sich nicht zuviel selber rühmen muß, überläßt er das einer Rezension, die über sein Werk folgendes schreibt und die J.B. willkommenerweise und ohne Einwände zitiert:
" Wir freuen uns, an der Schrift von Julian Borchardt rühmen zu können, daß darin die Zentralgedanken der marxistischen Ökonomie vortrefflich und im Allgemeinen [!, im besonderen natürlich nicht, ist ja wohl auch nicht nötig, soviel jedenfalls wie der Rezensent von der „marxistischen Ökonomie“ – ist das jetzt Das Kapital, also die kapitalistische Ökonomie oder was? – verstanden haben will, ohne sich mit dem Original abgegeben zu haben.] ganz im Sinne des Vorstehenden popularisiert sind.  Wie kurz, einfach und lichtvoll ist z.B. die Pointe der Mehrwerttheorie auf der ersten [! eine echt starke Leistung, fürwahr!] Seite resümiert: ‚Das Kapital kauft die Arbeitskraft und zahlt dafür den Lohn. [Das versteht jeder sofort, nur der blöde Marx hat  für erklärungsbedürftig gehalten, daß einer kauft und der andere – mehr nolens als volens – seine Arbeitskraft verkauft.] Indem dann der Arbeiter arbeitet [ist ja klar, ist ja gekauft!, zu welchen Bedingungen auch immer!], erzeugt er einen neuen Wert [ist ja unmittelbar einleuchtend, schließlich entspringt seiner eingesetzten Arbeitskraft ein neues Produkt! – wie der Wert der Arbeitskraft auf die neue Ware übergeht – ebenso einerlei wie die Frage, welchen Wert denn nun eine Ware hat!], der nicht ihm, sondern dem Kapitalisten gehört [wem auch sonst, also leicht verständlich auch dies! Welchem bürgerlichen Kopf ist es schon ein Rätsel, daß der Arbeiter von den Ergebnissen seiner Produktion, den Waren, getrennt und von ihrer Verfügung ausgeschlossen ist?]. Eine Weile muß er [gemeint ist natürlich der Arbeiter] arbeiten, um nur den Wert des Arbeitslohnes wieder zu erhalten [Hier stellt sich doch die Frage, was ist der Arbeitslohn wert? Hier wäre doch einfacher formuliert einfach ausnahmsweise auch mal richtig: ‚Um den Arbeitslohn zu erhalten.‘ Mitgedacht ist wahrscheinlich das, was Marx in seiner Ausführung für nötig erachtet hat, zu erläutern, daß nämlich der Arbeitslohn gerade für die notwendige Reproduktion der Arbeitskraft ausreichen muß, also auch der Lohn zahlende Kapitalist  das wenigstens zu berücksichtigen hat (was ihm staatlicherseits erst beigebracht werden muß(te), denn offenbar bezahlt(e) er aus eigenem Interesse dem Arbeiter oft nicht einmal das). Natürlich kann einer das lässig streichen, der sowieso nichts anderes im Kopf hat wie Beschäftigung pur als Non-Plus-Ultra eines Arbeiterinteresses.].  Aber nachdem dies geschehen, hört er nicht auf  [warum eigentlich nicht?], sondern arbeitet noch einige [?!] Stunden des Tages. [Lustiger Mensch, unser Arbeiter im Kopf des J.B.!] Der neue Wert, den er jetzt erzeugt, und der also [! sehr logisch & einleuchtend!] den Betrag des Arbeitslohnes übersteigt [soso!], ist der Mehrwert. [Hier haben wir also eine neue (Form der) Mehrwerttheorie, nach der das quantitative Übersteigen des  nichtbezahlten Teils des Werts der Arbeitskraft im Vergleich zum bezahlten, eben den Mehr-Wert ausmacht! Wäre es umgekehrt der Fall, also der bezahlte Teil der Arbeitskraft größer als der unbezahlte, dann gäbe es wohl keinen richtigen Mehr-Wert: Dann würde sozusagen der Arbeiter den Kapitalisten gar keinen Kapitalisten mehr sein lassen, sondern den Spieß umdrehen und ihn ausbeuten. Keine Frage, daß das – und nicht etwa Marx, nach dem der Mehrwert der unbezahlte Wertteil der Arbeitskraft (den er deshalb gar nicht als Wert der Arbeitskraft faßt) ist, der auf die Ware übertragen wird – den Fanatikern eines gerechten Lohns eingeleuchtet haben muß.]' Näheres über Wert und Arbeit sowie über den Kapitalprofit, ist dann gesondert in den beiden letzten der sechs in Unterabteilungen wohlgegliederten Kapitel – nicht  minder gemeinverständlich ausgeführt. … Wie der Autor im Vorwort sagt, wollte er kein abgeschlossenes System der Wirtschaftslehre bieten, sondern nur den Gedankengang, der dem Marxschen Kapital, 1. Band, zugrunde liegt. Und das ist ihm vortrefflich gelungen und wir stehen nicht an, die Schrift denen, die vom ökonomischen Marxismus noch kein richtiges Wissen haben, zur Einführung in denselben aufs Wärmste zu empfehlen."
KoKa hat diese Rezension und das Vorwort allerdings schon gereicht, diese Schrift, die vom Marxschen Gedankengang offenkundig nicht das Geringste, geschweige denn wenigstens den Zweck des Werkes, verstanden hat, vielmehr sich in einer völlig unleserlichen Banalisier- und Fabulierkunst erquickt, dem Müll zu übergeben. Hier nochmal der einfache Leitgedanke, den Marx im Kopf hatte, als er "Das Kapital" schrieb: Wie kommt der Profit (und als dessen Grundlage der Mehrwert) wirklich – also ohne Zauberei, Trickserei und Betrug – zustande? Wie wird aus Geld mehr Geld? Doch nicht einfach so! Auch und gerade wenn es heutzutage allen Anschein haben mag, daß das Geld (von) selber arbeitet und nicht der Arbeiter.
Im übrigen ist es eine riesige Unverschämtheit unter dem Vorwand schwer verständlicher Formulierung unter dem gleichen Titel eine ganz andere, völlig unhaltbare Theorie zu verbreiten und überdies mit ihr Marx guten wissenschaftlichen Namen in den Dreck zu ziehen. Wer vermutet, daß dieser Borchardt einer jener widerlich abgefeimten "linken" Sozialdemokraten war, liegt übrigens völlig richtig. (13.03.10)

