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Peter Handke

 

Peter Handke (*1942) gut verstehen kann der Schreiber, welcher im September 1990 in Belgrad weilte. Die Jugendlichen standen dort vor McDonald's Schlange, die alten Weiber häkelten wie eh und je ihre Tischdecken in den Parkanlagen der Festung. Ein alter Bärtiger verteilte am Samstag vormittag in der Fußgängerzone Zettel, auf denen für die Wiedereinführung der Monarchie geworben wurde. Ein glattrasiertes Trottelgesicht versuchte mit im Ausland hergestellten Drucken für Demokratie zu werben – auf Nachfrage wußte es nicht recht, warum eigentlich. Die Tourismusinformationsstelle war zwar nicht verwaist, aber arbeitslos. Die Hotelzimmer wurden in Dollars (nicht DM!) notiert, die öffentlichen Telefonzellen waren außer Betrieb, da keine Münzen vorhanden bzw. diese wertlos geworden waren. Und das Personal des Historischen Museums am Marx- und Engels-Platz freute sich über den einen Besucher aus der BRD, den einzigen an diesem Tag überhaupt. –
Ob all dem vermochte man es beim besten Willen nicht, sich auszumalen, welch dramatische Ereignisse Jugoslawien schon in wenigen Monaten bevorstehen werden würden. Und vor allem welch westlich dogmatisch-idiotischen Ereignissen!

Peter Handke nun, dem Lande sehr verbunden, schrieb nach der Sezession Sloweniens, am 17./18.7.1991 unter dem Titel "Abschied des Träumers vom Neunten Land. Eine Wirklichkeit, die vergangen ist: Erinnerung an Slowenien" in der Süddeutschen Zeitung folgendes:
"Es sind vielerlei Gründe genannt worden für einen eigenen, regelrechten Staat mit Namen »Republik Slowenien«. Damit diese Gründe mir aber im einzelnen denkbar, oder faßbar, oder eingängig würden, müßte ich sie erst einmal sehen; das Hauptwort »Grund« kann, für mich jedenfalls, nur bestehen zusammen mit dem Zeitwort »sehen«. Und ich sehe keinen Grund, keinen einzigen – nicht einmal den sogenannten »großserbischen Panzerkommunismus« – für den Staat Slowenien; nichts als eine vollendete Tatsache. Und ebenso sehe ich nicht die Gründe für einen »Staat Kroatien«. Diese andere Tatsache freilich geht mich weniger an (doch nicht einmal dessen bin ich mir sicher). Das Land Slowenien und die zwei Millionen Köpfe des slowenischen Volks hingegen betrachte ich als eine der wenigen Sachen, welche bei mir zusammengehören mit dem Beiwort »mein«; Sache nicht meines Besitzes, sondern meines Lebens. …"
weiterzulesen im suhrkamp-Taschenbuch Nr. 2905.

Nicht daß er auf Preise, deren viele er erhalten hat, erpicht war, so hat er 2022 den Literatur-Nobelpreis erhalten. Und das, obwohl er in der Frage der imperialistsschen Zerschlagung Jugoslawiens, sich nach wie vor nicht opportunistisch gezeigt hat: Wieviele Schmutzkübel mußte da die bürgerlich-liberale, vor allem die deutsche Presse in ihrer alten antiserbischen und antisozialistischen Feindschaft man kann sie als Erbfeindschaft bezeichnen über ihn ausschütten!

 

Rede zur Eröffnung der Belgrader Buchmesse, am 21. Oktober 1997
[Auszug aus dem Buch: Noch einmal für Jugoslawien: Peter Handke, suhrkamp TB 2906]

