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Welser und Fugger und der deutsche Imperialismus 

Als Columbus 1492 (ohne es zu wollen) Amerika entdeckte und 1498 Vasco da Gama — um Afrika herum — den Seeweg nach Indien, da war ein neues Kapitel aufgeschlagen: Im alten Europa war soviel Geld akkumuliert, daß es nach neuen Anlagemöglichkeiten Ausschau hielt, nach neuen rentablen Projekten. Für die Betätigung des Kapitals in Übersee waren denn auch ganz hübsche Summen nötig: Schließlich mußte das Land dort erst erkundet, die Einheimischen aus dem Weg geschlagen, eine verläßliche Statthalterschaft vor Ort installiert und die Verbindungen zu den europäischen Vaterländern gesichert werden. Es versteht sich von selber, daß diese gewaltigen Herausforderungen nur gelingen konnten, insofern und solange die freie Wirtschaft und die politische Gewalt Hand in Hand gingen. Ganz mit vorne dabei waren damals die beiden größten Handels- und Geldhäuser Augsburgs, die Welser und die Fugger [hier ein der Link (pdf) auf einen aller Beschönigung abholden Abhandlung aus dem — leider vergriffenen Buch von Gaby Weber »Krauts erobern die Welt – der deutsche Imperialismus in Südamerika«, 1982; auf diesem Beitrag fußt dieser KoKa-Artikel], welchen diese überseeischen Herausforderungen nicht nur äußerst lukrativ erschienen, sie haben sie auch mit bestem christlichen und deutschen Gewissen in Angriff genommen; all die vielen Menschenopfer, die diese Projekte forderten, scheuten sie nicht: Sie mußten einfach sein. Jene sind, wie die Schüler heute nach wie vor im Heimatkunde- und Geschichtsunterricht lernen, nicht der Rede wert — angesichts des so bewundernswerten gewaltigen Reichtums, den jene »Familienunternehmen« schufen, angesichts des Reichtums, der damit auch für die Stadt Augsburg und nicht zuletzt für die Etablierung einer deutschen Nation von so großem Nutzen war. Der Reichtum war so groß, daß Jakob Fugger der Reiche, ein erzkatholischer Gewissenswurm, selber Bedenken bekam — nicht, daß ihn die in seinen europäischen Bergwerken ausgebeuteten Arbeiter und die abgeschlachteten Indios in Übersee tangiert hätten, keineswegs; doch die in seiner Heimatstadt Augsburg gleichzeitig neben und mit dem Reichtum aufkommende Armut war ihm ein Dorn im Auge. Das hat ihn veranlaßt, eine Armensiedlung zu bauen, ein heute noch gerne vorgezeigtes Projekt, die erste »Sozialsiedlung« der Welt, die Fuggerei, welch großartige Tat!
Diese Geschichtsverklärung, wie sie heute in deutschen Schulen und für Touristen aus aller Welt [z.B. auf neuen (von einer CSU-nahen Werbeagentur im Auftrag der Fugger-Nachfahren) erstellten Websites] betrieben wird, hat ihren guten Grund: Und zwar in den heutigen Projekten des deutschen Imperialismus. Deutsches Geld und deutsche Gewalt sind über 500 Jahre lang nun fast ununterbrochen dabei, sich die Welt zu unterwerfen, sie und ihre Reichtümer auszubeuten, koste es, was es wolle. Da war Reichskanzler Hitler keineswegs ein Sonderfall, ein Mann übrigens, der sich auf die Tradition der Welser und Fugger ausdrücklich berufen hat:

" »Hier (in Brasilien) werden wir ein neues Deutschland schaffen. Hier haben wir alles, was wir nötig haben (…). Wir werden ihnen beides geben, Kapital und Unternehmungsgeist. Wir werden ihnen ein Drittes geben: Unsere Weltanschauung (…). Sie glauben noch, Demokratie spielen zu müssen. Warten wir ein paar Jahre und helfen dabei etwas nach. (…) Wir brauchen zwei Bewegungen im Ausland, eine loyale und eine revolutionäre. (…) Ich glaube, wir haben bewiesen, daß wir das können, sonst säßen wir nicht hier. Wir werden nicht wie Wilhelm der Eroberer Truppen landen und Brasilien mit der Waffe in der Hand erobern. Die Waffen, die wir haben, sieht man nicht. Unsere Conquistadoren haben eine schwierigere Aufgabe als die alten, dafür haben sie diffizilere Waffen.« [Hermann Rauschning, Gespräche mit Hitler, Zürich, Wien, New York 1940, S. 61 und 62]
Die grundsätzliche Berechtigung dieses Vorhabens begründete der Führer so: »Die Fugger und Welser haben hier ihre Besitzungen gehabt.« [ebd., S. 61]
Hitler machte keinen Unterschied zwischen deutschen Staatsangehörigen und naturalisierten Deutschstämmigen. Anläßlich eines Treffens der Auslandsdeutschen im Jahr 1934 stellte er nur eine Bedingung: »Das Bekenntnis zum Deutschtum (geht) der Loyalität gegenüber dem fremden Staat vor.« [ebd., S. 137]" [Aus dem Buch von Gaby Weber, S. 60-61]

