Stichwort »Fusion«: Entwicklung lukrativer Infrastruktur für den Standort:
Wie die Stadt Augsburg und ihre Stadtwerke die Bürger zu verarschen versuchen
Der heutige Staat mit seiner kapitalistischen Staatsräson möchte seine Wirtschaft, soweit sie in seiner unmittelbaren Hand liegt, eben so wirtschaftlich abwickeln wie die freie Wirtschaft mit ihrer Gewinnrechnung das zu tun pflegt. Und das gerade auch auf seiner untersten, der kommunalen Ebene.
Als nicht bloß formelles Zeichen dieses Ansinnens wurden die kommunalen Dienstleister in GmbHs umgewandelt. So wurden die Stadtwerke Augsburg, welche die Versorgung mit Energie, Wasser und öffentlichem Nahverkehr sicherstellen — notwendige infrastrukturelle Leistungen, die einem Standort kommunalerseits zu erbringen sind, einem, der das global vagabundierende Kapital anziehen soll — in ebensolche GmbHs umgewandelt (Stadtwerke Augsburg Holding GmbH, Stadtwerke Augsburg Energie GmbH, Netze Augsburg GmbH, Stadtwerke Augsburg Wasser GmbH, Stadtwerke Augsburg Verkehrs-GmbH, AVG Augsburger Verkehrsgesellschaft mbH, ASG Augsburger Verkehrs-Servicegesellschaft mbH, Stadtwerke Augsburg Projektgesellschaft mbH sowie Stadtwerke Augsburg Carsharing-GmbH).
Wie es sich für solche Gesellschaften gehört, wird eine Bilanz erstellt, die schrittweise ökonomisch verbessert werden soll und zwar so rasch wie möglich. Die Stadtwerke (StaWA) selber drücken das schönfärberisch so aus: "Im Interesse ihrer Kunden, der heimischen Wirtschaft sowie der Arbeitsplätze setzen die Stadtwerke Augsburg bei all ihrem Handeln auf ein ausgewogenes Verhältnis von Umweltfreundlichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit." (auf ihrer Website)
Es ist klar, daß die Versorgungssicherheit nichts damit zu tun hat, ob ihre käuflichen Angebote wirklich für jeden Geldbeutel erschwinglich sind. Der Standort hat als solcher vor allem die Versorgungssicherheit der Großabnehmer im Auge, also derer, die ihr Kapital auch ihrerseits zugunsten des Standorts einbringen können, weil es groß genug ist, daß von ihm auch ein paar Krümel für ihn, wenn schon nicht abfallen — »Investoren« verstehen es, sich arm zu rechnen —, so doch abfallen sollten. Für diese potenziellen Kapitaleigner werden die Energiepreise nicht nur erschwinglich, sondern durch hohe Energiepreise für die kleinen Leute subventioniert — eine Selbstverständlichkeit im Kapitalismus, an der sich niemand groß stört.
Die Umweltverträglichkeit im Energiewesen drückt sich in einem entsprechend angemessenen, vergleichsweise höheren Preis aus, der sich allein mit dem Hinweis darauf prima erzielen läßt.
Die Umweltfreundlichkeit im Nahverkehr versteht sich ja sowieso von selber und schlägt sich selbstredend ebensowenig in einem besonders günstigen Fahrpreis nieder. Daraus, den Autoverkehr durch öffentlichen Nahverkehr weitgehend zu ersetzen, ist deshalb noch nie etwas geworden.
Kurz & gut: Das, was den Stadtwerken als einzig wirkliche Herausforderung bleibt und an der sie sich mit Vehemenz zu schaffen machen, ist die Wirtschaftlichkeit:
Dies sei in Kürze skizziert:
Der Nahverkehr wurde schon vor vielen Jahren als riesiger Kostenfaktor ausgemacht, der sich nicht richtig rechne. Gerade dieser Befund führte zu einem grandiosen Ideenreichtum, diesem Unglück für den Standort zu Leibe zu rücken. War aber gar nicht so einfach! Schließlich sollte ja die Versorgungssicherheit gewährleistet sein: Jeder Lohnbezieher soll ja termingerecht an die Verwertungsstätte seiner Arbeitskraft, jeder Schüler und Student an die Zurichtungsstätte für die spätere Verwertung eben jener kommen und in ihrer zu ihrer Reproduktion verfügbaren, freien Zeit sollen alle gleichermaßen zu den Kaufhäusern gelangen können, um ihren Lohn rasch wieder loszuwerden und zwar vorzugsweise an all die, an welche der Standort bekanntlich seine eigene Bedeutung knüpft.
