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Der Haken, an dem linke Oppositionelle leiden

 

Sie leiden gerade insofern schwer, als sie in Wahlen ein Mittel sehen, um ihren menschenfreundlichen Anliegen zum Erfolg zu verhelfen.

»Die Leute, die Kerzen auf dem Altar des Ideals anzünden, haben immer eine Kerzenfabrik hinter sich.« (Dino Segre alias Pitigrilli in »Vegetarier der Liebe«) Das Perverse ist, daß sozial gesinnte, also links orientierte Leute weder eine Kerzenfabrik noch sonst eine Fabrik hinter sich haben, wenn sie Idealen huldigen. Sie wollen mit ihrem Idealismus ganz grundsätzlich gegen den Materialismus schlechthin ankämpfen, den sie für des Teufels halten. Ja, damit nehmen sie Abstand auch von ihrem eigenen Marterialismus: En vogue kam diese Haltung mit der Hippiebewegung in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Jene an sich sympathischen Typen damals empfahlen ein einfaches Leben, eine Flucht aus der kapitalistischen Konsumwelt. Doch diese hat die Bewegung alsbald wieder aufgesogen, allzu verlockend waren die Angebote der Warenwelt. Bunte, oft überaus praktische Gebrauchswerte hatten die ideellen »Werte«, mit denen man ja nichts anfangen konnte und kann, in den Schatten gestellt. Und nicht allein das. Die Idealismen wurden denen überlassen, die als Kapitäne der Wirtschaft, als Führer der Politik und als amtliche Schullehrer der Staatsräson sie zur Beschönigung ihrer gewaltbasierten Taten benutzen wollten und benutzt haben und weiterhin mit diesen Idealen propagandisch hausieren gehen. 

Nichtsdestotrotz erheben die mittellosen, unbedarften Idealisten immer erneut ihr Haupt, messen Herrschaft und Wirtschaft an ihren — man kann getrost sagen — Utopien einer heilen Welt, einer antimaterialistischen Welt — ganz ohne irre zu werden. Sicher, der insbesondere unter der Jugend zirkulierende Idealismus legt sich in aller Regel im Laufe der Alterung seiner Protagonisten. Das kann man sehr deutlich sehen, an denen, die bei Wahlen »links« wählen. Also hierzulande an Parteien wie »Die Linke«, die Piratenpartei, »Die Partei« von Martin Sonneborn oder MeRA25 von Janis Warufakis [Γιάνης Βαρουφάκης].¹ Sehr gut bemerken sie mitunter, daß alle anderen Parteien nichts mit einem antimaterialistischen Idealismus am Hut haben, hingegen den Idealismus für ihren kapitalistischen Staat als dessen Rechtfertigung und zu dessen Verklärung benutzen.

Die Haltung all der idealistisch infizierten Opposition ist selbstredend keine der Arbeiterklasse. Diese Klasse (aus-)verkauft vermittels ihrer gewerkschaftlichen Organisationen ihre materiellen Interessen an ihre Gegner. Dabei ist unterstellt, daß sie mit diesen in einem Boot sitzt und Gegensätze deshalb zu unterbleiben hätten. Das Dementi eines fundamentalen Gegensatzes materieller Interessen also! 
Manchem derer, die idealistisch unterwegs sind, fällt diese Trennung von der Arbeiterklasse störend ins Auge: Denn eigentlich, so meint ein solcher, gehörte gerade auch diese Klasse, die ja offenkundig wirklich nicht viel zu lachen hat, doch auch zur Opposition und es wäre erfolgversprechender, man zöge gemeinsam an einem Strick. Dieses Wunschdenken ist vor allem in der Partei »Die Linke« beheimatet. Dort macht man sich allerdings keinen Gedanken darüber, warum das nur ein Wunschdenken ist und bleiben muß. Denn weder dem eigenen Idealismus von einer Gesellschaftsordnung noch der sozialverträglichen nationalen Gesinnung der Arbeiterklasse möchte man zu nahe, auf die Füße treten. Und so gehen politische Opposition und die materielle Durchsetzung von Arbeiterinteressen gegen das Establishment eben nicht zusammen, zumal letztere eben gar nicht als wirklicher Gegensatz genommen werden.²

Natur- und Klimaschützer bringen ein materielles Interesse vor, da es sich um menschliche Lebensgrundlagen handelt, die tagaus tagein von einer kapitalistischen Wirtschaft zerstört werden. Freilich nur allzuoft wollen diese Schützer damit keine Gegnerschaft zu den gesellschaftlich obwaltenden Interessen eröffnen. Ganz im Gegenteil, sie meinen, daß ihre und jene Interessen im Grunde gar nicht auseinanderfallen dürften und schon gleich nicht sollten. Insofern machen sie einen Übergang vom materiellen Interesse hinweg zu einem Idealismus. Denn in der Tat liegt Natur- und Klimaschutz nur bedingt und sehr sehr untergeordnet im Interesse eines kapitalistischen Staates. Solch Schutz ist ja logischerweise ein nachgeordneter: Wie kommt man denn darauf, etwas schützen zu wollen, wenn es zuvor nicht verwundet worden ist? 
Kein Wunder, daß sich also auch Klima- und Naturschützer im Kreise einer linken Idealistenpartei am ehesten wohlfühlen. 

Noch etwas muß gesagt werden: Eine gewisse Naivität lassen Linksidealisten gegenüber anderen Staaten erkennen. Wenn irgendwo in der Welt oppositionelle Demonstranten unterwegs sind, dann wollen sie nicht herausfinden, welches Interesse jene überhaupt vertreten, was sie auf die Straßen treibt. Oft genug sind die Ansprüche doch nichts anderes als die, die westliche Einmischung in ihre Länder gutheißen und fordern, ja bis hin zu einem in völliger Ignoranz gegenüber den Interessen der imperialistischen Staaten — geforderten Umsturz. Mit solchen Demonstranten sich hierzulande solidarisch zu erklären, ist die Perversion jeglichen materiellen Interesses, paßt also ausgezeichnet zu einem radikalisierten Idealismus. 

Mit einem auf die Spitze getriebenen Idealismus glauben seine Protagonisten doch gleichwohl bei der Herrschaft früher oder später Gehör finden zu müssen. Und in diesem Vorhaben entdecken sie nicht ihrer Täuschung, lassen sich nicht so leicht ent-täuschen. Im Gegenteil, dieser Irrtum verführt sie mitunter zu immer noch radikalerem Protest. Sicher, nur wenige werden Anarchospontis, doch auch diese Sackgasse eröffnet sich allen Idealisten. 
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¹ Auch DIE GRÜNEN starteten als Idealistenpartei. Der Abschied vom Idealismus erforderte die Ermordung ihrer damaligen Parteichefin Petra Kelly.
² Die Gewerkschaften ködern ihr Arbeiterklientel regelmäßig mit einem Ideal von Gerechtigkeit. Sie verstehen sich auf die gleichen Heucheleien wie die Politik. Bei denen, die vorgeben, sich um die materiellen Interessen ihrer Klasse zu kümmern, ist das besonders gemein.

 

27.08.2025
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