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Was man aus dem Zweiten Weltkrieg lernen kann:

Die kaltschnäuzigen Berechnungen der Weltordnungsmacht USA
 

Die weltweiten Interessen der USA waren schon vor dem letzten Weltkrieg gewaltige. Denn gerade nach dem ersten, aus dem sie als unverbrauchter Sieger an die Spitze der Staatenhierarchie aufgestiegen waren, machte sich unter ihren führenden Köpfen der Eindruck breit, alles auf der Welt hänge von ihnen ab. Und nicht nur das! Auch alle Welt habe sich gerade deshalb positiv zu ihnen und ihren Ansprüchen zu stellen. Ansprüche, die ja nun nicht so bescheiden waren, wie sie immerzu ins Spiel gebracht wurden, nämlich mit der Heuchelei der Selbstlosigkeit und in der Form von allgemein anzuerkennenden »Werten«. Die materiellen strategischen und ökonomischen Werte, auf die es die USA mit ihrer Weltherrschaft abgesehen hatten, wurden also systematisch mit ideellen Werten gekrönt und als solche verkauft. »Freiheit, Demokratie und Menschenrechte« buchstabierte sich also die »pax americana«, der man somit ihre Grundlage, ihre Gewalt, unwidersprechlich zugestehen sollte. Ein bewährtes Erfolgsrezept, das bis heute angewandt wird.
Speziell über dem Zweiten Weltkrieg hängt — schaut man in die deutschen Geschichtsbücher — der Glorienschein der USA, die »uns« vom Faschismus befreit und — ehrlicherweise läßt sich das ebenso herauslesen — vor allem vor den bösen Russen — und damit auch vor dem abgrundbösen Kommunismus — gerettet haben.

Jacques Pauwels* hat sich ausführlich mit der Rolle der USA, mit ihren Interessen, vor, während und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg befaßt. Mit den politischen wie ökonomischen Interessen, die ganz gezielt ins Spiel gebracht wurden und auch nicht so schnell wieder aus dem Spiel genommen wurden, nur weil sich die Herrschaftsverhältnisse und die damit verbundenen nationalen Absichten — speziell in Deutschland und Japan — verändert hatten.
Es wird in Pauwels‘ Buch — »Der Mythos vom guten Krieg – Die USA und der Zweite Weltkrieg« — darüber hinaus deutlich, wie schwer sich nicht nur die Kriegsgegner, sondern nicht minder die Verbündeten dabei taten, die USA richtig einzuschätzen. Das gilt vor allem für Rußland, das die Hauptlast des ihm aufgezwungenen Krieges trug. Das eben war den USA nur willkommen und zwar bis zu dem Zeitpunkt, als die UdSSR sich anschickte, Mitteleuropa zu überrollen und speziell das industrialisierte Deutschland sich ihrem Machtbereich zuzuschlagen. Erst dann erfolgte die Landung in der Normandie. »Indem man die Sowjets die Kastanien aus dem Feuer holen ließ, minimierte man nicht nur die potentiellen amerikanische Verluste, sondern maximierte auch die Chancen, daß die Vereinigten Staaten bei Beendigung des Krieges gegen Hitler-Deutschland im Lager der Gewinner die Hauptrolle spielen könnten.« (S. 85) Vor der gegen sie gerichteten deutschen Kriegserklärung war man in den USA ohnehin vornehmlich folgender Auffassung: »Der US-Botschafter in Berlin, Hugh R. Wilson, beispielsweise äußerte nach dem deutschen Blitzsieg in Polen den Wunsch, Großbritannien und Frankreich könnten mit Hitler zu einem Abkommen gelangen, so daß der Führer endlich die Gelegenheit bekäme, zugunsten der »westlichen Zivilisation« mit dem bolschewistischen Experiment der Sowjets abzurechnen. Die Vorstellung, Deutschland benötige freie Hand in Osteuropa, wurde auch von Wilsons Amtskollegen in London, Joseph P. Kennedy, …, propagiert. Und die US-Medien, die die Ansichten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Eliten der USA widerspiegelten, gaben sich erneut viel Mühe, das amerikanische Volk davon zu überzeugen, daß der internationale Kommunismus, mit seinem Hauptsitz in Moskau, eine viel größere Bedeutung für ihr Land darstelle als die deutsche oder italienische Variante des Faschismus. Diejenigen, welche darauf beharrten, daß der Faschismus die größere Gefahr darstelle, wurden als Narren Moskaus gebrandmarkt.« (S. 50) Die Beschwichtigungspolitik (Appeasement-Politik) gegenüber Deutschland, die bis zum Angriff auf Polen ja auch noch von Großbritannien und Frankreich geteilt und von ihnen im Münchner Abkommen von 1938 besiegelt wurde, wird heute im allgemeinen als total unverständlich und als großer Fehler dargestellt. Doch gerade heute im Zusammenhang mit dem Fall einer mithilfe örtlicher Nazis nach Westen verschobenen Ukraine wird deutlich, daß den Demokraten die Faschisten viel verbundener sind als die Russen.** Demokraten teilen offenbar in höherer, zweckdienlicherer Weise die rassistische Einstufung, die die Faschisten so vulgär an den slawischen Völkern vorgenommen hatten.***
Es versteht sich fast von selber, daß die wirtschaftlichen Beziehungen der USA zu Deutschland mit Kriegsbeginn 1939 bei allein den Umständen geschuldeter Rückläufigkeit weder mit Sanktionen belegt noch gar gekappt wurden. Insbesondere in Sachen Energie ging es sogar steil bergauf: »Der Anteil der USA an Deutschlands Import von lebenswichtigen Ölprodukten wurde so immer größer. Im Juli 1941 betrug er 44 Prozent und im September 1941 nicht weniger als 94 Prozent! Die deutschen Panzer wären ohne das Benzin, das die US-Erdöltrusts lieferten, niemals bis in die Vororte Moskaus gekommen.« (S. 67) Von den militärischen Operationen zuvor gar nicht zu reden. 