Der bahnbrechende erste Einfall [1] bestand nun darin, den Aufwand an Lohnkosten in einen Vergleich zur erbrachten Leistung zu bringen: Mit dem Ergebnis, daß ein Bus- oder Straßenbahnfahrer, für das, was er kostet, viel zu wenig zahlende Leute transportiert, also auch oft genug (in Stoßzeiten etwa) mehr Fahrer eingesetzt werden müssen, als notwendig wären, könnte man entsprechend größere Wagenkapazitäten anbieten. Was bei den Omnibussen jedoch, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt möglich ist, ist bei den Straßenbahnen vergleichsweise einfach: Man brauchte bloß längere Wägen sich anzuschaffen, schließlich gibt die das Geschäftsinteresse der Hersteller längst her. Dafür fielen dann millionenschwere Beschaffungskosten an. Außerdem mußten Gleise in Kurven den neuen Wägen angepaßt, d.h. neu verlegt werden. Zusätzlich wurden etliche Buslinien durch neu gebaute Straßenbahnlinien und andere durch verlängerte ersetzt. Das waren die nötigen Kosten, die man erst einmal — so zumindest der äußere Schein — locker zu tragen wußte, zumal sie sich ja stetig auf die Fahrpreise umlegen ließen.
Problematisch wurde es dann allerdings beim Königsplatz, dessen Bahnsteige nicht so lang waren wie zwei hintereinander haltende Langbahnen. Irgendwie kam zwar jeder damit zurecht, aber den Stadtwerken und ihrer politischen Obrigkeit (der Stadt Augsburg als bislang alleiniger Gesellschafter) dünkte der Zustand nicht attraktiv für Augsburg als Standort für das Kapital, dessen Arbeiterschaft und die übrige Bevölkerung. So wurde denn die Idee einer »Mobilitätsdrehscheibe« geboren, über die sämtliche Straßenbahnlinien nebst einigen Buslinien laufen sollten. Diese wurde denn auch nach mehrjähriger Bauzeit 2014 fertiggestellt. (Sein klobiger Dreieckbau sieht übrigens genau so, wie er ist, standortgerecht aus — er spiegelt den schlechten Geschmack kaltblütiger Kapitalverwerter wider.) Die Kosten jedoch sprengten die vorgesehenen freilich bei weitem.
Und — die Idee, den Kö einmal mehr umzubauen, kam nicht so ganz ohne Sahnehäubchen daher. Mit dem regionalen Verkehr sollte der überregionale besser bedient werden, Augsburg als Schnittstelle zwischen West und Ost, Paris und Wien, Nord und Süd, Norddeutschland und Italien. Also sollte der Hauptbahnhof an Standort-Attraktivität gewinnen. Dadurch nämlich, daß dort Eisen- und Straßenbahn besser verzahnt werden: Einer neuer Tunnel mitten unterm Bahnhof hindurch soll dies gewährleisten. Damit wird der alte Pferseer Tunnel für die Straßenbahn obsolet und ebenso das an sich vergleichsweise vernünftige Projekt, eine den Königsplatz entlastende Straßenbahn von Lechhausen über die Grottenau und dieses alte Tunnel nach Pfersee zu führen.
Allerdings hat der Plan der Untertunnelung des Hauptbahnhofs einen gravierenden Nachteil: Mit der Unterquerung durch nur eine einzige Straßenbahnlinie läßt er sich schlechterdings nicht rechtfertigen — schließlich muß man die Dringlichkeit des Projekts auch dem global player Deutsche Bahn klarmachen. Gar nicht faul deshalb die emsig planenden Stadtwerkeökonomen: Diese erfanden flugs eine Linie 5, die, die Buslinie 32 ersetzend, die Mobilitätsdrehscheibe und den Hauptbahnhof mit dem Zentralklinikum verbinden soll, dabei die neuen Centerville-Wohnviertel erschließend.[2]
Nun steckt das Projekt HBf weit in den roten Zahlen: Die Kostenberechnungen wurden schon jetzt — er ist noch nicht einmal zu einem Viertel fertig — erheblich gesprengt. Und für die Linie 5 besteht nach wie vor kein annähernd haltbarer Finanzierungsplan; hinten und vorne ist weder bei den Stadtwerken noch bei der Stadt Geld dafür da.