Enteignung als die Methode der Gewinnung abstrakten Reichtums
Viel Gejammer hebt an unter den Wirtschaftsliberalen, wenn der Staat sich erlaubt, Privateigentum an Kapital zu enteignen, mitunter ja sogar darüber – die Dummheit radikaler Ideologen kennt keine Grenzen -, wenn das zu seiner Rettung geschieht – andernfalls verbittet sich der kapitalistische Staat das ja sowieso. Daß Enteignung in ganz prinzipieller Hinsicht probate Methode des Kapitals selber ist, ist dem New Yorker Professor David Harvey in aller Unbegriffenheit aufgefallen:
"Im Januar 2008 hatten über zwei Millionen Menschen ihre Wohnungen verloren. Im selben Monat wurden an der Wall Street Bonusprämien in Höhe von insgesamt 32 Milliarden US-Dollar ausgezahlt. Ich kann natürlich nicht sagen, daß das Geld, das die oben genannten Gruppen verloren haben, direkt in der Wall Street gelandet ist. Aber wenn man eine derart immense Vermögensbildung auf der einen Seite und dermaßen heftige Vermögensverluste auf der anderen Seite beobachtet, kommt man nicht umhin, einen Zusammenhang festzustellen. Ich fasse dieses Ereignis als einen Ausdruck der Klassenverhältnisse auf. Es ist eine gute Beschreibung dessen, was ich 'Akkumulation durch Enteignung' nenne: Ein Teil der Bevölkerung wird enteigent, und einem anderen Teil fließt das enteignete Vermögen zu." (analyse & kritik, Nr. 541, 08-2009)
Was haben denn die zwei Millionen Menschen gehabt? Gehörten denn die Wohnungen ihnen? Nein. Sie hofften mit dem Verkauf ihrer Arbeitskraft gegen Lohn, sich solche leisten zu können, indem sie ihre Lebensansprüche anderweitig einschränkten. Der Lohn war also teilweise verpfändet an ihnen Kredit gewährende Banken. Mit ihrem Lohn finanzierten sie sowohl dem Wohnungsverkäufer wie auch der Bank einen Profit. Bedingung dafür war natürlich, daß der Lohn solange und in genügender Höhe fließt, bis die Ansprüche von Wohnungsverkäufer und Bank abgetragen waren. Daß der Lohn das unmöglich gewährleisten kann, ergibt sich daraus, was er ist: Er ist die Entschädigung durch den Käufer der Arbeitskraft, solange er sie gebrauchen, also rentabel anwenden kann. Hier liegt schon die erste Enteignung vor: Die Trennung der Arbeitskraft von ihrem Nutzen. Sie geht ganz in den Gebrauch des Käufers ein, entschwindet also ihrem Besitzer. Dafür wird sie unter ihrem Wert bezahlt, was die Grundlage des Profits ausmacht. Es soll ja auch nur eine Entschädigung sein – eine Entschädigung für die Reproduktionskosten der Arbeitskraft, die natürlich all ihrer Schädigung zum Trotz dauerhaft zur Verfügung stehen soll. Der Lohn ist also schon eine sehr mäßige Angelegenheit, fußend auf der Enteignung der Arbeitskraft, die im Dienst nicht für sich selber, sondern für einen anderen, einen Kapitalbesitzer, steht und mangels eigenen Kapitals auf Gedeih und Verderb stehen muß.
Nun bildet sich ein Wohnungskäufer ein, mit eben diesem seinem Lohn, zumal wenn er ein bißchen höher ausfallen sollte als der Durchschnitt, sich auch einmal etwas leisten wollen zu können, schwer beeindruckt von den vielen tollen Sachen, die feilgeboten und angepriesen werden und an die mit ihrem Besitz ein Stück gesellschaftlicher Anerkennung gebunden ist. Damit stellt der Käufer an sich schon Ansprüche, die sein Lohnarbeiterdasein überfordern: Genaugenommen müßte er jetzt der anderen Seite, dem Käufer seiner Arbeitskraft, mehr abzuringen bestrebt sein. Er müßte, da er selber anspruchsvoll sein will, diese seine Ansprüche dem gegenüber geltend machen, der ihn mit dem Kauf seiner Arbeitskraft enteignet, also seine Ansprüche zurückweist. Doch offenbar war das nicht das Ansinnen genannter zwei Millionen Menschen gewesen. Die hatten glatt gemeint, der Kapitalismus sei – wenn man es nur irgendwie geschickt anstelle – ein ziemlich kostengünstiger oder gar kostenloser (Selbstbedienungs-)laden.
Kurzum, die Enteignung geht schon beim Abschluß eines Kaufvertrags los und stellt sich nicht erst hinterher ein. Was sich hinterher einstellt, ist der Katzenjammer und die Krokodilstränen über die eigene Blödheit. Und natürlich die Fabulierkunst der Filosofen, die einmal mehr die "Ungerechtigkeit" der Welt beklagen können, was leider ein nicht ausrottbarer Kassenschlager auf dem Buchmarkt zu sein scheint. (22.08.09)