Dobro veče! Ja sam ovde gost Srbije i govorim ovde kao gost Srbije. (Guten Abend! Ich bin hier Gast Serbiens, und ich rede hier als Gast Serbiens.)
Erstmals seit 21 Jahren bin ich wieder auf einer Buchmesse. Vor 21 Jahren war in Frankfurt am Main die Buchmesse. Und jetzt ist es Beograd. Beograd, das in einer deutschen Zeitung der finstere Hort auf dem Balkan heißt. Ich hingegen liebe diese Stadt. Und ich liebe auch das Lied von Ceca, Beograd.
Ja sam gost Srbije. (Ich bin Gast Serbiens.)
Ich lese seit einem halben Jahr Dušanov zakonik (König Dušans Gesetzbuch) aus dem 14. Jahrhundert — das Gesetzbuch des ersten großen Herrschers der Serben. Und in diesem Gesetzbuch gibt es den Paragrafen 155; er spricht von den Gästen, dem Recht der Gäste. Und er ist der längste Paragraf des ganzen Gesetzbuches. Das erste serbische Gesetzbuch enthält von allen Gesetzbüchern dieser Welt den längsten Paragraphen über Gäste.
Ich als Gast habe aber auch Pflichten. Viele Gäste Serbiens und Jugoslawiens sind in den letzten Jahren ihren Pflichten nicht nachgekommen, darunter zahlreiche Journalisten. Ich denke etwa an einen Journalisten der amerikanischen Zeitschrift The New Yorker, der nach Serbien kam und sagte: Ich spendiere dem Serben, dem bösen Serben, einen Drink, und er ist immer noch böse. Ich lade ihn zu einem weiteren Drink ein, ich, der Amerikaner, und er versteht immer noch nicht, daß er böse ist. — Diese Gäste sind keine guten Gäste. Ich möchte ein anderer Gast sein.

Die internationalen Zeitungen sind durch den jugoslawischen Krieg nicht besser geworden. Im jugoslawischen Krieg hat sich das Schicksal der Zeitungen und der internationalen Medien entschieden. In den Zeitungen und Medien wird zwar immer noch viel gute Arbeit geleistet, aber die Medien selber sind schlecht geworden. Es bleibt allein die Möglichkeit, daß sich die Medien erneuern. Aber das wird nicht so bald gesche-hen. Vielleicht nächstes Jahr in Jerusalem.
Die mittelmäßigen Journalisten sind durch den jugoslawischen Krieg schlecht geworden. Nicht nur schlecht, sondern hundsschlecht. In dem Sinn, wie man das griechische Wort »zynisch« übersetzt. Das Wort zynisch kommt von Hund.
Die guten Journalisten sind verschwunden, es gibt sie nicht mehr. Sie können in den internationalen Medien nicht mehr publizieren. Und sie sind lächerliche Figuren geworden. Aber schriebe man ein Theaterstück über das jugoslawische Drama, zählten sie zu den Helden. Die Atmosfäre hier auf der Buchmesse ist nicht so, daß ich ins Erzählen geraten könnte. Wenn wir hier weniger wären, würde ich von diesen gescheiterten, verschwundenen, internationalen, spanischen, amerikanischen, deutschen, schweizerischen, französischen Journalisten erzählen. Aber wir sind zu viele hier.

Ich mag das Wort »Tragödie« nicht. Aber in dem Fall Jugoslawien ist das Wort »tragisch« angebracht. Und auch die Serben oder Jugoslawen, die schuldig geworden sind, sind auf eine tragische Weise schuldig geworden. Während die internationale Gemeinschaft auf eine zynische Weise schuldig ist.
Jetzt aber sollten wir endlich über Bücher reden. Durch den tragischen Konflikt in Jugoslawien hat sich auch die Bewertung der Dichter verändert. Vor anderthalb Jahren las ich in Ljubljana aus meinem Buch Gerechtigkeit für Serbien den Abschnitt über den Angriff auf Dubrovnik vor, in dem ich die Fragen stelle: »Ist die kleine alte wunderbare Stadtschüssel oder Schüsselstadt an der dalmatinischen Küste damals im Frühwinter 1991 tatsächlich gebombt und zerschossen worden? Oder nur — arg genug — episodisch beschossen? Oder lagen die beschossenen Objekte außerhalb der dicken Stadtmauern, und es gab Abweicher, Querschläger? Mutwillige oder zufällige, in Kauf genommene (auch das arg genug)?« Dies sind Fragen, die man beantworten könnte und sollte.
Und ich wurde da sofort aus dem Publikum unterbrochen. Und man hat gesagt: Was sollen diese Fragen, es ist ein Dichter dort getötet worden, in Dubrovnik, durch die Serben, durch die serbische Armee. Und da habe ich gemerkt: Warum sollte ein Dichter etwas Besseres sein als jemand anderer? Warum sollte das Argument durch den Tod eines Dichters mehr Gewicht erhalten als durch den Tod eines Schusters? Für mich gilt ein Schuster genauso viel wie ein Dichter. Und ich war zornig, daß man den Dichter in die Demagogie miteinbezog.