Ohnehin wollten sich die USA ohnehin erstmal allein mit Japan auseinandersetzen, nachdem sie aufgrund des Überfalls auf ihren Stützpunkt in Pearl Harbor auf der Hawaii-Insel Oahu Japan den Krieg erklärten. Auch nach der wenige Tage später erfolgten mit Japan solidarischen Kriegserklärung Deutschlands war für die USA die pazifische Herausforderung vordringlich, gerade weil der Krieg in Europa im Dezember 1941 für sie keineswegs besonders Besorgnis erregend war. Schließlich erlitten da Staaten einen Machtverlust — mit materieller Hilfe der USA (man denke nur an das Leih- und Pachtgesetz)! —, der ihnen nur förderlich war. Mit Japan selber wußten sich die USA ohnehin noch längere Zeit beschäftigt, hatte das Kaiserreich doch weite Teile Chinas und Südostasiens unter seine Kontrolle gebracht. So ging denn auch der Krieg dank dem Vormarsch der Sowjetunion in Europa schneller zu Ende, als es den USA lieb war. Zum einen hatten die Sowjets bis zuletzt erhebliche Verluste, da die deutschen Truppen vornehmlich an der Ostfront konzentriert wurden. Zum anderen weil die Sowjetunion ihr Versprechen wahrzumachen gedachte, die USA einige Monate nach dem Kriegsende in Europa gegen Japan zu unterstützen, was dann im September 1945 der Fall gewesen wäre. Diese Hilfe war seitens der Vereinigten Staaten angesichts daraus resultierender Gewinnansprüche Rußlands freilich nicht länger willkommen, so daß die USA alle Mittel einsetzten, den Krieg dort vorzeitig zu beenden. Dies gelang bekanntlich mit dem Abwurf zweier garantiert gottgesegneter und Demokratie bringender Atombomben.