Klassischer Fehlgriff
Daß man heutzutage im Grunde gar nicht mehr für den Kapitalismus sein kann, wenn man nicht "aus Verantwortung" für die herrschenden Verhältnisse müßte, das haben sogar die Schlaumeier von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gemerkt. Aber nicht nur dieser monetenschwere Idiotenverein bemüht sich weiterhin, an den Lebenslügen des Systems zu stricken, selbst längst vergessene Professoren wie Gerhard Scherhorn (seinerzeit Prof. für Konsumökonomik an der Universität Hohenheim bei Stuttgart) legen sich ins Zeug: Er bietet folgendes – sehr symptomatisch gewordenes – Erklärungsmuster der Krise an:
"… Was die Welt in die Finanzkrise geführt hat, war eine Aufblähung des Geldschöpfungspotentials der Banken. Sie wurde möglich durch die Liberalisierung des Kapitalverkehrs ab Ende der 1970er Jahre. Man verzichtete auf nationale Genehmigungspflichten und Qualitätskontrollen für neue Anlageprodukte (Derivate) und neue Akteure (Hedgefonds, Private Equity Fonds), ohne sie durch internationale Vorschriften und Kontrollen zu ersetzen. Finanzgeschäfte außerhalb der Börsen und Bankgeschäfte außerhalb der Bilanzen wurden leichter möglich, Veräußerungsgewinne wurden steuerbefreit, Mehrfach- und Höchststimmrechte abgeschafft, Spielräume für Aktienrückkauf und variable Managervergütungen erweitert. …" (taz, 02.04.09)
Wenn schon mal auf die Gründe eingegangen wird, dann so. Daß es allerdings unmöglich sein kann, daß etwas passiert, weil etwas anderes NICHT geschehen ist, ist unlogisch. Anders herum gibt es Sinn: Die Genehmigungspflichten und Kontrollen wurden aus gutem, nicht aus schlechtem Grund abgebaut, weil somit die Freiheiten des Kapitals erweitert werden sollten. Offenbar hatte das Kapital ein Bedürfnis danach. Ja, der Gewinn erheischt immer neue Freiheiten, weil sein Verlangen prinzipiell grenzenlos ist. Dem kam der Staat nach, weil er seinerseits an einer Ökonomie interessiert ist, die erfolgreich ist und für ihn das abwerfen soll, was er braucht, um in der internationalen Rangordnung der Staatenwelt sich zu behaupten und möglichst aufzusteigen.
Das Kapital hatte aber nicht nur einfach so seinen Gewinn im Sinn. Es kennt dafür einen Bedarf, ein wesentlicher ist das Verfügen über Geld, über Kredit, denn nur mit ihm werden die Schranken der gegenwärtigen Wirtschaftsweise in dem Maße durchbrochen, wie es die – wie gesagt: prinzipiell unermeßliche – Gewinnerwartung verlangt.
Die heutzutage mit jenen damaligen staatlichen Maßnahmen erreichte Stufe des Kapitalismus, die wollen ausgerechnet die Ideologen nicht missen, die den dafür notwendigen Einriß der Schranken der alten Stufen geißeln, als wäre deren Einriß dafür nicht nur nicht notwendig, sondern kontraproduktiv gewesen!
Alles weitere zur Finanz- und Wirtschaftskrise in der nach wie vor erhältlichen Ausgabe des GegenStandpunkts 4/2008. (02.04.09)