Dichter gibt es heutzutage viel zu viele. Aber ich denke, daß wahre Dichter selten sind. Und auch Schriftsteller sind selten. Und sie sollen selten sein, und man darf sie nicht für politische Zwecke mißbrauchen. Ich habe vor einigen Tagen im französischen Fernsehen gesehen, wie sich einige Schriftsteller beklagt haben, daß man in der heutigen Zeit die Schriftsteller verachtet. Und das waren Schriftsteller, die sehr verwöhnt sind, viel Geld haben, viele sogenannte Leser. Und ich habe da an Franz Kafka und an Goethe denken müssen; beide hätten sich nie beklagt, wenn sie gehaßt würden. Sie hätten gewußt, daß ein Schriftsteller als Existenz illegal ist. Ein Schriftsteller hat kein Recht. Er hat keine Rolle. Und das ist das Schöne an unserer Zeit, daß Schriftsteller verachtet werden. (Nicht alle.)
Auf der einen Seite wird der Dichter als politisches Argument benützt, als Mordopfer in Dubrovnik, und auf der anderen Seite wird er verachtet. Auf der einen Seite Inflation des Dichters und auf der anderen Seite Haß. Das dritte ist das Richtige: Der Dichter hat geheim zu sein, auch der Autor.

Und jetzt spreche ich von einigen serbischen Autoren dieses Jahrhunderts. Die serbischen Autoren dieses Jahrhunderts, scheint mir, sind die vielfältigsten Schreiber, die Europa je hatte. Schon der Unterschied zwischen Miloš Crnjanski und Ivo Andrić ist so fruchtbar wie in keinem anderen Land Europas. Und ich habe nie die Serben verstanden, die sagen: Ivo Andrić Ja, Miloš Crnjanski Nein, oder umgekehrt. Beide verkörpern den Reichtum des jugoslawischen Volkes. So habe ich früher auch nie verstanden, daß man gesagt hat: die Beatles Ja, die Rolling Stones Nein. Ich war von beiden begeistert. Und ich bin es immer noch. Und so bin ich begeistert von Ivo Andrić und Miloš Crnjanski. Und ich hasse das Gegeneinander-Ausspielen.
Aus der Tradition Crnjanskis hat sich die serbische Literatur innerhalb von sechs, sieben Jahrzehnten breit aufgefächert. Ich kann nicht alle erwähnen. Aber wen ich erwähne, soll nicht meinen, daß ich ihn höher stelle als den Unerwähnten. Von Dobrica Ćosić kann man zum Beispiel lernen, was gesellschaftliches Schreiben ist. Man kann mittels der Literatur begreifen, was Geschichte ist. Das ist eine Art von Lernen. Andererseits: Am Beispiel Milorad Pavić kann man lernen, was spielen ist. Nicht jeder kann spielen. Und ich, zum Beispiel, habe von Milorad Pavić nicht spielen gelernt. Aber andere können spielen lernen. Auch das ist Lernen. Es gibt gesellschaftliches Lernen, und es gibt Spielenlernen. Und beides zusammen gehört zu einem Volk.
Welche von den gegenwärtigen serbischen Autoren mir vielleicht am nächsten stehen, von welchen ich selber am meisten lerne? Zwei Autoren darf ich hier nennen. Der eine ist Milovan Danojlić und der andere Aleksandar Tišma. Beide wiederum sind sehr, sehr verschieden. Milovan Danojlić ist eher ein Anthropologe, ein Geologe, ein Feldforscher, der aber als Schriftsteller den Vorteil hat, daß er keine technischen Ausdrücke gebraucht. Er verwendet als Schriftsteller die Sprache der Straße, des Volkes, aller Zeiten. Er hat auch eine Langsamkeit, die meines Erachtens sehr dem serbischen Wesen entspricht — das Fragen und die Langsamkeit. Während Aleksandar Tišma, der etwa 20 Jahre älter als Danojlić ist und als Jude auch den Krieg hier in Jugoslawien erlebt hat, keine fänomenologische Weltsicht hat und keine Illusion mehr hegt. Er ist vielleicht der genaueste und pessimistischste Schriftsteller Europas. In seinen Werken ist jede Aussicht auf Hoffnung getilgt. Er beschreibt den Menschen als Bestie — freilich als tragische Bestie. Und das verleiht Tišmas Büchern weltliterarisches Format. Und so würde ich den serbisch-jüdischen Schriftsteller Aleksandar Tišrna für den Nobelpreis vorschlagen.

