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Helmut Qualtinger

 

Mit folgendem Stück hat Helmut Qualtinger (1928-1986), der als österreichisches Original gilt, die Demokratie zwar nicht auf den Punkt gebracht, ihre Art der Legitimation von Herrschaft, nämlich durch Wahlen, der lächerlichen Qualität überführt, die sie ist und über die man die Herrschaft, deren ausübende Personen nichts als Charaktermasken sind, bisweilen gar übersieht, eine Herrschaft, die einem Staatsbürger allerhand Zumutungen aufbürdet und immer so tut, als wäre das im besten Sinne nicht der Staatsgewalt und ihrer Wirtschaft, vielmehr eben in dem ihres Stimmviehs.

Travnicek und die Wahl

(Travnicek und sein Freund vor einer Plakatwand mit Wahlplakaten.)
Freund: Was, Travnicek, machen Sie nächsten Sonntag?

Travnicek: Das hängt vom Wetter ab. Wann's schön is, fahr i weg, wann's regnet geh i ins Kino…
Freund: Aber Travnicek! Nächsten Sonntag – schauen Sie sich um! Was sehen Sie da?
Travnicek: Plakate – die schau i scho seit vier Wochen nimmer an.
Freund: Das eben, Travnicek, ist der Fehler! Nächsten Sonntag ist der Tag, wo Sie zur Urne schreiten sollen…
Travnicek: Was is da? A Begräbnis?
Freund: Aber! Wo Sie sich entscheiden sollen…
Travnicek: …ob i wegfahr oder ins Kino geh…
Freund: Nein! Nächsten Sonntag geht der pflichtbewußte Staatsbürger zur Wahl.
Travnicek: Na ja, wann's regnet und er keine Kinokarten kriegt, kann er ja zur Wahl gehen.
Freund: Was, Travnicek, glauben Sie, weswegen Sie zur Wahl gehen?
Travnicek: Weil i an Zettel krieg.
Freund: Nein! Der Politiker braucht den Kontakt mit dem Volke. Durch diesen Zettel erfährt er, was Sie als Wähler von ihm halten.
Travnicek: Des kann i ihm auf'n Zettel aufschreiben?

Freund: Nein, dann ist er ungültig!
Travnicek: Also, was is des für a Kontakt?
Freund: Die abgegebenen Stimmen sagen den Politikern, was das Volk von ihnen hält.
Travnicek: Und das stört sie nicht?
Freund: Travnicek, stellen Sie sich vor, Sie sind Politiker und bekommen 500.000 Stimmen. Was würden Sie denken?
Travnicek: Ich würde mir denken, jetzt kann ich mir endlich eine Luxuslimousine kaufen.
Freund: Aber Travnicek, Sie haben diesen Leuten doch etwas versprochen. Und das müssen Sie jetzt halten.
Travnicek: Warum?
Freund: No, wenn Sie es nicht halten, wird man Sie nicht wieder wählen.
Travnicek: Das macht ja nichts. ich brauch ja nur eine Limousine.
Freund: Aber die Hunderttausende, die Ihnen ihr Vertrauen geschenkt haben!
Travnicek: Gehen'S, die wählen doch nicht zum ersten Mal.
Freund: Travnicek, Sie denken engstirnig! Stellen Sie sich vor, Sie gründen die Travnicek-Partei. Sie führen einen Wahlkampf! So wie die anderen Parteien. Sie stecken Millionen in die Propaganda, so wie die anderen!
Travnicek: Wann i des Geld hab, was sie für Propaganda ausgeben, pack i mei Partei z'samm und fahr an die Riviera.
Freund: Warum grad an die Riviera?
Travnicek: Na, nach Tibet werd i net fahren.
Freund: Sie sind kein Demokrat, Travnicek.
Travnicek: Des hat mir noch niemand gesagt… net amal unterm Hitler.
Freund: Damals war es auch keine Ehre.
Travnicek: und jetzt ist es eine Ehre?
Freund: Natürlich – die höchste Ehre! Sie genießen das freie aktive und passive Wahlrecht.
Travnicek: Das passive is mer lieber.
Freund: Also meinetwegen. Sie wollen sich wählen lassen. Welche Voraussetzungen bringen Sie für den Politiker mit?
Travnicek: Also schauen Sie – schauen Sie: es gibt Leute, die sagen, ich schau dem Kanzler ähnlich. Andere sagen, ich schau dem Vizekanzler ähnlich – also, ich schau aus wie die Koalition.
Freund: Sie stellen sich das so einfach vor. Wer soll Sie wählen?
Travnicek: Das ist natürlich eine Sache des Vertrauens.
Freund: Auf was herauf sollen die Leute Ihnen vertrauen?
Travnicek: Auf was herauf vertrauen's die anderen?
Freund: Na, die haben durch jahrelanges Regieren bewiesen, was sie können.
Travnicek: Na eben.
Freund: Und Sie kennt man ja nicht!
Travnicek: Laß i halt Fotos von mir machen.
Freund: Na ja. Das kostet aber sehr viel Geld. Was machen Sie, wenn Sie die Wahl verlieren?
Travnicek: Bleib i die Fotos schuldig.
Freund: Fotos sind das wenigste… Sie brauchen Ideen! Schauen Sie sich diese Plakate an! Da haben sich die besten Köpfe der Nation nächtelang damit geplagt.
Travnicek: Und das ist dabei herausgekommen?
Freund: Sie müssen die Propaganda nach ihrer Durchschlagskraft beurteilen! Sie brauchen Wahlparolen! Slogans! Was würden Sie für einen Slogan wählen?
Travnicek (nach langem Nachdenken): Parteien haben kurze Bei… nein … wer einmal wählt … eine Partei wäscht die an…. Morgenstunde hat Gold im Munde.
Freund: Das heißt doch nichts!
Travnicek: Hat aber Durchschlagskraft!
Freund: Eine Wahlparole muß doch etwas heißen!
Travnicek: Schauen S'Ihnen die anderen an. Die heißen aa nix.
Freund: Travnicek, die Überzeugungskraft eines Plakates kann die Entscheidung in der Wahlschlacht bringen.
Travnicek: Des hab i mir auch schon gedacht. Wenn der Klaus so durch die Straßen geht und a KP-Plakat siecht, wer weiß, was er dann wählt?
Freund: Theoretisch haben Sie recht. Er kann wählen, was er will. Es ist eine absolut freie und geheime Wahl.
Travnicek: I waaß. Jedesmal, wann i in der Wochenschau den Bundespräsident siech, wie er in die Zelle tritt, zitter i, was wird er wählen?
Freund: Bravo, Travnicek! Das ist Anteilnahme im richtigen Geiste!
Travnicek: Ja, aber ans stört mi. Wie kommt man dazu, daß ma am Sonntag kein Alkohol trinken kann?
Freund: Sie müssen ja nicht gerade am Sonntag trinken.
Travnicek: Aber grad an dem Sonntag hab i an Grund dazu.
Freund: Also, Travnicek, was werden Sie am Sonntag tun?
Travnicek (mit plötzlichem Einfall): Jetzt weiß ich's!
Freund: Fahren Sie aufs Land?
Travnicek: Naa!
Freund: Bravo! Gehen Sie ins Kino?
Travnicek: Aa net!
Freund: Ausgezeichnet! Also?
Travnicek: I kauf mir scho am Samstag zwa Liter Wein und sauf mi z'Haus an.
Freund (bestürzt): Na, und was machen Sie dann in der Wahlzelle?
Travnicek: Des is mei Wahlgeheimnis.

aus: Der Herr Karl, zusammen mit Carl Merz, Erstaufführung in Wien 1961

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