Theoretisch alles im Griff!
Das wollte die Süddeutsche Zeitung hören, von der letzten, für die Liquidität des weltweiten Kapitalismus zuständigen Instanz, der Weltbank, von ihrem Chef, Robert Zoellick (Interview v. 23.02.09). Einzig eine Lösung interessierte sie, nicht welchem Zweck es zu verdanken sei, daß laut Zoellick im vergangenen Jahr "durch die Explosion der Lebensmittel- und Energiepreise zwischen 130 und 155 Millionen Menschen zurück in die Armut gestoßen" worden sind. Sie versteht es, saublöde Fragen zu stellen wie z.B., ob die jetzt steil abstürzenden osteuropäischen Staaten "nach dem Fall des Eisernen Vorhangs" nicht große Fortschritte gemacht hätten. Zoellick hingegen weiß und betont, wie wichtig ein funktionierendes Kreditsystem ist, es ist die Grundlage der kapitalistischen Wirtschaftsordnung überhaupt. Er hat die Befürchtung, daß sich angesichts des ökonomischen Desasters Staaten vom freien Welthandel, zumindest partiell, abkoppeln. Das ist mit dem – kaum noch zu revidierenden – Scheitern der letzten WTO-Runde (Doha) allerdings bereits ebenso Fakt wie mit der Inflation der bilateralen "Freihandels"-Abkommen, deren Zahl auf mehr als 430 angestiegen ist, wovon allein 300 in den letzten acht Jahren abgeschlossen wurden. Kurzum, der US-Amerikaner Zoellick kann nicht bestreiten, daß den USA – und daran sind sie mit ihrer Unnachgiebigkeit selber maßgeblich beteiligt – die Fäden des Welthandels, die bei ihnen zusammenlaufen, langsam aber sicher entgleiten. Nichtsdestotrotz will er die Ideologie des Systems in die Köpfe der politischen Protagonisten des Kapitalismus – an dieser Stelle in die deutschen – hämmern: 1. Konjunkturprogramm, 2. dieses hauptsächlich zur Rettung des Finanzsystems, 3. nationale Kreditierung der Geschäftsbanken, 4. kein Protektionismus, 5. das alles nicht zuletzt – ein bißchen Heuchelei muß sein – im Interesse der Weltgegenden, in denen sogenannte failing states grassieren. Er erinnert an 1776, als 13 britische Kolonien sich zu den USA zusammenschlossen. Im Niedergang erinnert man halt gern an die guten alten Zeiten, als einem die Welt noch offen stand. Es gehört in der Tat schon sehr viel Idealismus und Unverfrorenheit dazu, dem Kapitalismus als weltweitem Erfolgsrezept nationaler Gewaltmonopole aus der Krise helfen auch nur zu wollen. (01.03.2009)

Sozialismusvorwurf an eine ungewöhnliche Adresse
Er wird gegen die Regierung vorgebracht, von maßgeblichen Kräften der Bourgeoisie und ihren verlängerten Armen in Parlament und Presse. Weil dieser Vorwurf in der Sache so absurd ist, merkt man auch gleich den Agitpropcharakter der Anstrengung. Eine Seite, die sich unter dem anspruchsvollen Titel »Kapitalismus begreifen« online findet, hat sich nichtsdestotrotz Gedanken über jene Gleichsetzung von Marx und Engels mit Frau Merkel & Co. gemacht. (25.02.2009)

Heuchelei verbürgt Verantwortung
Tiefe Furchen in der dick aufgetragenen Schminke hinterließen die Krokodilstränen der Madame Schaeffler. "Die Vollkasko-Mentalität unserer Kapitalisten geht nämlich von Schadensregulierung ohne Selbstbeteiligung und ohne vorherige Beitragszahlung aus und will dann auch noch die Rückerstattung der gar nicht bezahlten Prämien." (so ein Leserbrief in der taz v. 19.02.09) Natürlich nicht bloß "unserer". Viel interessanter, als der (vermeintlichen) Verantwortungslosigkeit eine (eigentliche) Verantwortung gegenüberzustellen – die Linie, die der Schreiber des weiteren verfolgt -, wäre doch die Frage, woher diese Mentalität rührt. Kapitalisten wissen doch, daß der Staat auf sie, weniger als Verantwortungsträger, vielmehr auf sie als Leistungsträger baut, weil er sich von deren "Leistung" abhängig weiß. Dies betrachten sie als ziemlichen Freibrief für ihre Spekulationen. Je risikanter die ausfallen, desto größer die Leistung, vorausgesetzt die Spekulation geht auf. Wenn, wie im vorliegenden Falle eine solche sich als krasse Fehlspekulation herausstellt, setzt der Kapitalist nicht minder darauf, daß der Staat dafür Verständnis haben muß, will er seine Staatsräson, die im Erfolg des Kapitals ihren Grund hat, nicht revidieren. Daß der Staat hier tatsächlich Revisionen vornehmen könnte, das ist die große Befürchtung der Eigentümerbagage. Da ist ja auch was dran; denn wie die Anzahl fehlgeschlagener Spekulationen zeigt, sieht sich der Staat zunehmend gezwungen, ein eigenes Kosten-Nutzen-Verhältnis den privaten Gewinnrechnungen gegenüberzustellen. (20.02.2009)