Aber mit den Schriftstellern ist es nicht getan. Es gibt auch eine andere Literatur, eine Literatur, die nicht gewollt Literatur ist. Als ich vor einem Jahr im Kosovo war, in dem Ort Dečani, hing in einem offenen Fenster ein Transparent, worauf stand: »Nismo sami.« Ich habe das als Literatur gelesen. Auch als dialektische Literatur. Die Bewohner des Ortes haben gesagt: »Wir sind nicht allein.« Aber sie wollten sagen: Wir sind allein. Das ist Literatur.
Und ein anderer Mann, der nicht Literatur macht, ist ein in Deutschland, in München, zu über vier Jahren Gefängnis verurteilter bosnischer Serbe aus Foča, ein Arbeiter namens Novislav Dajić. Die Strafe wurde verhängt, weil er nicht eingegriffen hatte, als 14 oder 15 Muslime aus seinem Dorf auf einer Brücke über der Drina bei Foča ermordet wurden. So sagt jedenfalls das deutsche Gericht. Aber ich glaube, dieser Novislav Dajić, den ich von hier aus, vom weit entfernten Belgrad, nach München ins Gefängnis grüßen möchte, ist die Symbolfigur des tragischen jugoslawischen Konflikts. Er konnte nichts tun. Ich will hier nicht in das Verfahren eingreifen, die Revision ist noch nicht abgeschlossen. Ich möchte Ihnen hier nur als ein Beispiel von Literatur, eine Möglichkeit von Literatur, die nicht Literatur sein will, vorlesen, was er zum Schluß vor Gericht gesagt hat.

»Mein Name ist Novislav Dajić, wenn Ihnen mein Name etwas bedeutet. Ich werde jetzt sagen, was ich überhaupt aufzusagen habe, damit alle etwas zu lachen haben. Ich grüße alle, die mir die Möglichkeit geboten haben, mich in der Haft wohl zu fühlen. Ich habe so viele Unglückliche gesehen. Ich habe das Liebste verloren. Sie wissen nicht, daß ich alle meine Freunde verloren habe. Im demokratischen Europa hat ein Kadi mittelalterlicher Art Anklage erhoben. Warum habe ich den Völkern Bosniens und auch der Serbischen Republik zu Frieden und Freiheit Glück gewünscht? Ich selbst gehöre zu einem Volk, einer Gesellschaft, die menschlich und humanistisch war. Ich bin von Beruf Mensch. Heute bin ich in der Ferne. Ich war in Bosnien, wo sich die Füchse und Hasen >Gute Nacht< sagen. Wie sind die Völker und Menschen heute? Ich denke, so wie immer.
Die Menschen in Jugoslawien waren von einer Idee beseelt. Den Zerfall Jugoslawiens habe ich erlebt wie die Zerschlagung des Spiegels des Jugoslawentums. Man kann es von zwei Blickwinkeln aus betrachten. Erstens: Zuerst wurde er zerschlagen, dann ist er später zerfallen. Zweitens: Der Rahmen fiel auseinander, da mußte der Spiegel zerfallen. Es war ein Gang über jugoslawische Leiden, so als wenn wir auf Dornen getreten wären. Alle haben in Bosnien den Krieg begonnen. Alle. Einen schmutzigen Krieg. Die Mutter wurde beschimpft, wenn sie in einer Mischehe lebte. Der Bruder schoß auf den Bruder. Aber es gab dennoch, wenn auch wenig, Heldentum. Menschlichkeit aber noch weniger. Ständig geht mir durch den Sinn: Der Verrat am Freund ist der erste Schritt zum Verrat an der Heimat. Danke, daß Sie zugehört haben und mich ein wenig hoffen lassen, daß die Politik nicht das Recht vergewaltigt.«

