Wahlk(r)ampf, Personenkult(ur), Demokratie pur:
Ein Hochfest des Nationalismus!
So nichts Außergewöhnliches passiert, wird man als Staatsbürger alle 4 Jahre einmal ernst genommen: Als alfabetisierter Analfabet: Er darf zwei Kreuze in zwei Kreise von vielen machen. Er braucht sich dabei nicht bewußt sein, was er damit überhaupt anrichtet, denn es ist ihm unterstellt, daß er — in welche Kreise er die Kreuze auch immer hineinmalt — nichts falsch machen kann: Wie selbstverständlich geht seine Obrigkeit — also die, welche (wieder) gewählt werden wollen — davon aus, daß er dies in nationaler Verantwortung macht: Die Verantwortungsträger sollen dann nämlich »seine« Nation, die deutsche, voranbringen, an allen Fronten, an der der Wirtschaft, der gegenüber dem Ausland, auch an der der Gerechtigkeit im Inneren.
Die Parteien unterscheiden sich dann sowieso nur in der Schwerpunktsetzung — darin, wo sie Mängel ausmachen, die sie auszubügeln für im nationalen Interesse geboten erachten. In dieses Bemühen, die Nation verbessernd voranzutreiben, wird nun der Bürger eingeschaltet, als quasi maßgebliche Instanz dafür, welche Parteien den Auftrag erhalten, die Geschicke der Nation führend zu bestimmen. Es liegt in der Natur der Sache, daß es dabei sehr auf die Führung ankommt, also auf eine Lichtgestalt der nationalen Führung. So diese schwer ersichtlich — weder Frau Merkel noch dieser Schulz sind mit Kanzlern zu verwechseln, denen nachgesagt wird, eine ruhmvolle Ära begründet zu haben —, weiß selbst so manch eingefleischter Wähler schon nicht mehr recht, wen und weshalb er überhaupt wählen soll.
Als hätte die SPD diesen Sachverhalt messerscharf erkannt, tut sie das dafür Nötige, der »Wahlverdrossenheit« entgegenzuwirken: Sie proklamiert die nationale Volksgemeinschaft, die selbstredend keine Klassen kennt: Zum Beispiel mit Parolen wie »Alle müssen ran« (zur Rente) oder noch deutlicher: »Wir machen das. Zusammen.«: Hierbei liegt auf der Hand, daß mit dem »Das« nichts anderes gemeint ist als die Nation und deren Ansprüche. Welche nun wirklich nichts mit einem Anspruchsdenken von unten zu tun haben, ganz im Gegenteil: Sie sind eine knallharte und nicht mißzuverstehende Absage an solche von unten kommenden Ansprüche. (Hier merkt man übrigens, gegen wen diese Partei immerzu zu kämpfen gedenkt: gegen alles, was auch nur den Anschein erhebt, »links« zu sein.)
Von dieser Klarheit gehen auch die anderen Parteien aus. Die CSU beispielsweise gleich so, daß sie im Grunde keine »Probleme« kennt: Wenn sie von »Wohlstand« spricht, denkt sie, daß jeder gut aufgehoben ist in dieser Klassengesellschaft, sich unter jenem Begriff Wohlstand eingemeindet sieht in die Nation: Solch Einbildung hilft tatsächlich; als Zughöriger zu so einer großartigen Nation wie Deutschland — sie hat schon längst wieder stolzes Niveau erreicht — soll und kann man sich über alles hinwegtrösten, was einem im Alltagsleben an Frechheiten widerfährt, über die Zumutungen am Arbeitsplatz, über die verseuchten Geschäftsmittel, die als Lebensmittel in die Läden gelangen, über die dieselgeschwängerte Luft in Großstädten, über die mit LKWs verstopften und von ihnen ramponierten Autobahnen und Straßen, über die Kunden verarschenden, immer teurer werdenden Dienstleistungen privatisierter Unternehmen usw. usf. Über all das darf man sich aufregen, aber als Deutscher in Deutschland hat man es gut getroffen und muß von jenen »Nebensächlichkeiten« absehen können! Als Wahlbeauftragter selbstsicher an die Urne schreiten, um die demokratischen Volksbeauftragten volldemokratisch beauftragen: Nur so läßt sich die Gewalt eines Staates in all ihren Auswirkungen nämlich ertragen: Selbstbewußt! Mit einer Diktatur sind solche Verhältnisse wirklich nicht zu verwechseln!
Bei all dem läßt sich nicht übersehen, daß es da und dort bei den Projekten, die sich die Staatsgewalt vorgenommen hat, anspruchsvoll wie sie sind, nicht so glatt läuft wie gewünscht. Das betrifft das antiamerikanische Projekt EU/Euro in erster Linie. Der Brexit ist ein Schlag gegen die deutschen Ansprüche; Osteuropa liefert nicht wie gewünscht; die Südzone macht nach wie vor wirtschaftspolitische Probleme. Dazu kommt, daß sich die Sanktionen gegen Rußland alles andere als vorteilhaft auswirken; die Türkei querschießt; die Chinesen hierzulande einkaufen als wären sie zuhause. Ganz am Rande landen dann noch Leute hier, die keine Devisen vorzuweisen haben….