Klingt alles gar nicht so undemokratisch — abgesehen davon, daß die Politiker heute statt »Weltanschauung« vorzugsweise von »Werten« schwadronieren, wobei dann natürlich — das erfordert die mit Auschwitz endgültig ge- und bereinigte Weltanschauung — nicht die materiellen gemeint sind.
Und an dieser Jahrhunderte alten Tradition knüpfte das Nachkriegsdeutschland an, sobald es wieder möglich war:

"Als damaliger Außenminister der Großen Koalition erklärte Willy Brandt auf einer Konferenz aller bundesrepublikanischen Botschafter in Lateinamerika (Viña del Mar) 1968, daß man nicht länger eine Politik betreiben könne, »die von anderen formuliert werde«. [zit. nach: Manfred Uschner: Lateinamerika – Schauplatz revolutionärer Kämpfe, Berlin 1975, S. 46]
»Wir haben lange genug so getan, als existieren wir — abgesehen von unseren Bündnissen und unseren Bemühungen in der Deutschlandfrage — politisch gar nicht« — so Brandt und wiederholte einen Ausspruch von Franz-Josef Strauß, daß es für die Bundesrepublik unmöglich sei, »gleichzeitig wirtschaftlicher Riese und politischer Zwerg zu sein«. Der Außenminister entwarf ein Programm der umfassenden wirtschaftlichen und politischen Expansion der bundesrepublikanischen Wirtschaft nach Lateinamerika. [Die Welt vom 28.10.1968]" [Aus dem Buch von Gaby Weber, S. 77]

Und es geht so just weiter: Eben auf dem mittlerweile hohen Niveau eines deutschen Exportweltmeisters: Ein EU-Freihandelsvertrag mit Kolumbien und Peru wurde 2013 geschlossen, einer mit Chile existiert bereits seit 10 Jahren, Brasilien ist darauf aus, einen zu erhalten usw.  Genau so stellt man sich selbstbewußte Statthalterschaften vor Ort vor… Dort, wo diese idealen Verwertungsverhältnisse nicht eingerissen sind, fuhrwerkt das deutsche Militär mittlerweile vielerorts höchstselbst herum, um sie herzustellen oder zu sichern.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU fordert ebenso wie die SPD, die nunmehr wieder den Außenminister — welcher die richtungsweisende Meinung vertritt, Deutschland erscheine der Welt viel zu friedlich — stellt, eine aktive Außenpolitik. D.h. eine noch aktivere, denn daß die bisherige nicht aktiv gewesen sein sollte, dieser Eindruck kann nur dadurch erweckt werden, wenn man die riesigen deutschen Ansprüche zum Maßstab nimmt. Die nehmen Maß an der Weltaufsichtsmacht USA. Gemessen an der und nur an der nehmen sich die deutschen Bestrebungen gering aus. Die Kosten, die bei diesen Bestrebungen anfallen, sei es bei den betroffenen Bevölkerungen, sei es in Sachen Naturzerstörung sind gewaltig. Wem das zu allgemein ist, ein Beispiel: Kolumbien ist der größte Kohlelieferant Deutschlands. Beim Abbau der Kohle gehen der südamerikanische Staat und die beteiligten Konzerne keineswegs zimperlich mit den Arbeitern und der Natur um. Die Kohle, hier angekommen, wird verstromt, um die Energiekosten für das deutsche Kapital niedrig zu halten. Die Natur wird bei der Kohleverstromung ebenso in Mitleidenschaft gezogen wie die Geldbeutel der kleinen Leute. Die haben nichts davon, denn sie müssen — obschon sie das Geld dafür nicht übrig haben — für die Kilowattstunde weitaus mehr Geld berappen als die Unternehmen, die das Geld zwar berappen könnten, aber aufgrund ihrer maßlosen Ansprüche — vorgetragen immerzu als Sachzwänge, die ihnen die kapitalistische Konkurrenz aufherrscht — nicht berappen wollen. Und zum Hohn aller, welche die Kosten ohnehin zu tragen haben, drohen die Konzerne regelmäßig mit dem Verlust von Arbeitsplätzen! Der Staat gibt ihnen selbstverständlich recht. Die kapitalistische Staatsräson beruht ja darauf, daß der Staat selber von dem unermeßlichen Geldreichtum seiner freien Wirtschaft profitiert.
Verglichen mit den Sachwaltern deutscher Gewalt und deutschen Geschäfts heute waren die Welser und Fugger samt der von ihnen finanzierten Herrschaft damals geradezu Waisenknaben. Aber auch nur so.

(30.01.2014) 

bluete