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Honoré de Balzac

 

Balzac (1799 – 1850) setzte der »Göttlichen Komödie« von Dante seine »Menschliche Komödie« (La comédie humaine) entgegen. Ebenso wie Gogol sah er sich herausgefordert, dem Danteschen Machwerk aus dem 14.Jahrhundert, das immer noch im öffentlichen Schwange war, etwas entgegenzusetzen, und zwar ein wirkliches, ein materialistisches Kontrafaktum. Dieses Projekt Balzacs – denn so umfassend fortgeschritten es letztlich war, konnte nicht vollendet werden – zeichnet sich durch die genaue Beobachtung der Individuen seiner Zeit aus. Balzac arbeitete die Charaktereigenschaften heraus, die nur allzu oft in nichts anderen bestanden denn in gesellschaftlichen Charaktermasken. Insofern hat er einen Grundstein der gesellschaftskritischen Literatur gelegt, auf den so viele  – insbesondere seiner Landsleute – dann aufgebaut haben und die in Émile Zola einen Höhepunkt fand – wenngleich man sagen muß, daß mit Zola die literarische Gesellschaftskritik nicht abgeschlossen war, wie spätere Schreiber bewiesen. Mit Balzac jedenfalls hat die bürgerlich-kapitalistische Ära ihren Anfang genommen, jedenfalls in der Breite und in der Wucht der Literatur. Ein ganz wesentliches Merkmal dieser neuen Ära ist die Heuchelei, die ja bis heute zum guten Ton in Politik, Wirtschaft und Privatleben gehört. Balzac hat die Verlogenheit der Moral und damit die Moral selber deutlich gekennzeichnet.
Wenngleich er den Begriff »Komödie« von Dante übernommen hat (das»Göttlichen« wurde zur Verehrung des Werkes erst später hinzugefügt), war das für Balzacs Werk eine Ironie: Über den menschlichen Irr- und Wahnsinn kann ja nur mit gehörig geistiger Distanz gelacht werden.
»Die furchterregende Welt Balzacs« lautet der Titel der empfehlenswerten Biografie von Viktor Roth. Abgebildet ist darin übrigens Balzacs Porzellan-Kaffeekanne, aus der er täglich 20 bis 30 Tassen trank.


bluete