Journalismus heute eine Säule des Staates:
Der Erfolg der Nation ist unser Anliegen und unser Maßstab!
Die deutschen Massenmedien zeichnen sich durch eine perfekte Mischung von Fakten mit den Grundlagen der deutschen Staatsinteressen und der daran geknüpften Staatsräson aus. Und zwar so: Einerseits besteht ja ihre Hauptfunktion darin, die Staatsräson mit Fakten anzureichern. Das erklärt die entsprechende Auswahl dieser.
Andererseits werden, so man an unpäßlichen Fakten nicht vorbeikommt, diese entsprechend klassifiziert: Entweder werden sie als nicht »unabhängig« überprüfbar eingeordnet, oder sie werden dis- und abqualifiziert, als Feindpropaganda, als Verschwörungstheorie, als Absurdität; kurz, sie werden keiner weiteren Befassung oder gar Prüfung für wert erachtet.
Verschwörungstheorien, faschistische Tendenzen kein brisantes Thema, das nicht angesprochen wird: Doch wie? Der Grund interessiert überhaupt nicht! Wenn Klage darüber geführt wird, dann allein über etwaige Folgen und ansonsten hat es sein Bewenden. Es entsteht ein Schein völliger Grundlosigkeit, welcher aufgrund der Voreingenommenheit zwangsläufig zutage treten muß. Folgen sollen und dürfen solcherlei unerwünschte Tendenzen natürlich nicht zeitigen. Wobei ein Vorteil der Demokratie zum Tragen kommt: Solche sind in der Opposition und sind dazu verdammt, dort und unter Kontrolle zu bleiben. Und als eben solche beweisen sie die Toleranz der machthabenden Elite: Sie droht Widersachern einerseits Maßnahmen an, so jene es mit ihren Praktiken für den Geschmack der politischen Elite zu weit treiben, andrerseits lobt sie sich selber für die Lebendigkeit und unvergleichlichen Offenheit ihrer Demokratie, die solches erlaubt. Eine Wahlbeteiligung von Faschisten ist zugelassen, vorausgesetzt, daß sie dann brav die ihnen zugewiesenen Oppositionsbänke einnehmen und auf diese Weise Staatsform und herrschende Staatsräson bestätigen.
Das Wunderbare am etablierten Journalismus ist, daß er sich als »objektiv« geben kann, indem er die herrschende Staatsräson und die von ihr geschaffenen Verhältnisse als unumstößlich zu propagieren beliebt und gerade auf dieser Grundlage gleichzeitig total kritisch mit der Staatsräson und Unternehmungen anderer Staaten sowie mit anders gearteten Vorstellungen im eigenen Land umzugehen pflegt. Es liegt somit eine gezielte Verwechselung von Parteinahme mit Objektivität vor.
Innerstaatliche Kritik beschränkt sich seitens des Journalismus hauptsächlich auf die Personen, denen die Staatsräson und damit die Staatsgeschäfte obliegen: Erfüllen jene diese anspruchs- und verantwortungsvolle Aufgabe, den Staat in der Hierarchie der Staaten aufsteigen zu lassen oder versagen sie darin. In dieser Hinsicht werden regelmäßig Wahlen und Wahlkämpfe zu einem Tages- und Titelthema, dem sich niemand verschließen können soll, so wenig einer auch ansonsten mit Politik befaßt ist.
Wie man sieht, ist Journalismus nur in einer Hinsicht schwer, nämlich das immer gleiche Thema erneut breit auszuwälzen und mit »Hintergrundberichten« aus dem alltäglichen Leben sowie mit Bonmots aus der Westentasche zu würzen. Unabdingbare Voraussetzung ist allerdings, die Staatsräson wie Muttermilch eingesogen zu haben, so daß es unmöglich ist, auch nur einen Augenblick an ihr irre zu werden. Der Blödsinn kann zum Himmel stinken, wenn er nur ins Weltbild so verantwortungsvoller Journalisten paßt.