Geldnot ist aber kein Argument für einen Standort, der auf sich hält. Also werden auch keine Projekte unterlassen [3]! Es wird einfach versucht, dafür Geld zu beschaffen.
Als erstes fiel den Schlaumeiern ein, im Energiebereich mit Erdgas-Schwaben zu fusionieren. Damit will man im Energiebereich effizienter werden und Gelder gewinnen, die man im Nahverkehrsbereich dringend nötig hat. Das verhehlen die Verantwortlichen keineswegs, sie werben damit.
Wie für Erdgas-Schwaben die Gewinnrechnung aufgeht, soll sie auch für die Stadtwerke aufgehen.
Gemeinsam kann man den Kunden (dabei ist insbesondere an die für den Standort attraktiven Großkunden) ein günstigeres Angebot machen, Wettbewerber aus dem Feld schlagen usw. Das ist unbestritten. Die Anzahl der Mitarbeiter und die Höhe ihrer Löhne werden gleichfalls tangiert, bloß ganz sicher nicht in einer den Mitarbeitern genehmen Weise. Je mehr Mitarbeiter ein Betrieb hat, desto mehr kann er sich bekanntlich an ihnen schadlos halten. Er tut es auch. Nicht bloß, wenn er in eine Krise gerät, sondern schon vorausschauend. »Synergien freisetzen« ist ja bekanntlich ein erklärtes Ziel jeder Fusion. Umso mehr sind deshalb Stadt und Stadtwerke bemüht, diesen Zusammenhang zu dementieren! So sehr, daß es geradezu peinlich wird: Die Mitarbeiter werden für dumm verkauft, indem so getan wird, als würden sie genau diesen Zusammenhang nicht kennen, also aus glücklicherweise vorhandener Unkenntnis der Fusion zustimmen! Manche haben sich gar dazu überreden lassen, unbezahlt Wahlwerbung für die Fusion machen.
Diese Fusion allein reicht den Stadtwerken aber keineswegs. Und das ist angesichts der nicht absehbaren Kostendimensionen bei Hauptbahnhof und Linie 5 nur allzu verständlich. Und: Ist etwa die Mobilitätsdrehscheibe Kö schon (ab)bezahlt?[4]
Als Geldbeschaffungsinstrument dient eine Aktiengesellschaft: Ein solche sammelt anlagesuchendes Kapital ein. Die Einstieg der Thüga AG — sie hat sich bereits in etliche kommunale Betriebe als Gesellschafter eingekauft — ist also naheliegend und mit der Fusion der StaWA-Erdgas-Schwaben kapitalattraktiv. Die Thüga verschafft den Stadtwerken ein gewisses Sicherheitsgefühl angesichts des Geldmangelns, der keiner wäre, verpflichtete man sich nicht durch großkotzige Verkehrsprojekte dem Standort.
Kurz & gut, die Thüga steigt ein, aber, das sehen sich die Stadtwerke genötigt zu betonen, nicht als Mehrheitseigner. Doch was heißt das schon? Als Geldbeschaffer kann man auch so den Ton angeben. Zudem erhält Thüga eine Sperrminorität, mit der sie alles unterbinden kann, was nicht in ihrem Geschäftsinteresse ist [5]. Und im »schlimmsten« Fall kann sich die Thüga gar als »Nothelfer« beweisen und weitere Teile der StaWA übernehmen, ja sie eventuell ganz. Ein wichtiges Indiz hin in diese Richtung ist, daß die Thüga der Einstieg mit einer Gewinngarantie schmackhaft gemacht wird. Da weiß der Gebührenzahler jedenfalls, wofür er bluten muß!
Fazit: Die Fortschritte kapitalistischer Ökonomie werden durch die Stadtwerke weder aufgehalten noch wollen sie jene auch nur aufhalten.
