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Panaï​t Istrati

 

Einmal geriet dem Schreiber ein altes Buch mit dem Titel »Die Haiduken« in die Hände. Wer nun sind die Haiduken? stellte sich ihm sofort die Frage. Ihm war ein Sportverein namens »Hajduk Split« in Erinnerung. Die Musikgruppe »Haiducii« mit ihrem Welthit »Dragostea din tei« nicht weniger. Das Buch des rumänischen Autors fesselte ihn dann schon nach wenigen Seiten. Im 19. Jahrhundert waren die Haiduken eine Art Robin-Hood-Bewegung auf dem Balkan. Istrati  (1894-1935) hat seiner Leserschaft in diesem Buch einige unumstößliche Erkenntnisse präsentiert, er schreibt u.a. über die Vorurteile der damaligen Zeit, die sich leider noch heute, eingefleischt wie sie sind, finden lassen:
"Man kommt nicht weit mit den Menschen, die sich täglich sagen: »Gar übel geht es mit dem Übel, doch könnte es noch übler ohne das Übel sein!«" (Die Haiduken, Rütten & Loening, 1929, S. 163)

Alle Illusionen über die Zustände des neuen, von Türken- und Griechenherrschaft befreiten Heimat Rumänien, zerstoben bei seinem Besuch in seiner Heimat im Jahre 1925. Er kehrte in sein Exil zurück: "…Ich kehrte mit gemartertem Herzen nach Frankreich zurück, doch ich sagte mir: Ich will angesichts des Westens die Verbrechen gegen die Menschlichkeit verkünden, die sich die Henker des rumänischen Volkes zuschulden kommen ließen. … Ich habe liebenswürdige Aufnahme in einigen Organen zweiten Ranges und bei der »Liga für Menschenrechte« gefunden, ich habe zwei oder drei Aufsätze geschrieben und eines Abends im Saal der »Sociétés Savantes« das Wort ergriffen. Das war alles. Aber ich konnte nur die Schrecknisse streifen und unterrichtete Leute, die wußten, welch urkundlichen Beweis großen Stils ich der »großen Presse« liefern wollte, haben mir gesagt, daß diese »große Presse« viel wichtigere Dinge meiner Ware vorziehe.
Da ließ die Begeisterung zu meinem Werk nach,… Wozu sollte auch die Begeisterung dienen? Um meinen Lesern Zerstreuung zu bieten? – Dazu bin ich nicht gemacht. – Um sie zu packen? – Ja, das möchte ich gern; aber ich sehe, daß der Westen sich mehr packen läßt von den Perlenketten …, von den Fassadenkletterern und den falschen Heilanden, von den Leuten, die sich wegen hunderttausend Franken in der Minute das Gesicht zerschlagen, und von all dem, was die Verdauung der Herren dieser Welt nicht stört. Das hatte ich zu sagen."
(ebenda, S: 178f)

Bald darauf unternahm er eine Reise in die Sowjetunion, wo er sich 16 Monate aufhielt. Das Land bereisend kam er erneut zu einem erschüttertenden Ergebnis. In einem Brief an den Sekretär der GPU [Geheimpolizei der UdSSR], Gerson, schrieb er am 4.12.1928: "Ich bin nicht in die Sowjetunion gekommen, um Stoff für Bücher zu finden, sondern um der Sache des Proletariats zu dienen. Heute weiß ich, daß ich ihr dienen kann – unter einer Bedingung: nicht so zu schreiben wie Barbusse. Wenn ein Schriftsteller auf alle Kritik verzichtet und zum Narren der Idee wird, hört man nicht mehr auf ihn. Er dient nicht der Sache, die er zu verteidigen glaubt, er kompromittiert sie." [Heinrich Stiehler, Panaït Istrati, Büchergilde Gutenberg, 1990, S.271]
In drei Bänden hielt Istrati seine Eindrücke über die Sowjetunion der damaligen Zeit fest: Insbesondere stieß ihm der neue von oben gewünschte und beförderte Opportunismus auf, der in einem so diametralen Widerspruch zu einer revolutionären Haltung zerstörerische Kraft für Land und Leute in sich birgt. Daß es als Gewerkschaftsausgabe erschienen ist, verdankt sich der Mißdeutung des Werkes. Eine Kritik der sowjetischen Zustände ist keineswegs eine Kritik am kommunistischen Anspruch, ganz im Gegenteil, nur aus dem wird auch eine Kritik, die diesen Namen verdient. Die deutschen Gewerkschaften (damals der ADGB) haben eine solche Kritik nie geleistet, haben sie doch einen ganz anderen, einen prokapitalistisch-nationalen Anspruch. 

Literaturhinweise: Das literarische Gesamtwerk von Panaït Istrati ist im Verlag der Büchergilde Gutenberg in 14 Bänden 1990 neu erschienen – darunter ist auch der Band »Die Haiduken« und die Wiedergabe seiner Eindrücke der Reise in die Sowjetunion und seine Abrechnung mit den neuen Verhältnissen dort, die erstmalig in drei 3 Bänden im Verlag R. Piper & Co. als die genannte Gewerkschaftsausgabe im Jahre 1930 erscheinen sind.
Wer an Istrati und seinen Lebensumständen selber interessiert ist, nehme das Buch von Heinrich Stiehler zur Hand.

bluete