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Um die Nation, für die Nation:
Demokraten und Faschisten im Wettstreit

So langweilig war die Demokratie in der BRD bislang: Ein paar Parteien rangelten um Posten für ihr Personal. Jenseits dessen standen die Staatsinteressen, stand die Staatsräson für alle fest. Eine lebendige Demokratie, wie sie stets postuliert wurde, gab es nur zeitweilig: Solange sich die GRÜNEN noch nicht von ihren prinzipiellen, wenngleich idealistischen Standpunkten verabschiedet hatten. Eine irgendwie linke Kritik – ökologisch, sozial, basisdemokratisch, gewaltfrei -, das sahen sie ein, verträgt sich nicht mit einem Staat, der Weltmachtansprüche hat und der es auf diesem seinem Weg – einmal mehr – weit gebracht hatte. (Dieser Übergang ging freilich nicht ohne die spektakuläre Leiche ihrer Hauptvorkämpferin ab, mit der sich ein anderer Grüner den Weg bis ins deutsche Außenministerium bahnte. Was die Demokratie seinerzeit ungeheuer belebte!)

Jetzt, im Jahre 2018, ist die Demokratie erst richtig lebendig geworden. Ausgerechnet durch diejenigen, die die Zeit für reif hielten, unter dem Deckmantel der demokratischen Parteien sich bislang verdrückend (das gilt für die großen Volksparteien im Westen ebenso wie für die SED im Osten), sich hervorzuwagen: Nationalisten besonderer Sorte, welche, die einem halbwegs bis völlig geschlossenem faschistischem Weltbild anhängen. Wie das?

Es ist ja nicht nur so, daß sich faschistisches Gedankengut in und unter den etablierten Parteien erhalten hat, wo es nie einer angemessen-fundamentalen Kritik* anheimgefallen war. Wie auch? Als Nationalist, also einer, der den Staat als den seinen dermaßen distanzlos auffaßt, daß er sich dessen Sorgen und Ambitionen als die eigenen zu eigen macht, war man allenthalben wohl gelitten und ist es nach wie vor. Nun freilich verhält es sich so, daß einige neu entdeckt zu haben glauben, der Staat und seine Räson würde dem Anspruch seiner national gesonnenen Bürger, also seinen eigenen nicht länger gerecht. Wie bloß kommen sie denn da drauf?

Das ist insofern bemerkenswert, als der Staat saumäßig erfolgreich ist, ökonomisch Exportweltmeister, politisch Mit- und Einmischer bis in den hintersten Weltwinkel. Er hat sich mit seinem Erfolg als herausragendes Staatsmodell und so als Vorbild für andere Staaten etabliert. Er hat sich mit EU und Euro veritable Projekte vorgenommen, die darauf berechnet sind, die USA mitsamt ihrem Dollar herauszufordern. Wie kommen jetzt also jene Leute darauf, dem deutschen Staat Versäumnisse, oder, personalisiert ausgedrückt, seinem amtierenden Personal ein Vergehen an Staatsinteressen vorzuwerfen? Kurzum, sie entdecken einen Widerspruch zwischen Staatsinteresse und Staatsräson. Wie das?

Das hat einzig damit zu tun, daß sie bemerken, wie verdammt abhängig sie vom Staat sind – als dessen Manövriermasse und als Verwertungsmasse seiner vermittels Privateigentum freigesetzten Ökonomie. Diese Abhängigkeit, die an sich ja etwas völlig Negatives ist, wollen sie partout positiv sehen. Entschieden halten sie daran fest, diese weiterhin positiv sehen zu wollen, obschon die Zumutungen des Staates an sie gehörig sind und weiterhin wachsen. Sie tun so, als ob ausgerechnet sie, die in ihrer Abhängigkeit ausgenutzt werden, vor allem darin, ihre Arbeitskraft unter Wert zum Profit anderer zu Markte tragen müssen, als ob ausgerechnet sie ein Anrecht haben, eben auf diesen Verkauf und die Vernutzung ihrer Ware, ihrer Arbeitskraft. Dieser Verkauf soll für sie lukrativ sein! Und zwar so, daß sie mit geschwellter Brust sich Wunder was einbilden können auf ihre Zugehörigkeit nicht nur zu einer mehr (etwa einem deutschen "global player") oder weniger bedeutenden Firma, sondern vor allem und ganz umstandslos zum deutschen Staat. Verächtlich schauen sie so auf andere Nationen und deren Staatsangehörige herab. Sie, die bemerken, wie wenig wert sie "ihrem" Staat sind, beteuern gleichwohl felsenfest, viel wert zu sein, weil deutsch! Diese Selbsttäuschung blasen nun Neonationalisten täglich in den Wind, in den sie ihr opportunistisches Mäntelchen hängen. Gemeinhin nennt sich das "Populismus".

