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Benno Plabst alias Plimm

 

Plimm geht durch die Stadt

Datschiburg* schluck, schluck!

Augsburg ist eine Reise wert! Das beweisen die vielen Fremden, die hierher kommen. Aber der Plimm ist fein heraus. Er ist schon da! Wenn er durch die Bahnhofsstraße schlendert, über den Königsplatz, die Bürgermeister-Fischer-Straße, den Moritzplatz, die Maximilianstraße, die Anna- und die Philippine-Welser-Straße, denkt er sich oft: "Die Augsburger, die arbeiten gar net. Die loffen bloß rum. Und hocken in den Straßencafés unter freiem Himmel umanand und schlucken: Kaffee. Eiskrem. Torten. Bratwürste. Bier. Schweinskäs. Kartoffelsalat… Prosten sich zu, schluck, schluck! Blinzeln durch dicke Sonnenbrillen."
Die Damen zutzeln possierlich mit dem Strohhalm Obstsäfte, schluck, schluck!, und schauen sexy, als erwarteten sie einen Kameramann, der sie zum Pin-up-Girl für die Zeitschrift Playboy macht. Viele Herren sind gekleidet wie Yachtbesitzer in Monte Carlo. Sportlich. Cool. Manche halten mit der rechten Hand ihr Handy ans Ohr. Mit der linken die Kaffeetasse. Es sind Trendsetter. Sie geben wichtige Meldungen durch: "Hallo Schätzle, i bin grad im Café Bienenstich und trink an Cappuccino." Schluck, schluck! "Do brauchsch gar nimmer in Urlaub fahrn", denkt der Plimm. "Mir ham den Süden scho hier."
Dem Plimm strömen in der Annastraße Männlein und Weiblein entgegen, von links, von rechts, schräg von der Seite. Einige überholen ihn, anderen ist er im Wege. Da läuft er zickzack, zackzick, wie ein Slalomfahrer. Ein Bettler hält ihm den Hut hin. Buale, Buale!

Beinahe wäre der Plimm einer jungen Dame in die Pizza gerannt, die sie wie einen Diskus vors Gesicht hält und, schluck, schluck!, im Gehen verzehrt. Er weicht einem Eisschlutzer aus, der mit heraushängender Zunge eine Waffeltüte bearbeitet, dann kurvt er um einen Kleiderständer herum, der mitten im Weg steht und mit Hosen und Blusen behängt ist sowie einem roten Schild: Reduziert! reduziert! Vor der Annakirche fidelt ein Stehgeiger Melodien aus dem Zigeunerbaron.
Ein männlicher Fleischberg wälzt sich auf ihn zu. Hat er einen Medizinball verschluckt? So prall wölbt sich sein T-Shirt nach vorn. Er beißt genüßlich in eine Wurstsemmel, Schluck, schluck! Zwei Rollschuhfahrer rasen auf den Plimm zu, das Mützenschild im Genick. Jesses! Aber schon sind sie in einem weit geöffneten Bücherladen verschwunden. Die jungen Damen tragen Hosen. So eng, daß der Plimm fürchtet, die Nähte könnten platzen. Sie nuggeln an Zigaretten und tragen ihre Bauchnäbel frei wie Etiketten. Doch statt des Preises glänzt eine Perle auf dem Nabel.
Manche jungen Männer führen eine lässige Eleganz vor, als hätten sie ihre Garderobe von der Altkleidersammlung. Die Hosen sind fünf Nummern zu groß und sehen aus, als wären sie voll. Und die Schuhe gewaltig wie Baggerschaufeln. Sie halten Dosen in der Hand und trinken sie im Gehen leer, schluck, schluck!
Der Plimm kommt sich ungemütlich vor. Ist er ein Überbleibsel aus vergangener Zeit? Paßt er besser ins Römische Museum? Da sieht er eine reifere Dame. Sie trägt, trotz der Sommersonne, einen Filzhut und ist rundum in Kleidung eingeschnürt wie ein Weihnachtspaket in bunt gemustertes Papier. Auch der Nabel ist unter Verschluß. "Wie bei mir!", lacht der Plimm. Wenn er jünger wäre, tät er aber schon was zeigen: Seine nackten Oberarme. Mit der Tätowierung "I like Augsburg!" oder "Datschiburg, schluck, schluck!

Datschiburg: Synonym für Augsburg aufgrund des weltbekannten Zwetschgendatschis (Zwetschgenkuchen)
© Benno Plabst (1920-2008), Augsburg

Er schrieb über viele Jahre die Wochenendkolumne im Lokalteil der Augsburger Allgemeinen, hübsch illustriert von Erich Döbereiner;
zum Teil wurden diese dann zusammengefaßt in insgeamt 6 Bänden vom Verlagshaus der Zeitung herausgegeben:
— Gestatten, Plimm!, 1979
— Plimm geht durch die Stadt, 1979
— Grüß Dich Augsburg, 1984
— …und immer denk ich an Augsburg, 1987
— Der Hundsnix – Plimm der Augsburger, 1991
— Der Poussierstengel – Augsburger Geschichtlein erzählt vom Plimm, 1998
Ein Buch wurde im Verlag Hofmann-Druck herausgegeben: —  Benno Plabst: Leute, laßt uns endlich leben, 1985

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