Das war das Schlußwort von Novislav Dajić, bevor er zu vier Jahren Gefängnis in München, in Deutschland, verurteilt wurde. Und selbst deutsche Journalisten haben dieses Urteil kritisiert: Man habe einen Sündenbock gefunden.
Ich komme zuletzt noch einmal auf den Dušanov zakonik aus dem 14. Jahrhundert zurück, und ich weiß nicht, warum mir ein Satz daraus immer wieder durch den Kopf geht, zwischen Traum und Vernunft, wie es vielleicht der Anfang aller Bücher ist. Ein Satz, der vielleicht überhaupt nicht weiterhilft, aber doch wie ein kosmisches Gebet vom Frieden redet. Und ich versuche, Ihnen diesen Satz zu zitieren, wenn ich das kann. Es ist der Paragraph 71 von Dušans Gesetzbuch, und er spricht von den Dörfern im Land. Und er sagt, wie die Dörfer im Frieden leben sollen. Und der Satz in Dušans Gesetzbuch heißt so: »Da selo sa selom pase.« (»Das Dorf soll weiden mit dem andern.« )

Und zuletzt: Ich weiß, daß Jugoslawien ein Entscheidungsspiel für die Fußballweltmeisterschaft bevorsteht, ich glaube, gegen Ungarn. Ich habe in meinem Leben viele fanatische Menschen getroffen, vor allem Österreicher. Ich bin Österreicher. Ja sam Austrijanac. Aber ich habe in meinem Leben noch nie einen fanatischen Serben gesehen. Viele aufgeregte Serben, ja. Das ist auch manchmal nicht gut, die Aufgeregtheit. Aber Goethe hat gesagt: Der Dichter ist aufgeregt. (Nur muß man sagen: Viele der heutigen sogenannten, selbsternannten Dichter sind nicht gut aufgeregt, nicht im goethischen Sinn aufgeregt.) Und jetzt kommen wir auf den Fußball zurück, und da wünsche ich Jugoslawien Erfolg und viele aufgeregte Zuschauer, aber nicht fanatische. Hvala. (Danke.)
Sajam je otvoren. (Die Messe ist eröffnet.)
Belgrad (Jugoslawien), 21.10.1997

und noch etwas aus demselben Buch:
Alfred Hrdlicka: Rest-erreich! [Persiflage auf »Rest-Jugoslawien«]
»Schon Karl Kraus hat die Kriegsberichterstatter als Kriegsver-herrlicher bezeichnet. Daß Handke diesem Metier so skeptisch gegenübersteht, ist so unbegreiflich nicht. Nehmen wir den Golfkrieg 1991. »Operation Wüstensturm«: ein »TV-Schmankerl«. Ein waffennärrisches Feuerwerk verherrlicht eine perfekte, hochtechnische Kriegführung. Menschliches Leid: kaum erwähnenswert! Und wenn, dann Mitleid mit den aus den Emiraten zeitweilig emigrierten Ölmilliardären. Oder 1989: Umsturz in Rumänien. Auf den weihnachtlich eingestimmten Medien-Gabentisch, Gruselbilder, die ein ZDF-Reporter nachträglich als gestellt (!) entlarvt. Kleiner Betriebsunfall. ….«
 

Handkes Werke, so nicht anders verzeichnet im Suhrkamp Verlag (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Die Hornissen, 1966
Weissagung und Selbstbezichtigung 1966
Publikumsbeschimpfung und andere Sprechstücke, 1966
Begrüßung des Aufsichtsrats – Frühe Prosatexte, 1967
Der Hausierer, 1967
Kaspar, 1967
Deutsche Gedichte, 1969
Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, 1969
Prosa, Gedichte, Theaterstücke, Hörspiele, Aufsätze, 1969
Das Mündel will Vormund sein, 1969

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter, 1970
Wind und Meer. Vier Hörspiele, 1970
Chronik der laufenden Ereignisse, 1971
Der Ritt über den Bodensee, 1971
Der kurze Brief zum langen Abschied, 1972
Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms, 1972

Stücke 1, 1972
Wunschloses Unglück, 1972
Die Unvernünftigen sterben aus, 1973
Stücke 2, 1973
Als das Wünschen noch geholfen hat – Gedichte, Aufsätze, Texte, Fotos, 1974
Der Rand der Wörter. Erzählungen, Gedichte, Stücke, 1975
Die Stunde der wahren Empfindung, 1975
Falsche Bewegung, 1975 [Hierin eine essentielle Handke-Sentenz: »Wilhelm: „Wenn nur beide, das poetische und das politische, eins sein könnten.“ Der Alte: „Das wäre das Ende der Sehnsucht und das Ende der Welt“.«]
Die linkshändige Frau, Erzählung, 1976
Das Ende des Flanierens. Gedichte, 1977
Das Gewicht der Welt. Ein Journal, 1977
Langsame Heimkehr, 1979 [= LH I]