Und was fällt ihnen ein, womit reichern sie die demokratische Debatte an? Mit dem Geschimpfe auf die, die dem Staat als nicht verwertbare Personen ohnehin eine ziemliche Last sind, auf Ausländer, insbesondere asylsuchende. Damit rennen sie offene Türen ein: Der Staat gibt ihnen vermittels amtierenden Personal recht und behandelt die Flüchtlinge immer übler, doch nach Ansicht der nationalen Opposition nie dreckig genug.
Wiewohl der deutsche Staat sich seiner humanitären Legitimation, die er sich einst infolge seiner Niederlage in die Verfassung geschrieben hatte, in der Praxis gründlich entledigt hat – "Die Menschenwürde ist unantastbar." (Grundgesetz Art.1: Wem sagt er das?) – geht er nicht dazu über, sich auch formell von dieser Legitimation zu trennen. Genau das aber fordern die superdeutschen Nationalisten und erbosen sich darob: Weniger Heuchelei in Sachen Ausländerfeindschaft!

Kurz und gut, die Debatte belebt sich ungemein, sie wird hitzig. Wenn demokratische und faschistische Nationalisten sich streiten, ist ja auch keine Sachlichkeit gefragt. Schließlich geht es ja um nicht weniger als um einen Glauben, einen zivilen, um den Glauben an die Nation. An dem halten sie beide unverdrossen fest, werden an ihm gar irre. Sie streiten darüber, wer denn nun der Rechtgläubige sei. Den Hinweis der Demokraten auf den Erfolg ihres Staats und seiner weltmachtambitioierten Projekte lassen die anderen nicht gelten. Sie sind der Meinung, von einem nationalen Erfolg könne nicht gesprochen werden, wenn der nicht "unten", bei der nationalen Manövriermasse, ankomme. Auch in dieser Hinsicht rennen sie offene Türen ein. Demokraten liegt es nämlich nur allzu fern, einen Gegensatz (nicht nur gewisse, vielleicht sogar als lediglich vorübergehend deklarierte Unterschiede) in ihrer nationalen Gemeinde festzustellen. Von einem Klassenstaat, von einer Klassengesellschaft wollen sie nicht reden. Deshalb wollen sie eine solche, aus ihrer Sicht künstliche, rein ideologische "Spaltung" ebenso wenig zulassen wie die wirklich ideologische in gute und bessere Nationalisten. Deshalb sind sie so arrogant und wünschen die Neonationalisten "auf den Müllhaufen der Geschichte" (so der nationale Vordenker Schulz, SPD). Eine Spaltung der Nation kommt für Demokraten gerade in der ihnen eröffneten nationalen Frage eben nicht in Frage. Sollte solche Ansprache nichts nützen, drohen Demokraten mit dem staatlichen Gewaltapparat, zunächst mit der Überwachung durch ihre Staatssicherheitsdienste.

