Die Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit in der Politik
Sehen sich die USA gezwungen, erneut zur Atomwaffe greifen?
Aus eigener Stärke heraus lassen sich viele Tatsachen schaffen, Tatsachen, an denen sich dann andere zu orientieren haben, mehr oder weniger notgedrungen. Eine komfortable Position, in der die USA samt ihrer G7-Truppe es sich eingerichtet haben.
Doch das hat, wie so Manches, seine andere Seite. Es verführt nämlich teils zu einer Ignoranz gegenüber der Außenwelt und teils — soweit eben doch nicht ignoriert, weil nicht ignorierbar — zu einer multiplizierten Feindschaft gegen die, welche sich nicht an den Vorstellungen und Anforderungen der »Freiheit« orientieren, vielmehr aus guten Gründen ihre eigene Interessen verfolgen.
Die G7-Staaten und insbesondere die Supermacht, der sie anhängen, sind so frei, um eine jeweils passende, d. h. abgestufte Antwort zu finden. Da ist zum einen die intensivierte Werbung für das eigene Lager, gewaschen und schöngefärbt versteht sich. Dann die Bestrafung der — in aller Regel gar nicht vorsätzlich — Zuwiderhandelnden mit Wirtschaftssanktionen. Ferner die Ausweisung ihrer Staatsangehörigen. Und wenn alles nichts fruchtet, dann militärische Drohungen bis hin zum heißen Krieg. Daraus folgt, daß diese Staaten an Frieden nur sehr sehr bedingt interessiert sind. Nämlich dann, wenn eine friedliche Erpressung fehlschlägt.
Sie haben die Glanzleistung vollbracht, den Begriff Frieden zu einer Ideologie zu transformieren, die dogmatisch für weitere hochgerühmte Ideologien stehen, freedom & democracy.
Wer über diese Wahrheit ein Wort verliert, wird aus dem öffentlichen Dialog ausgeschlossen. Zum großen Glück für die Freiheitspropagandisten kommt so gut wie niemand auf die Idee, sich darüber Gedanken zu machen, was man sagen soll und darf und was lieber nicht. Viel zu sehr ist die Gesellschaft im Sinne »ihrer« Herrschaft indoktriniert worden, als daß sie etwas anderes auf der Zunge haben könnte als ein Papagei. Denn die herrschende Gesellschaftsordnung ist alles andere als eine im Prinzip »offene« Gesellschaft: Daß die offen sei, ist ein Gerücht, das weite Verbreitung gefunden hat, insbesondere unter Intellektuellen, die, gutgläubig wie sie allenthalben sind, sich an der Nase herumführen lassen.
Die heutige Wirklichkeit läßt dieses Gerücht kaum länger zu. Manch einer hat das daran gemerkt, was alles an staatlichen Machenschaften enthüllt wurde — es sei an Edward Snowden und Julian Assange erinnert —, obschon es der Geheimhaltung oder gar strengster Geheimhaltung oblag. Doch noch beharren selbst sich für aufgeklärt haltende Leute an ihren Selbsttäuschungen. Rede- und Meinungsfreiheit — wofür braucht es die eigentlich? Mitnichten will man bemerken, was dieses Geschenk des Staates bedeutet und warum es dem Staat eben deshalb so wertvoll ist: Der mündige Untertan soll gefälligst und ganz prinzipiell für die herrschenden Verhältnisse eintreten und ansonsten vorzugsweise die Klappe halten! Oder aber seine eigene Meinung als bloß seine eigene, also für gesellschaftlich völlig irrelevant, erklären.
Kurzum, die G7-Staaten haben also leichtes Spiel mit ihren Untertanen, die sie zu freien Bürgern geadelt haben. Manch einer, der sich an Kritik versucht hat, ist daran gescheitert, daß mit großer Bürgernähe über ihn hinweggegangen wurde, als würde er gar nicht existieren: Sein Fehler war, daß er auf Anerkennung seitens der Obrigkeit gesetzt hat.
Allein über die militärische Schlagkraft anderer Staaten können die USA nicht so ohne weiteres hinwegsehen und hinweggehen, heute weniger denn je. Das politische Establishment in Washington DC schäumt ganz offen vor Empörung. Kriegsträchtige Provokationen sind fällig, auch dann, wenn sie in Kriege münden und ganze Länder in die Steinzeit zurückgebombt werden. (In solchen Fällen ist natürlich nicht von Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtswidrigkeiten die Rede!)