Wer auch immer der (Haupt-)Nutznießer ist, eines steht dabei allenthalben fest: Die, welche einen Lohn von diesen Unternehmen beziehen, sind es nicht, es sei denn, man hängt die Anspruchslatte so tief, daß man froh ist, daß es überhaupt noch Arbeitsplätze und zwar mehr schlecht als recht bezahlte gibt. Das kann man dann sicher als gewisse »Sicherheit« bezeichnen. Die Arbeitsplatzbesitzer sie sind natürlich nicht natürlich die einzigen Profiteure, alle anderen, sehr verehrten Kunden werden mittels Fahr- und Energiepreise tüchtig geschröpft.
Der neue Chef der Stadtwerke hat in einem KoKa bekannt gewordenen privaten Gespräch geäußert, daß, würden die Stadtwerke nicht wie geplant vorgehen, sie so enden würden wie Griechenland. Dabei ist gerade Griechenland mit der gleichen Rechnungsweise, zu denen eine Vielzahl von (Infrastruktur-)Großprojekten gehörte (Olympiade 2004, neuer Flughafen Athen, U-Bahn-Ausbau Athen, Straßenbau wie Attika- und Egnatia-Autobahnen, Brücke über den Golf von Korinth, Meeresuntertunnelung südlich von Preveza usw. usf.), in die Krise geraten. Wie dumm muß man also sein, um sich für das gut bezahlte Amt eines Stadtwerke-Chefs zu qualifizieren?
(27.06.2015)
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[1] Neben den großartigen Ideen wurde nicht vergessen, an kleinartige Verbesserungen zu denken: So werden beispielsweise verrentete Busfahrer als Springer eingesetzt. So sollen die Fahrgäste gefälligst vorne einsteigen, womit die Fahrkartenkontrolle dem Fahrer auferlegt wird, um Kontrollpersonal einzusparen.
[2] Die Idee einer Unterquerung des HBfs ließ sich nicht dadurch beeindrucken, daß man an seiner Westseite auf ein Wohnviertel stieß, dessen Durchquerung oder Umfahrung ganz schön Kopfzerbrechen bereitet hat. Nun hat sich der Stadtrat für die Teilung des Doppelgleises bis zur Brücke über die Wertach entschieden — eine einspurige Streckenführung mit abwechselnder Belegung in beiden Richtungen war von vorneherein ausgeschlossen.
Die Linie 5 mußte offenbar unbedingt über die bereits tramgerecht ausgebaute Brücke der Linie 3 erfolgen. Mit der Konsequenz, sie im Anschluß an die Brücke über die Hessenbachstraße zu leiten. Hier gibt es zwar schon ein Localbahngleis, das allerdings nicht die gleiche Spurbreite hat und auch nur einspurig verläuft. Das heißt, hier muß gerodet werden auf Teufel-komm-raus. Im Bäumefällen ist die Stadt Augsburg unter ihrem famosen Baustadtrat Merkle bekanntlich Weltmeister, bzw. zumindest Vizeweltmeister hinter der Stadt Stuttgart mit ihrem Projekt Stuttgart 21. In der Ackermann-Allee dann wird lässig und ganz ohne Not der Grünstreifen geopfert — die Straßenbahn könnte auch auf jeweils einer der in beiden Richtungen zweispurigen Fahrbahn geführt werden.
[3] OB Gribl hat sich in einem Interview mit der neuen Szene (Juni 2015) darüber »entsetzt« gezeigt, daß mit der Verhinderung der Stadtwerke-Pläne die Gigantoprojekte der Stadtwerke seitens der Gegner des Bahnhofsumbaus gestoppt werden sollten.
[4] Nebenbei bemerkt: Die Stadtsparkasse Augsburg als städtischer Kreditgeber verdient überall kulant mit und schröpft die kleinen Sparer — neue Tarife ab August: 1,50 Euro für die sicherste Überweisungsmöglichkeit, die eigenhändige Überweisung an hauseigenen Geldautomaten!
[5] Vgl. Süddeutsche Zeitung, 17.09.14: "…Doch ausgerechnet in Musterstadt wird das nun vielen unheimlich. Die Thüga, eigentlich gedacht als Hilfsmittel der Kommunen, entwickelt sich selbst zunehmend zum machtbewußten Akteur und versucht über ihre Kontakte zu den Städtechefs ihrerseits auf die Stadtwerke Einfluß zu nehmen. »Das löst immer mehr Ärger aus«, sagt ein Insider: »Viele Stadtwerke, die den Riesen geschaffen haben, würden ihn nun gerne in Ketten legen. …«"