"The World Economy: What Would Marx Think?"
so titelt das US-Magazin Time in seiner Februar-Ausgabe. Diese Frage einmal ernstgenommen, könnte der Autor den Artikel What the Collapse of the Financial System Teaches about the Wealth of Capitalistic Nations lesen. Was macht er stattdessen? Er begibt sich auf die Spuren von Marx, begibt sich nach Trier, Paris und London. Wie zum Teufel kam er auf diese reichlich bescheuerte Idee, die man geradezu für typisch us-amerikanisch halten mag: Ist es der Erfolg der chinesischen Ökonomie, deren Urheberin eine sich kommunistisch nennende Partei ist? So mag denn der Autor Peter Gumbel denken, daß dieser Erfolg irgendwie Marx geschuldet sei, wenn er die Frage stellt: "As we work out how to save capitalism, it's worth studying the system's greatest critic"
Bestärkt darin haben ihn sicherlich die chinesischen Touristen, die sich gerne vor Marx' Geburtshaus ablichten lassen, und er kann dies selbst mit einer Chinesin, die dort die Finger zum Victory-Zeichen erhebt, stolz dokumentieren. Es mag ja sein, daß China den Kapitalismus rettet, bloß: Eine Anleitung dazu findet sich in Marx' Kapital in keiner Hinsicht. Dort beweist Marx nichts weniger als die Notwendigkeit, daß dieses System der Zerstörung selbst zerstört werden muß. Würde Marx' Kritik etwas für das System Konstruktives abwerfen, würde es dann nicht schon längst zum Standardrepertoire der Universitäten gehören? Das ist offenbar nicht der Fall, Friedman und Keynes beherrschen die Wirtschaftswissenschaften. Und damit Gumbel neben chinesisch nicht auch noch deutsch lernen muß, hier ein Auszug aus dem Kapital, Band 1, about machinery and modern industry and their work of destruction, especially in the USA:

" … In modern agriculture, as in the urban industries, the increased productiveness and quantity of the labour set in motion are bought at the cost of laying waste and consuming by disease labour-power itself. Moreover, all progress in capitalistic agriculture is a progress in the art, not only of robbing the labourer, but of robbing the soil; all progress in increasing the fertility of the soil for a given time, is a progress towards ruining the lasting sources of that fertility. The more a country starts its development on the foundation of modern industry, like the United States, for example, the more rapid is this process of destruction. Capitalist production, therefore, develops technology, and the combining together of various processes into a social whole, only by sapping the original sources of all wealth – the soil and the labourer."  (MECW, vol. 35, p. 507 or the Chicago edition by Charles M. Kerr, 1932, Capital, vol. 1, p. 555)
Übrigens: Die Time-Ausgabe ist einfach irre! Ihr Kauf schadet Ihrer Gesundheit! (27.01.2009)

Die demokratische Öffentlichkeit bespricht die Krise
(alle Teile zusammengefaßt; pdf-Datei)
(01.01.2009)

1932: Die KPD in den Zeiten der Wirtschaftskrise
Ein Beitrag zur Geschichte (29.12.08)

Spekulation darauf, wie es denn nun weitergeht mit »unserer« Wirtschaft, und moralische Entrüstung!
Folgt man der taz-Rezension von Ulrike Herrmann am 13.12.08, so ist dem flugs zur Fianzkrise auf den Buchmarkt geworfenen Lesestoff eigentlich nichts zu entnehmen, was wirkliches Wissen über die Vorgänge ausmachen würde. Das Urteil "Wahnsinn" ist ja nun wirklich ultrabillig zu haben. Freilich, eines leistet so ein Urteil leider todsicher: Verbesserungsvorschläge bleiben nicht aus, und es kann sich so innerhalb des Systems prima gezankt werden. Bei den erlesenen Büchern handelt es sich um: 
Wolfgang Köhler: "Wall Street Panik – Banken außer Kontrolle. Wie Kredithaie die Weltkonjunktur ins Wanken bringen",
Wolfgang Münchau: "Vorbeben. Was die globale Finanzkrise für uns bedeutet und wie wir uns retten können",
Wolfgang Münchau: "Kernschmelze im Finanzsystem",
George Soros: "Das Ende der Finanzmärkte – und deren Zukunft. Die heutige Finanzkrise und was sie bedeutet",
Sahra Wagenknecht: "Wahnsinn mit Methode. Finanzcrash und Weltwirtschaft", 
Lucas Zeise: "Ende der Party. Die Explosion im Finanzsektor und die Krise der Weltwirtschaft".
Wer zu diesen Werken Anmerkungen oder Kritik verfassen will, kann die wie immer an die KoKa-E-mail-Adresse schicken oder an die speziell zum Thema Finanzkrise eingerichtete Website "Von Marx lernen". (16.12.08)

Bürgerliche Erkenntnis: Marx ein Psycho wie man selber!
Während die Augsburger Allgemeine (AZ) meint, Marx wäre von der Wucht der Finanzkrise doch irgendwie unangenehm überrascht gewesen, weil er selbst nicht zu den Ärmsten gehört habe, meint der britische Guardian, Marx hätte jenen Moment genossen: "Von allen Seiten bekommt der Finanzkapitalismus schwere Schläge versetzt." Komisch, daß alle an Marx denken, ohne auch nur einen Deut seiner Kritik verstanden zu haben. 
So geht es, wenn man angesichts der Spekulanten am liebsten auch Marx als Psychopathen durch die Welt laufen sähe.
Im übrigen ist es schon eine unsterbliche Leistung der realsozialistischen Staaten, die Verwechselung ihres – an alles andere als an Marx' Kritik angelehnten – Systems mit ebendieser Kritik auch in die Köpfe des imperialischen Gegners eingebimst zu haben. Die wundersame Gleichung, in der Marx-Revisionisten und bürgerliche Köpfe prima übereinstimmen, heißt: Staat = Sozialismus (und natürlich die andere Seite: Privateigentum = Freiheit). (02.11.08)