Ja, es ist sehr interessant, worüber auch und gerade heute die USA in Besorgnis geraten und worüber nicht. Am allerwenigsten geraten sie in Sorge über die Leichenberge, die sie mit ihrer Weltordnung zu verantworten haben. Über die Staaten, die ihren Ansprüchen und damit verbundenen Berechnungen gegenüber eigene Ansprüche und Berechnungen anstellen, geraten sie sehr ins Nachdenken und eruieren sogleich die Zweckmäßigkeit all ihrer Mittel — und die haben sie reichlich zur Verfügung, in Form ihrer Weltwährung sowie in dem riesigen Arsenal von nicht bloß konventionellen Waffen —, jenen entgegenzutreten. So machen die USA allen anderen Staaten ganz grundsätzlich eine Rechnung auf, egal, ob sie der Weltmacht eher unabsichtlich ans Bein pinkeln, oder ob sie gar vorsätzlich an deren globalen Vormacht zu rütteln gedenken. Rußland erweckt den Anschein des Antiamerikanismus insofern, als es der eigenen Sicherheit willen gedenkt, in seinem ureigenen slawischen Einflußgebiet für Ordnung sorgen. 
Allen aktuellen Ereignissen zufolge scheint den USA nach Weltkrieg II im Hinblick auf den Ukraine-Krieg ein neuer Doppelerfolg in Europa zu glücken: Einerseits soll Rußland auf absehbare Zeit geschwächt werden, andrerseits erleiden die antiamerikanischen Konkurrenz-Projekte Deutschlands, EU und Euro, sowie der deutsche Staat selber — aufgrund des mit US-Waffen und -Geldern dauerhaft gemachten Krieges — einen schweren Rückschlag. 

Pauwels‘ eben nicht bloß historische Darlegungen geben einen tiefen Einblick in die Seele der Vereinigten Staaten, in das Denken ihrer politischen Charaktermasken. Die scheinen sich zwar — folgt man den Medien hier wie dort — in Form ihrer Präsidentschaftskandidaten wie ihrer zwei Parteien in einem Gegensatz zu befinden.**** In Wirklichkeit sind sie alle dem nationalen Erfolg auf der Spur. Wie intensiv sie danach suchen und dafür kämpfen, beweist der oft gnadenlos ruppige Ton untereinander. In und mit diesem innernationalen Wettbewerb soll der nationale Erfolg gewährleistet werden. Und er wurde ja auch auf diese Weise bislang bestens befördert. Ja, alle Nationalisten verlangen nichts weniger als eben konsequentest mögliche Politik gegenüber allen anderen Staaten — und auf dieser Grundlage brutalste Geschlossenheit im eigenen nationalen Laden, wenn es darauf ankommt.
 
(17.11.2022)
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*Jacques Pauwels, Der Mythos vom guten Krieg – die USA und der 2. Weltkrieg, PapyRossa Verlag, Köln, 2006

** Bezeichnend hierfür das Konstatieren eines Nazi-Problems, das die Ukraine hat, vor dem Krieg. Und die offenkundige Lösung dieses Problems durch den Krieg! (siehe nebenstehende Abbildung)

*** Entlarvend dafür: „»Wir [das nationale WIR, versteht sich!] dürfen nicht vergessen, daß, auch wenn Russen europäisch aussehen, es keine Europäer sind, jetzt im kulturellen Sinne«, daß sie »einen anderen Bezug zu Gewalt, zum Tod haben«. Es gebe »nicht diesen liberalen postmodernen Zugang zum Leben als ein Projekt, was jeder für sich individuell gestaltet«.“ Kulturell natürlich! Für eine deutsche Politologin, für die sich Rassismus auf die Hautfarbe reduziert! [Florence Gaub, Beraterin des Europäischen Rats (Gremium der EU-Staatschefs) bei Markus Lanz, zitiert nach: Berliner Zeitung, 20.04.22]

**** Es ist völlig unsachgemäß, wenn jemand sich von dem ein oder anderen US-Präsidenten bessere Beziehungen zu dem Staat verspricht, dem er selber unterworfen ist. Der US-Analyst und frühere Waffenkontrollinspektor Scott Ritter (bekannt geworden durch seinen Widerspruch gegen den US-Krieg im Irak) antwortete auf die Frage, ob Rußland mit Trump besser fahren würde als mit Biden, völlig zutreffend, nämlich daß die US-Politik nicht an einer Amtsperson festzumachen sei, daß vielmehr der Staat USA selber begriffen werden müsse. Und er half der Erinnerung mit einem frappanten Beispiel auf die Sprünge: Selbst unter dem immerzu sympathisch auftretenden Obama seien allseits Abhöraktionen lanciert worden, die durch das involvierte Handy der deutschen Bundeskanzlerin eine gewisse Verwunderung oder gar Bestürzung erregt hatten. (online-Interview, 15.10.22)

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