Mittlerweile sind Zeiten angebrochen, in denen dem »freien Wort« das »agenda setting« etwas abhanden gekommen ist: Die feinen Propagandaagenturen sehen sich gezwungen, auf Fakten zu re-agieren, die vor allem andere Staaten setzen. Eine etwas ungewohnte Position sicherlich, aber kein Grund zum Zweifeln oder gar zum Verzweifeln. Im Gegenteil: Jetzt ist Härte gefragt, standhalten, die politischen Instanzen zu eben dieser Unnachgiebigkeit aufzufordern, deren Inkarnation sie selber als 4. Macht im Staate sind. Die Affronts insbesondere gegenüber Rußland, China und dem Iran zeugen davon. Im Falle Rußland ließ nach jahrelanger Vorarbeit endlich ein Stellvertreterkrieg als unumgänglich lancieren, so als hätten Politik und Journaille aus dem 3. Reich gelernt, daß man nicht alles selber machen muß, was andere für einen erledigen können. Was ja auch den Vorteil hat, daß das eigene Land als quasi unbeteiligt nicht bombardiert wird. Natürlich verlangt eine solche Aktion jede Menge Propagandaarbeit. Hat der damalige Minister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, in seiner geschichtsträchtigen Rede vom 18.02.1943, in der er die Zustimmung des Volkes zum totalen Krieg einforderte, hat eben dieser damals vom »Angriffskrieg der Bolschewisten« gesprochen — und damit (soweit bekannt) erstmals den Begriff Angriffskrieg in die Welt gesetzt —, so spricht man auch heute wieder von einem Angriffskrieg, dem der Russen selbstredend. Diese Sprachregelung wurde landesweit ganz freiwillig zur Rechtfertigung eines Krieges durchgesetzt. Wie hätten Hitler, Heß, Himmler und ihre Horden sich gefreut, könnten sie sehen, wie ihr antirussisches Feindbild nach wie vor so tief in den deutschen Eliten verankert ist – noch dazu ganz ohne sozialistische Verschleierung des »slawischen Untermenschentums«!
Der Dreh der Propganda dabei hat System: Man abstrahiert ein Ereignis von all seiner Vorgeschichte und seinen zugrundeliegenden Interessen. Anders sind moralische, rechtfertigende Urteile, Verurteilungen ja schwerlich zu haben. Das gilt für den 7. Oktober 2023 wie für den 24. Februar 2022 wie auch für viele frühere.
Der demokratische Journalismus kann also ganz unbekümmert den staatlichen Ansprüchen Genüge tun. Die Einteilung der Welt in Gut & Böse ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Wobei »Wir« natürlich immer die Guten sind und das Gute wollen, während die anderen »uns« aufgrund ihrer Natur oft nichts als Schwierigkeiten machen, wenn sie nicht kapieren wollen, was »wir« von ihnen wollen und welchen Platz in »unserer« Welt »wir« ihnen zugewiesen haben. So werden die anderen Staaten eingeteilt: Einerseits in mehr oder weniger nützliche Vasallenstaaten, bei denen es erwiesenermaßen unerheblich ist, ob sie eine demokratische Staatsform aufweisen oder nicht. Auf der anderen Seite Staaten, die sich mit eigenen Interessen uns widersetzen, wobei sie noch so demokratisch sein können, wie sie wollen, es nützt ihnen gar nichts, sie gelten von vorneherein als Diktatur. In jenen Staaten wird dann nach »unseren« Leuten gesucht, Führerpersönlichkeiten, denen man zutraut, eine »Revolution« zu vollbringen. Eine wahrlich anspruchsvolle Aufgabe, wie man an den wenigen Typen sieht, die dann »investigativ« gefunden werden: ein Nawalny, ein Guaidó und ähnliche, die man, kennt man deren Äußerungen, bestenfalls als Wirrköpfe bezeichnen kann. Bisweilen gelingt es den USA und ihrem Anhang, einen solchen als Staatschef auch zu etablieren wie zum Beispiel den Fernsehkomiker in Kiew.
Nunmehr stellt sich die Frage, für wen diese Sorte »Aufklärung« gedacht ist. Unterschiedslos für alle Klassen der Bevölkerung, wenngleich dosiert nach Verträglichkeit, da gibt es eben kurz gehaltene Nachrichten für die einfachen Massen und ausführlichere, mit »Hintergründen« beleuchtete für die besseren Schichten; mittlerweile werden Zeitungen gar in die Schulen getragen, damit die gewünschte Art Bildung vorankommt.