Das Höchste an demokratischer Kapitalkritik: »Spekulanten sind geradezu kontraproduktiv!«
Wie schon in der Kritik am Falle Enron angesprochen, steht das Verhältnis von Ökonomie und der Psyche der Agenten des Kapitals in der bürgerlichen Betrachtungsweise auf dem Kopf: Nicht der Charakter der Agenten ist für Erfolg und Mißerfolg verantwortlich, er bildet sich vielmehr aus dem für den Geschäftserfolg erforderlichen Vorgehen, das ihnen – den Geschäftserfolg vor Augen – keine andere Wahl läßt. Es ist ein Witz, wenn z.B. Siemens, ja gerade Siemens!, mit seiner Compliance-Kampagne behauptet, nur im Rahmen der Legalität gäbe es einen "nachhaltigen Geschäftserfolg". Nicht daß bis jetzt wenig oder zu wenig Druck auf die Politik ausgeübt worden wäre, um alle Schranken, die der Klassenstaat dem Kapital (aus guten Gründen nicht nur seinerseits) auferlegt hat, einzureißen und kapitalistische Bedürfnisse zu legalisieren, nein, trotz Agenda 2010, trotz der Finanzierung der Parteien von SPD über CDU bis hin zu den radikalkapitalistischen Extremisten von der FDP, trotz unbestreitbarer weltweiter Geschäftserfolge, haben die Vertreter des Kapitals immer wieder Ärger, insbesondere mit der demokratischen Öffentlichkeit, die ihnen gnadenlos den ein oder anderen Mißerfolg als moralisches Versagen vorrechnet. (01.08.08)

Vom Gebrauchswert der »Süddeutschen Zeitung«
Für einen entschieden prokapitalistischen Betrachter zählen die Fragen, die Marx für das Projekt ihrer Beantwortung in seinem Werk Das Kapital [siehe Link weiter unten] aufgeworfen hat, mehr als eben die ebendiesem Werk gegebenen Antworten. Jene Fragen wurden also überhaupt nicht als irgendwie unverbindliche Überlegungen im Raum stehen gelassen, wie das filosofische Seminare zu tun pflegen und die ein bürgerliches Gemüt in seiner Langeweile schätzt. Einer Langeweile übrigens, der sich die Feuilletons ebensolcher Zeitungen gerne hingeben.
So hat die Süddeutsche Zeitung (12.06.08) darüber berichtet, daß eine "Internationale Marx-Engels-Stiftung in Amsterdam" offenbar nichts Besseres zu tun weiß, als die Manuskripte zum Kapital in all ihrer Ungeordnetheit herauszugeben, ganz so, als ob es Engels sich hätte schenken können und sollen, die Marxschen Resultate bezüglich des Zirkulationsprozesses des Kapitals – es geht um den 2. Band des Kapitals – zusammenzufassen.
Was an sich betrachtet absurd ist, hat Methode. Es eröffnet nämlich ungeahnte Perspektiven der Kritik. Die besteht dann nämlich in völliger Ignoranz dessen, was im Kapital des langen und breiten und völlig erschöpfend abgehandelt Thema ist. Das behandelt zentral den Unterschied zwischen Mehrwert und Profit, was ja gerade auch beim Thema Handelskapital interessant ist. Wie bescheuert dagegen der Einwand des von der genannten Zeitung hochgehaltenen Bertram Schefold, der die zur Erklärung der Realisation des Tauschwertes notwendige Abstraktion von einer Änderung des Gebrauchswertes infragestellt und damit zu erkennen gibt, daß für ihn das Geheimnis ein Geheimnis bleiben möge (- ansonsten würde ihm ja ein Gegenstand seiner "Wissenschaft" abhanden kommen). Was es damit auf sich hat, wenn der Gebrauchswert eine Entwertung (etwa durch seine technische Überholung) oder eine Aufwertung (etwa durch Verknappung) erfährt, hat Marx übrigens da hingeschrieben, wo es im Gesamtzusammenhang der Warenproduktion sinnvollerweise hingehört. Wahrscheinlich leuchtet es dem bürgerlichen Wissenschaftler freilich nicht einmal ein, daß an einer Ware der Tauschwert zählt und der Gebrauchswert heischende Käufer davon ausgeschlossen ist, wenn es ihm nicht gelingt, sie zu kaufen, d.h. Tauschwert aufzutreiben. Das läßt sich jedenfalls daraus schließen, wenn die genannte Zeitung ihm "sicher" rechtgibt,
"wenn er argumentiert, während[!] der Zir­kulation von Waren ändere sich der Ge­brauchswert[!], etwa durch Moden, zeitlich und örtlich unterschiedliche Bedürfnisse, das Gechick des Händlers, ändere sich also[!] auch der Wert". 
Genau: Alle frisch aus dem Job Entlassenen, die sich keine Tomaten mehr leisten können, greifen dann nämlich zu frischen süddeutschen Billig-Birnen, haben doch die Tomaten dann ihren Gebrauchswert verloren; man kann sich jedenfalls lebhaft vorstellen, wie sie beim Händler dann auch tauschwertlos vor sich hinfaulen! Offenbar haben bürgerliche Meisterdenker noch nicht einmal das erste Kapitel des ersten Bandes des Kapital gelesen. Haben sie ja auch nicht nötig.
Da bürgerliche Wissenschaft und Öffentlichkeit sich allerdings nie dumm genug anstellen können und man mit Marx noch lange nicht fertig ist, wenn man praktisch auf das gestoßen wird, was Marx theoretisch erklärt hat: Den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit. So attestiert man Marx großzügig in vielem recht zu haben – sogar der Duden bediene sich bei seinem Kapitalismus-Begriff bei Marx -, ohne offenkundig auch nur das Geringste davon kapiert zu haben, um ihm unter Vorhalten seiner Manuskripte dann Zweifel an und ein Nichtzurechtkommen mit seiner eigenen Analyse anzudichten. In der Tat, bei der Form der Darstellung hätte er sich weniger Gedanken machen müssen, wenn er die Inhalte auf das Niveau der Süddeutschen Zeitung heruntergebracht hätte: Der Schönheit willen sei zitiert, was das Münchener Intelligenzblatt seiner Leserschaft hinrotzt:
"Übrigens kann, aber muß nicht, eine Rückwirkung der Zirkulation, zum Beispiel durch kluge Buchführung und Information, auf den Wertschöpfungsprozeß stattfinden."
Soviel Klug- und Geldscheißerei gibt's täglich für unglaublich preiswerte 1,70 Euro am Kiosk… (07.07.08)