Für Nationalisten – das haben Demokraten und Faschisten gemeinsam – gehört es sich schlichtweg nicht, die zugrundeliegende soziale Frage, die die als marktwirtschaftlich verharmloste Klassengesellschaft gebiert, als solche aufzuwerfen. Die Nation verlangt Opfer. Die Kosten ihrer äußerst anspruchsvollen Projekte haben die zu tragen, auf denen sie beruhen, die dafür in die Pflicht genommen werden. Daraus geht hervor, wie wenig zuträglich der Nation soziale "Leistungen" erscheinen müssen. Das Faß läuft dann über, wenn andere in diese Pflicht genommen werden und dafür "Leistungen" erhalten. Dagegen gibt es dann übereinstimmend erhebliche Bedenken. Andere? Das sind ganze Staaten samt Bevölkerungsinventar. Vorreiter in dieser Hinsicht sind nicht nur die, welche als Rechtsradikale apostrofiert werden: Man denke beispielsweise an die antigriechischen Hetzkampagnen der seriösen demokratischen Qualitätspresse. Und mittlerweile steht Italien auf der Abschußliste. Usw. usf.

Bei den Asylsuchenden scheiden sich allerdings die nationalen Geister: Sie wetteifern über jene auf die denkbar zynischste Art: Während die einen sie nach nationaler Nützlichkeit – zum Beispiel gelten Islamisten aus der chinesischen Provinz Xinjiang als Vorzugsasylanten, sie stehen für einen grundsätzlichen Vorbehalt der Gernegroß-Weltmacht Deutschland gegen China – und ökonomischer Verwertbarkeit beurteilt sehen wollen, sehen die anderen ihre bloße Existenz als eine an, welche die Existenz der deutschen Nation selber untergrabe, also bedrohe.

So wie es dem deutschen Staat und seinen Protagonisten recht und billig ist, seine menschliche Verfügungsmasse (heutzutage spricht man gerne amerikanisch von "human resources") unter dem stummen Zwang einer privat abgewickelten Ökonomie gegeneinander auszuspielen, so bestehen Faschisten auf einer gründlichen Korrektur: In- und Ausländer gehören viel grundsätzlicher auseinandersortiert, allein so könne eine nationale Verläßlichkeit sichergestellt werden, eine Verläßlichkeit, die für höhere nationale Ziele nötig, also dem deutschen Staat angemessen sei. Somit ist klar, warum sie die amtierenden Politiker nicht leiden können: Jene ließen es selber an nationaler Zuverlässigkeit fehlen, so sie diese Sortierung mißachteten. Klar, ökonomisches Denken im Umgang mit verfügbarem Material sind einem ziemlich fremd, der seine eigene Existenz ganz unvermittelt aus der staatlichen Gewalt ableitet. So fest inkarniert hat solcher seinen Nationalismus, daß ihn nicht einmal der Hinweis auf den grandiosen Untergang des "Dritten Reiches"  inklusive dessen Gründe demokratischer Interpretation berühren kann. Die Millionen Opfer des NS-Staats sind ihm sowieso egal, sie seien ja für eine gute Sache gestorben, für Deutschland, für das – ideologisch unterschiedslos zwar nicht, aber praktisch natürlich schon – jede Leiche in Ordnung gehe. (06.10.18)  

*  Wie eine fundamentale Kritik faschistischer Ideologie aussieht? Siehe das Buch "Der Faschismus und seine demokratische Bewältigung" 
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Sammeln und Bewegen, Bewegen und Sammeln – ein Sturm im nationalen Fahrwasser

Wen will Sahra Wagenknecht denn sammeln? Wen bewegen? All jene, die sich ihrer Meinung nach versehentlich verirrt haben: Deren eigentliche Heimat irgendwie doch "links" ist. Was haben jene also nicht verstanden? Sie haben nicht kapiert, daß es "Linke"  sind, die soziale Fragen zu einer Staatsangelegenheit machen. Die schon immer gesagt haben, der Staat müsse sozialer gestaltet werden, insbesondere dessen kapitalistische Wirtschaftsordnung. Solange das nicht angegangen werden würde, seien die Ausfälligkeiten gegen Ausländer, insbesondere Asylanten gewissermaßen verständlich. Richtig verstanden seien solche ja nichts anderes als ein Aufschrei für eine andere, nämlich linke, d.h. soziale(re) Politik, mithin eben ein veritabler Staatsauftrag.