Dies hat dazu geführt, daß es eine Partei gibt, welche die herrschende Staatsräson infrage stellt. Ihr, der AfD erscheint das Vorgehen der Politik in all jenen nationalen Herausforderungen nicht konsequent genug. Sie fordert daher eine Neuausrichtung, eine »Rückbesinnung« auf die Nation, so pervers das der Sache nach ist. Denn schließlich ist die Größe der Nation auch ihr Anliegen; daß die Ansprüche der Nation vermessen sind, will sie ja sowieso nicht behaupten; ebensowenig, daß die Ansprüche mit dem Erfolg schrumpfen können, sollten oder müßten. Ihr Anliegen ist vielmehr das Pochen auf dem Opportunismus der Nation, der das Unterpfand ihrer fast 70-jährigen Erfolgsgeschichte ist. Es wäre, so behauptet sie, für den Erfolg der Nation nicht opportun, wirtschaftsschwache Staaten in der Eurozone zu belassen, ja der Euro wäre sowieso ein äußerst zweifelhaftes Erfolgsrezept, es wäre des weiteren kontraproduktiv, Sanktionen gegen Rußland zu verhängen, hungerleidende Flüchtlinge aufzunehmen, andere Glaubensbekenntnisse zu tolerieren etc.
Diese Position ist ganz schön extrem: Sie verweist darauf, auf welche Weise die Ansprüche der Nation denn sonst durchgesetzt werden sollten: Mit unmittelbarer Gewalt, mit KZs, mit Krieg … (Die Einordnung dieser Partei unter dem Begriff Faschismus geht in Ordnung!)
Aber es gibt noch weitere, die sich von der nationalen Mitte (SPD und CDU/CSU sowie den von ihnen so gut wie nicht mehr zu unterscheidenden Grünen) abzuheben versuchen: Da ist auf der einen Seite die geradezu staatsfeindliche, wirtschaftsradikale FDP zu nennen. Diesen Ideologen des Liberalismus/Neoliberalismus geht die Freiheit der Wirtschaft allen Krisen des Kapitals zum Trotz über alles: Selbst nach der letzten, tiefen, mehr hinausgezögerten als bewältigten Krise fordern sie: Jetzt erst recht! Noch mehr Privatisierungen, noch weniger Staat, noch mehr Reibach für das Kapital, noch bessere, noch schnellere, noch rücksichtslosere Verwertung der natürlichen inklusive der menschlichen Ressourcen. Das ist wirklich nicht minder extrem, allerdings anschlußfähig an die »Mitte«, denn das Wohlergehen des Kapitals betrachtet der Staat seinerseits als seine große Ressource, auf die seine globalen — um nicht zu sagen: imperialistischen — Ansprüche gründen.
Und es gibt dazu auch noch das Gegenstück, die Partei(en), die auf den Staat setzen gegen eine von ihm enthemmte Wirtschaft: Die Linkspartei und auch die MLPD: Sie dichten dem Staat eine prioritäre Obliegenheit an, nämlich die, wohltätig zu sein, die Wirkungen der Wirtschaft auf die Beschäftigten abzumildern, sich auch um die nicht mehr oder nicht wieder Beschäftigten zu kümmern etc. Kurzum, den Kapitalismus seinen Insassen kompatibel, ihn also wirklich funktional zu machen. Diese Parteien sorgen sich auf ihre Weise, nämlich im Vertrauen auf einen starken Staat, um den Zusammenhalt einer nationalen Volksgemeinschaft. Das ist weniger extrem als eben ein wenig arg abseitig (- ein SPDler gebrauchte dafür ebenso falsch wie bezeichnend den Begriff »Verschwörungstheorie« -) und wird deshalb von der Wählerschaft weniger angenommen: Als Deutscher zuzugeben, daß man schlecht dasteht, das ist ein für jedes Selbstbewußtsein unerträglicher Widerspruch. So will sich kein Nationalist gern kategorisiert sehen. Diesem Widerspruch verdankt sich gleichwohl der Staatsfanatismus der Linksparteien, er hat sich dementsprechend gewaschen.
Alle sorgen sich um Deutschland und seine freie Wirtschaft….
Liebe Wähler! Wenn hr doch, anständig, wie ihr seid, zur Wahl geht, dann gehört es sich einfach nciht, sich in den folgenden Jahren zu beklagen über das, was einem da widerfährt. Selbst dann nicht, wenn ihr nicht das Regierungslager gewählt habt: Die Unterlegenen legitimieren die Gewinner – so ist das in einer richtigen Demokratie.
(07.09.17)
Wer sich ein klares Bild über die Demokratie verschaffen möchte, dem sei dieses Buch empfohlen:
Die Demokratie — die perfekte Form bürgerlicher Herrschaft
Wer sich ein klares Bild über die Zustände in der Bundesrepublik Deutschland verschaffen will,
dem helfen folgende Ausgaben der Zeitschrift GegenStandpunkt weiter:
Teil I – II, Teil III, Teil IV-V