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Natürlich gibt es heute keinen ernst zu nehmenden Menschen, der ein fiktives »Weltjudentum« für Kalamitäten der deutschen Nation erfindet. Zumal etliche Juden den absurden Vorwurf der Faschisten widerlegt haben, der darin bestand, unfähig zu einer Staatsbildung zu sein und sich deshalb parasitär in den »Volkskörpern« anderer Nationen zu betätigen. Angehörige der jüdischen Religion waren und sind genauso gute oder weniger gute Nationalisten der deutschen (oder einer anderen) Nation. Der Verschwörungsvorwurf gegen sie ist zwar nicht ausgestorben, doch mittlerweile sind neue Verschwörungstheorien im Umlauf. All diese Betrachtungen erfinden eine Feindschaft gegen die Nation, eine mehr oder weniger dunkler Herkunft. Nun muß man nicht weit gehen, um aus den Feind- und Freundschaften der Nationen untereinander einen Hintergrund abzuleiten, der viel grundsätzlicher zu sein scheint, also jenseits der tatsächlichen staatlichen Interessen sich abspielt. So liegt es heute auf der Hand, in einer anderen Religion Verschwörung gegen eine (christlich-abendländische) Nation zu wittern: Der Islam wird dazu verklärt. Dementsprechend werden Vorurteile gegen hier lebende Mitbürger ausländischer Herkunft geschürt. Nicht selten greifen die so ins Hirn, daß es zu brachialen Morden kommt. Eben wie damals in der NS-Zeit Juden ermordet wurden, werden heute in Deutschland Muslime ermordet. Sie selber wußten und wissen oft nicht, wie ihnen geschieht, sie waren und sind ja ins Alltagsleben hier eingebunden, noch dazu meistens auf unterster sozialer Stufe. Ein jüdischer Kleinhändler oder ein türkischer Döner-Verkäufer — Teil einer Weltverschwörung? So absurd sind eben Verschwörungstheorien: Sie haben allein ihren Grund in der unbedingten, knallharten Parteinahme für den »eigenen« Staat, die Nation, deren fehlende Souveränität man beklagt: Dunkle bzw. nun, wenn man einen entsprechende Theorie auflegt, gar nicht mehr dunkle Kräfte würden einen Aufstieg der Nation verhindern, ja hintertreiben. Nicht, daß die eigene Nation nicht souverän wäre, nein, daß sie nicht genug souverän ist, daß sie ihre Weltmachtansprüche (noch) nicht vervollkommnen kann, das ist das Leiden all der harten, sich konsequent gebenden Nationalisten. Damals wie heute. Und diese Nationalisten kulminierten damals in der NSDAP. Heute versuchen sie als Mitglieder demokratischen Parteien ihr Weltanschauungssüppchen zusammenzukochen; sie testen immer wieder aus, wie weit sie mit ihren Anschauungen gehen können. Und unwillkürlich beklagt dann auch mal ein Herr Schäuble —  ohne schon gleich eine Verschwörungstheorie zu teilen — die seinem Geschmack nicht ausreichende Souveränität Deutschlands. Diese Schäublesche Haltung macht wiederum für andere Nationalisten die Inkonsequenz der herrschenden Politik aus und sie halten es deshalb für nötig, wieder eine eigene Partei zu gründen (NPD, REPs etc. erscheinen ihnen hauptsächlich durch deren Mißerfolge bei Wahlen diskreditiert); die Neugründung eines CDU-Aussteigers, die »Alternative für Deutschland« ist genau so ein Projekt nationalistischer Leidensgenossen: Daß die ausgerechnet im Geld und der Geldpolitik, im internationalen Euro ihr Leiden an der Nation entdecken, macht die Parallelität zur NS-Zeit aus: Damals war es doch, nach genuin faschistischer Theorie, der »Geldjude« und eine ihm hörige internationale Politik, die nationales Interesse verrieten und die Nation leiden ließen!

p.s. Die Augsburger Allgemeine führte anläßlich des Jahrestages der Reichspogromnacht ein Gespräch mit dem Historiker Dieter Pohl, welches keineswegs erhellend über die Gründe des Antisemitismus ist. Es ist lediglich das Alleroberflächlichste zu lesen, nämlich, daß diese Haltung in breiten Bevölkerungschichten »ohnehin schon«[!] vorhanden war und zu den bekannten, die deutsche Nachwelt so erschreckenden Resultaten geführt hat. Da ist es kein Wunder, daß sich neulich auf der Website der Zeitung eine Anzeige des faschistischen Blattes Junge Freiheit fand, in der das die »Alternative für Deutschland« Interessenten, die es unter den Lesern der AZ (wohl nicht zu Unrecht) vermutet, näher vorzustellen versprach. (09.11.13)

bluete