Doch auch der Ruin der eigenen famosen, kapitalistischen Nationalökonomie ist durch eine aggressive Politik heute ganz jenseits einer Kapitalüberakkumulation vorgezeichnet. Das aktuelle Beispiel ist der Wirtschaftskrieg, den die USA mit Zöllen angezettelt haben. Und wenige Jahre zuvor wurde ein heißer Krieg gegen Rußland in Szene gesetzt, der nach wie vor unvermindert andauert und der die kriegsführenden Ökonomien nicht minder in Mitleidenschaft gezogen hat.
Nun pfeifen es die Spatzen von den Dächern, daß weder ein ökonomisch noch ein zusätzlich militärisch ausgetragener Konflikt die Früchte trägt, die der Grund für sie sind.
An dieser Stelle stellt sich über kurz oder lang die Frage, wie fatalistisch die politisch Verantwortlichen gesinnt sind. Im Falle China, das immerhin etwa 15% seines Außenhandelsüberschusses mit den USA hat¹, schreien die USA geradezu nach Krieg, zumal China ganz empfindliche Gegenzölle (auf seltene Erden!) zu erheben gedenkt: Am besten China zu einer erwünschten Reaktion, einem Einmarsch auf seiner Insel Taiwan treiben! Die US-Vorbereitungen zu einem Krieg gegen China laufen jedenfalls seit geraumer Zeit mit Hochdruck in ganz Ostasien. Zwar ist der koreanische US-Statthalter mit dem Verkünden des Kriegsrechts etwas vorgeprescht, doch ändert eine allzeit austauschbare Personalie nie das Ziel. Das gilt auch für das Amt des US-Präsidenten selber.
Und es ist keineswegs so, daß die USA das EU-Europa außer acht ließen. Schließlich haben dessen Ambitionen Trumps Meinung zufolge den USA einen nicht gewinnbaren Konflikt mit Rußland eingebrockt. Und überhaupt so Trump: »Look, let's be honest, the European Union was formed in order to screw the United States.« (08.04.2025, sämtliche NA)²
Soll in Westasien, also im Nahen und Mittleren Osten der Genozid des Zionistenregimes für die USA die »freie Welt« retten oder wie sonst ist die vorbehaltlose Bewaffnung und finanzielle Unterstützung Israels zu verstehen? Es ist fraglich, ob diese Rechnung aufgeht, ohne daß die USA da selber eingreifen, wo Faschisten das wünschen. Daß im Iran ein ihnen höriges Regime 1979 weggeputscht wurde, haben die USA ja ohnehin nicht verwunden. Trump ist ein brutales Bombardement, wie er es im April 2018 gegen Syrien unter einem ebensowenig haltbaren Vorwand wie andere Präsidenten vor ihm in anderen Fällen befohlen hatte, durchaus ein weiteres Mal zuzutrauen. Mit dem Bombardement des Jemen hat er ja jetzt schon die Erde mit Blut gefärbt³, weil er es seinen großartig werdenden USA einfach schuldig zu sein glaubt. Ob der derzeitige US-Truppenaufmarsch im Indischen Ozean und in Arabien allein dem Jemen gilt, ist jedenfalls nicht anzunehmen. [Karikatur: Pang Li, china daily, 14.02.2012!]
Greifen sie dann als schlechte Verlierer auf ihr Nuklearpotenzial zurück? Die USA haben das schon einmal fürs zweckmäßig erachtet, als es seinerzeit darum ging, Rußlands Kriegseintritt gegen Japan zuvorzukommen, um die Beute nicht wie damals in Europa teilen zu müssen. Heute stellt sich die Situation für den Imperialismus noch viel dringlicher dar…
Die Weltherrschaft des US-Imperialismus ist unteilbar! Dieses Dogma ist der neue US-Präsident angetreten, mit Vehemenz zu verteidigen.
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¹ Zum Vergleich: Der deutsche Überschuß mit den USA betrug fast 28% des Exports (2024)-
² Auch diese Stellungnahme eines US-Präsidenten ist nicht ganz so neu. Als die USA in ein Handelsdefizit gerieten, das sie nicht länger — es sollte nicht mehr an der nationalen Goldreserve geknabbert werden — hinnehmen wollten, entband Präsident Nixon (Republikaner) 1971 kurzerhand den Dollar von der Golddeckung, bekannt unter dem Schlagwort »Nixon-Schock«. Geraten dazu hat ihm der damalige Finanzminister John Bowden Connally Jr. (Demokrat) mit den Worten, man müsse die anderen bluten lassen [Connally benutzte dabei ebenfalls das Wort »screw«], bevor jene einen selber auspressen. Seitdem finanzieren die anderen die USA, deren Schuldenberge schier uferlos in die Höhe schießen konnten.
³ Dabei ist es wie immer: Die USA haben noch nie einen Unterschied zwischen Herrschaft und Volk gemacht, wenn sie eine Herrschaft für nicht willfährig und nicht lenkbar hielten.
09.04.2025
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