Daß Politik eine Frage der Gewaltausübung ist, man also das Kommando übernehmen, also ermächtigt, d.h. gewählt werden muß, ist für Wagenknecht & Co. keinerlei fragwürdige Angelegenheit: Unmittelbar Gewalt auszuüben, davon möchten die Sammler und Beweger eben so die vehement national bewegten Leute abhalten; und zwar mit dem Versprechen all den Anliegen, die jene haben, wirklich gerecht zu werden, ihnen Genüge zu tun. Dazu gehört selbstredend die Ausländerfrage, also der privilegierten Stellung der deutschen Staatsbürger das Gewicht zu verleihen, das ihr gebührt.
Nicht die Spaltung in In- und Ausländer ist der Sammlungsbewegung (SB) eine zu überwindende Spaltung, vielmehr die Spaltung der Nation selber! So brutal manifestiert sich der nationale Standpunkt der SB, die man nicht nationalistisch nennen soll. Jedenfalls steht sie der Notwendigkeit der Vereinigung aller Proletarier diametral entgegen.

Daß es sich beim Staat, ökonomisch betrachtet, um einen Klassenstaat handelt, also einen, der aus der klassengerechten Spaltung seiner Gesellschaft Profit für die Mehrung seiner Gewalt zieht, ist für diese "Linken" ein Buch mit sieben Siegeln. Darüber soll ja gerade das nationale Band einigend hinwegtäuschen: Gegen die erklärten Feinde und Schädiger des Bundes, gegen andere Staaten und deren Angehörige, versucht die SB das Band fester zu zurren. Die soziale Frage wird so notwendigerweise allenthalben in eine nationale überführt, ihr untergeordnet.

Ob diese SB der deutschen Nation gerade noch gefehlt hat? Jedenfalls ist sie ein geistiger Zusatz, ein verklärender Überbau, den sich die Nation angesichts fortgeschrittener geistiger Verwahrlosung seiner Untertanen, pardon: seiner "mündigen Bürger" leisten kann, der also nicht weiter ins Gewicht fällt.

Noch was:
Ein besonderer Witz ist dabei gerade, daß die SB in der Ostzone auf eine Bevölkerung trifft, die seinerzeit der damaligen Staatspartei und deren ihr erfolglos erscheinenden Politik eine Absage erteilt hat. Mit der nationalistischen Parole "Wir sind das Volk!" wollten diese mündigen Bürger sich schon damals von sozialen "Reglementierungen" befreien. Sie waren es, die die Freiheit einer starken Währung dank eines starken Staates genießen wollten. Das haben sie verabreicht bekommen und jetzt sind sie einmal mehr unzufrieden. Zu logischen Schlußfolgerungen wurden sie in der DDR genauso wenig erzogen wie in der BRD, im heutigen Großdeutschland. Und sie werden das ebenso wenig durch jene Wagenknechtsche SB, die die Leute "dort abholen will, wo sie stehen" (eine moderne klischeehafte Frase von Leuten, deren Sache Kritik nicht ist, ja die einem gar Einwände gegen die bestehenden Verhältnissen ausreden will).

Und noch was:
Leute wie Wagenknecht müssen nicht gekauft werden, ihnen ist der nationale Ausgangspunkt ihres Standpunkts so selbstverständlich, daß sie umstandslos kompatibel sind mit den gesellschaftlichen Verhältnissen. Sie verbrämen auch keineswegs ihre nationale Gesinnung so wie manch kommunistische oder sozialistische Partei, die lieber die Zugehörigkeit ihres Staats zu EU und NATO in Frage stellt, als dem Nationalismus zu nahe zu treten, die also lieber auf einen alternativen Nationalismus spekuliert (beispielsweise die KP Griechenlands in der Makedonien-Frage). Dem Nationalismus eine alternative Richtung zu geben, ist eben das Gegenteil zu einer Kritik des Nationalismus. Es ist eine Frage, welche nationale Ausrichtung der Nation "wirklich" opportun ist. Nationaler Erfolg gehört eben endlich verbrieft!

(07.10.18)

bluete