Die Lehre der Sainte-Victoire, 1980 [= LH II]
Kindergeschichte, 1981 [= LH III]
Über die Dörfer, 1981 [= LH IV]
Die Geschichte des Bleistifts, 1982
Der Chinese des Schmerzes, 1983
Phantasien der Wiederholung, 1983
Die Wiederholung, 1986
Gedicht an die Dauer, 1986
Die Abwesenheit. Ein Märchen, 1987
Der Himmel über Berlin, mit Wim Wenders, 1987
Nachmittag eines Schriftstellers, 1987
Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land, 1989
Versuch über die Müdigkeit, 1989

Noch einmal für Thukydides, 1990
Versuch über die Jukebox, 1990
Abschied des Träumers vom Neunten Land, 1991
Versuch über den geglückten Tag – Ein Wintertagtraum, 1991
Die Stunde, da wir nichts voneinander wußten. Ein Schauspiel, 1992
Die Theaterstücke, 1992
Die drei Versuche. Versuch über die Müdigkeit – Versuch über die Jukebox. Versuch über den geglückten Tag, 1992
Langsam im Schatten. Gesammelte Verzettelungen 1980–1992, 1992
Die Kunst des Fragens, 1994
Mein Jahr in der Niemandsbucht – Ein Märchen aus den neuen Zeiten, 1994
Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien, 1996
[nebenstehend abgebildet die griechische Ausgabe des Buches]
Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise, 1996
Zurüstungen für die Unsterblichkeit, Königsdrama, 1997
In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus, 1997
Am Felsfenster morgens. Und andere Ortszeiten 1982–1987, 1998
Ein Wortland. Eine Reise durch Kärnten, Slowenien, Friaul, Istrien und Dalmatien mit Liesl Ponger, 1998
Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg, 1999
Lucie im Wald mit den Dingsda – Mit 11 Skizzen des Autors, 1999

Unter Tränen fragend – Nachträgliche Aufzeichnungen von 2 Jugoslawien-Durchquerungen im Krieg, März & April 1999, 2000
Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos, 2002
Mündliches und Schriftliches – Zu Büchern, Bildern und Filmen 1992–2000, 2002.
Rund um das Große Tribunal, 2003
Untertagblues. Ein Stationendrama, 2003
Warum eine Küche? (frz./dt.), 2003
Don Juan (erzählt von ihm selbst), 2004
Die Tablas von Daimiel, 2005
Gestern unterwegs – Aufzeichnungen November 1987 bis Juli 1990, 2005
Spuren der Verirrten, 2007
Kali. Eine Vorwintergeschichte, 2007
Leben ohne Poesie. Gedichte. 2007
Meine Ortstafeln. Meine Zeittafeln. Essays 1967–2007, 2007
Die morawische Nacht. Erzählung, 2008
Bis daß der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts, 2008
Die Kuckucke von Velika Hoca, 2009

Ein Jahr aus der Nacht gesprochen. Jung und Jung, Salzburg/Wien 2010
Immer noch Sturm, 2010
Der große Fall, 2011
Die Geschichte des Dragoljub Milanović [Der NATO-Angriff am 23.04.1999, siehe nebenstehende Abbildung], Jung und Jung, Salzburg/Wien 2011
Die schönen Tage von Aranjuez – Ein Sommerdialog, 2012
Versuch über den Stillen Ort, 2012
Versuch über den Pilznarren – Eine Geschichte für sich, 2013
Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße – Ein Schauspiel in vier Jahreszeiten, 2015
Tage und Werke – Begleitschreiben, 2015
Notizbuch: 31. August 1978 – 18. Oktober 1978, Insel Verlag, Berlin 2015
Vor der Baumschattenwand nachts – Zeichen und Anflüge von der Peripherie 2007–2015. Jung und Jung, Salzburg/Wien 2016
Die Obstdiebin – oder – Einfache Fahrt ins Landesinnere, 2017

Das zweite Schwert – Eine Maigeschichte, 2020
Zdeněk Adamec – Eine Szene, 2020 Poesiealbum 352 – Märkischer Verlag Wilhelmshorst 2020
Mein Tag im anderen Land – Eine Dämonengeschichte, 2021
Zwiegespräch,  2022
Innere Dialoge an den Rändern – 2016–2021, Jung und Jung, Salzburg/wien 2022

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