Unterschiedliche Formate von Zeitungen, Magazinen und Sendungen ergeben dann das, was nach allgemeiner Ansicht als »Meinungspluralismus« in hohen Ehren steht. Schwarz-rot-golden sind sie, so bunt sie sich geben, hierzulande alle. In dieser Hinsicht radikal trachten sie danach, sich gegenseitig in ihren Vorurteilen, Verurteilungen wie hoffnungsvollen Vorhersagen zu überbieten.
Der sich allenthalben ergebende interessierte Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des umsorgten Staates inklusive seiner Wirtschaft ist so erfolgsorientiert wie daher auch radikal: Was für den Erfolg von Staat und seiner Wirtschaft getan werden muß, duldet weder Aufschub noch Widerrede, erfordert vielmehr eine total konstruktive Diskussion: Deshalb die schier endlosen Interviews und Talkshows mit Politikern und anderen Größen der Gesellschaft: Das ist sich die Meinungsbildner einfach schuldig.
Völlig klar dabei ist, wer die Kosten des anspruchsvollen Staatsprogramms zu tragen hat. Die arbeitende Klasse kommt daher nur sehr am Rande zu Wort und auch nur dann werden Leserbriefe abgedruckt, wenn sie einen konstruktiven Beitrag für die Debatte der maßgebenden Elite vorstellig machen, was selbstredend im Ermessen der Redaktionen liegt.
Die ständigen Anspruchssteller sind nicht die »kleinen Leute«, sondern stets die Vertreter des Kapitals. Die müssen keine Leserbriefe schreiben, um zu Wort zu kommen. Die werden in großen Artikeln und Interviews regelmäßig präsentiert als die, auf die es ankommt. Wenn es freilich um die nationalen Belange schlechthin geht, wenn die in ein Desaster zu geraten drohen (wie etwa im Falle des Vietnam-Krieges), dann muß auf das viel umworbene Investorengeschmeiß auch mal geschissen sein, wie es der Film von Steven Spielberg »Die Verlegerin« (2017) so schön vorführte. Allerdings ist die Washington Post seit 2013 in Besitz des Börsenlieblings Bezos, womit sie sicherlich nicht in ein solches Dilemma geraten wird. [Jener jeden national begeisterrten Demokraten schier zu Tränen rührende Film wurde übrigens völlig kritiklos von der staatsaffinen deutschen Presse — Springer, Spiegel, FAZ, WAZ, taz, Süddeutsche etc. — einhellig beklatscht.] Julian Assange und Edward Snowden hingegen wird eine staatsdienliche Rolle abgesprochen.
Die »kleinen Leute«, die Arbeiterklasse ist daran gewöhnt worden, alles zu schlucken, was ihr an Belastungen aufgebürdet wird. Die Medien werden in dieser Hinsicht ihrer Vermittlungsaufgabe gerecht. Bei allen für dringend notwendig erachteten Belastungen, sollen sie an die Nöte des Staates denken und die eigenen hintanstellen. Darüber hinaus sorgen die Meinungsmacher für die gute Stimmung und den Optimismus, der die Leute, die notgedrungen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen — und sei es auch als »Selbständige« ausgelagert an sich selber —, in der Tretmühle der Arbeit hält.
Noch was: Was hat den Staat getrieben, als er die »Pressefreiheit« in seiner Verfassung verankert hat? Vom heutigen Standpunkt aus, hätte er das sicher nicht tun müssen, wirft man einen Blick auf die Säule der Republik, die sich selber tagaus tagein gerade deshalb als »Qualitätspresse« lobt. Der Staat hätte noch nicht einmal zusätzlich staatliche Verlautbarungskanäle, sogenannte öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten einrichten müssen. Damals freilich, wenige Jahre nach Ende der faschistischen Herrschaft war eine solch positive Entwicklung nicht abzusehen. Im Gegenteil wurde nicht ohne Grund befürchtet, daß es einen Rückfall in ein erfolgloses Staatsprogramm geben könnte, denn zweifellos spukte Diesbezügliches noch in allzu vielen deutschen Köpfen herum. Heute entsprechen sich Pressefreiheit und Journalismus so, daß sie sich wechselseitig aufeinander berufen können.
27.01.2024
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