Die ENRON-Pleite
Seit kurzem ist eine DVD über Aufstieg und Fall des Hauses Enron auf dem Markt (Enron – It's Just Business, Arthaus, 15 Euro). Nach einem rasanten Aufstieg zum Energiegiganten und letztlich siebtgrößten Unternehmen der USA mußte das Unternehmen im Schatten der Twin-Tower-Trümmer im Dezember 2001 seine Insolvenz anmelden. Der Film führt schön vor Augen, wie ein Unternehmen aus seinem Interesse heraus all seine Verantwortlichen zu jenen Kotzkrawatten hat werden lassen, die über Leichen gingen. Leider bietet der Film geradezu kontrafaktisch eine völlig andere Erklärung der Ereignisse an: Die Verantwortlichen hätten sich am Unternehmen vergangen, ja mehr noch: Ein ganzes System diskreditiert. Wir merken uns also: So brutal ein kapitalistisches Unternehmen auch vorgeht, so brutal wird sein Prinzip des bedingungslosen Geschäftemachens auch reingewaschen, wenn es am Ende ist. Manch CEO hat dafür ein prima Gespür und macht sich rechtzeitig aus dem Staub… So viel Gespür möchte man der Arbeiterklasse auch wünschen, damit sie rechtzeitig die Firma dichtmacht, was übrigens nie früh genug sein kann. (28.06.08)

Ursachen???  –  Probleme!!!
Ein gewisser US-Ökomom namens Jeffrey Sachs (Ex-Harvard-Prof, jetzt UN-Entwicklungspolitik-Berater) antwortete der Süddeutschen Zeitung, was die Ursachen für die schlimmste Nahrungskrise der Welt seit Jahrzehnten seien, tatsächlich folgendes:
"Die Zahl der Menschen und deren Einkommen wächst, gleichzeitig stoßen wir an Grenzen, was die Anbaufläche und die Erträge der Landwirtschaft betrifft. Klimaschocks haben die Getreideernte in Australien und Teilen Europas gedrückt. Zunehmend wird Ackerland für die Produktion von Bio-Treibstoff verwendet. All das wird potenziert durch niedrige Lagerhaltung, durch Investitionen neuer Anleger in Rohstofffonds und durch den schwachen Dollar." (02.05.08)
Die Zeitung hat die Übersetzung ihrer Frage in eine ganz andere nicht reklamiert. Also hat sie ihre Frage genau so gemeint, wie der Befragte sie interpretiert hat: 1. Er hat die Unterstellung der Zeitung geteilt, bei der Weltökonomie handelt es sich seit Jahr und Tag um ein – nicht nur vorgebliches – Programm zur Bekämpfung des Hungers. 2. Er tut so, als würde dieses Vorhaben, die Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen, an objektive Grenzen stoßen, die (nur) zum Teil unbedachter menschlicher Tätigkeit geschuldet sind, welche leider verstärkend statt mildernd auf die äußeren Umstände einwirkt. 
Auch hat die Zeitung nicht gefragt, wie blöd er eigentlich ist, wenn er so tut, als könnten "die Menschen" alles kaufen, aber die Erträge der Landwirtschaft gäben es nicht her: Kennt er nicht die UN-Armutsstatistiken bezüglich der zig Millionen, die nicht einmal einen Dollar pro Tag zur Verfügung haben? Warum sollte ein Anleger, der kaum weiß, wohin mit seinem Kapital, ausgerechnet auf die Idee kommen, in einem Sektor zu investieren, wo kein oder immer weniger Gewinn zu erwarten ist? Ist es nicht eher schlimm bestellt um die Lagerhaltung von Gehirnzellen bei Interviewer und Interviewtem? (18.05.08)

Der aktuelle, brandheiße KoKa-Börsentip:
Ein gewissser John Carney von dem Finanzmagnaten Pioneer Investments hat, so lobt ihn das Schweinsberg-Magazin, 4 von 5 Börsenkrisen mit Gewinn bewältigt. Er wird deshalb um Ratschläge bezüglich sicheren Spekulierens gebeten. Er antwortet u.a. dies:
"Ja. Wir haben Zimmer Holdings aufgestockt. Das Unternehmen ist auf künstliche Hüftgelenke spezialisiert und hat sich von Bristol Meyers abgespalten. Die Aktie geriet unter Druck, weil es hieß, die Menschen werden angesichts einer möglichen Rezession Operationen aufschieben. Das halte ich für unrealistisch. Wenn sie eine neue Hüfte brauchen, werden sie nicht warten. Langfristig sprechen zudem demografische Aspekte für das Unternehmen." (5-2008)
Und zudem will er das schlagende Argument den Loser-Lesern des Magazins vorenthalten: Der Imperialismus hat in Sachen Krieg & Frieden noch einiges vor auf der Welt. Es ist also mit einer Zunahme von Invaliden genauso sicher zu rechnen, wie die USA und ihre NATO-Verbündeten Kriege nicht als ihr Mittel aus dem Verkehr ziehen werden. Aus Kriegsopfern Kapital machen, ein megageiler Vorschlag für die deutsche Bourgeoisie, weil todsicher! (23.03.08)

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kefaleo_2Karl Marx · Das Kapital – Kritik der politischen Ökonomie
(Marx-Engels-Werke Band 23 · 24 · 25)

Das Kapital Band 1:
Der Produktionsprozeß des Kapitals
Das Kapital Band 2:
Der Zirkulationsprozeß des Kapitals
Das Kapital Band 3:
Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion

Kritik existenter Mehrwerttheorien MEW Band 26.1 · 26.2 · 26.3 (einige Artikel sind online)

Der Kommunismus ist tot – der Kapitalismus funktioniert wie er im Buche steht:
Die Ware Arbeitskraft in der Theorie von Karl Marx – Die Lohnarbeit in der Praxis Deutschland
in GegenStandpunkt 2/1992 (für die, denen das Studium von Marx' Kapital fürs erste zu lang ist)

»Beschäftigung« – »Globalisierung« – »Standort« … Anmerkungen zum kapitalistischen Verhältnis zwischen Arbeit und Reichtum
"Mein Geld muß genauso hart arbeiten wie ich", warb Berti Vogts seinerzeit für eine gute Bank. Nicht ausgelassen hat er sich über die Frage, woher Geld die Fähigkeit besitzt, die allgemein »arbeiten« heißt und genau das Gegenteil bezeichnet: Sich wie von selbst zu vermehren. Irgendwo wird schon noch gearbeitet werden müssen. Von wem und wie, ist eine andere Frage – die nämlich nach dem Charakter der Arbeit in diesem besten aller Wirtschaftssysteme. Was die wirkliche Arbeit angeht – die, die gegen Geld verrichtet wird –, so bringt sie dem, der sie verrichtet, selten soviel ein, daß er sein Geld für sich »arbeiten« lassen könnte. Arbeit gegen Lohn, das weiß jeder, hat es an sich, daß von ihr andere reich werden. Wie und warum, das ist schon wieder eine andere Frage – die nämlich nach der Eigenart des Geldes, das Kapital heißt und sich durch die Arbeit anderer vermehrt. Und noch etwas fällt auf, wenn es um Geld und Arbeit geht: Einerseits gibt es zuwenig Arbeit – zuwenig , daß alle, die von ihr leben müssen, eine haben. Auf der anderen Seite gibt es zuviel – zuviel nach den Maßstäben derjenigen, die arbeiten lassen und entlassen… Das wirft schon wieder Fragen auf – die nach den Eigenarten des Verhältnisses von Arbeit und Geld nämlich.
Mehr Arbeit für weniger Geld, das ist nach allgemeiner Auffassung die einzig denkbare Konsequenz des Sachzwangs, den alle Verantwortlichen im Munde führen – der "Globalisierung". Mit immer weniger Arbeitern sollen immer größere Gewinnansprüche bedient werden – das ist kein bewußtlos wirkendes Kapitalgesetz, das ist das bewußt gehandhabte Konkurrenzmittel, zu dem sich Standortpolitik heute bekennt.
Marxisten erklären in diesem Artikel einmal ganz ohne Blick in »Das Kapital« wie und was produziert wird im System unserer globalen »Marktwirtschaft«. Daß sie dabei letztlich auf ähnliche Schlüsse über Lohnarbeit und Kapital kommen wie Marx, wird kaum verwundern.

Sonderdruck des Artikels aus GegenStandpunkt 4-1996 und 1-1997
60 Seiten · € 5.–
Nun aktualisiert in GegenStandpunkt 3-2012 und 4-2012

Das Geld  –  von den vielgepriesenen Leistungen des schnöden Mammons (von Wolfgang Möhl und Theo Wentzke)
Vorwort
Inhalt
GegenStandpunkt Verlag · ISBN 978-3-929211-11-5 · 2007

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