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Augsburg vor und nach den Kommunalwahlen

Die Wahlberechtigten hielten der CSU die unter deren Standortpflege ins Rollen gebrachte Projekte zugute… das war jedenfalls die tiefe Überzeugung der Lokalredaktion der Augsburger Allgemeinen (AZ), die zugunsten der Partei noch zwei Tage vor der Wahl eine dazu passende Umfrage präsentierten. So etwas ist sich eine »Qualitätszeitung« einfach schuldig.

Die verehrten Wahlberechtigten — die AZ-Chefredakteur Walter Roller noch mit dem Bonmot an die Urne zu locken gedachte, ausgerechnet dort, bei den vergleichsweise unbedeutenden Kommunalwahlen, könnten sie doch mal ihrem Protest Ausdruck geben —, halten Kommunalwahlen allerdings schon für ebenso notwendig wie selbstverständlich, so daß sie die nun mehrheitlich als das betrachtet haben, was sie sind: für eine Akklamation der Befugten. Dieses sichere Gefühl, es könne mit Wahlen eh nichts schiefgehen, hat das Abstimmen für viele dann logischerweise erübrigt. Und so stellt auch die Minorität, die sich an der Wahl beteiligt hat (41,2 %) eine nicht in Frage zu stellende Legitimation dar. Schließlich sind wir ja nicht in Havanna, wo der Akklamation unsachlich große Bedeutung zugemessen wird…

CSU und bisherige Koalition
gribl_keuner-abend_16-06-12Die CSU konnte die relative Mehrheit der Kreuzchenmacher für sich gewinnen (23 von 60 Sitzen). Das mag an den wunderbaren Windungen und Wendungen des Oberbürgermeisters Kurt Gribl liegen [Das KoKa-Bild zeigt ihm beim Vortrag seiner Brechtschen Lieblingssentenz beim Keuner-Abend in der Toskanischen Säulenhalle, 2012]. Das liegt nicht weniger an der Opposition, die es als solche in der vergangenen Wahlperiode nicht gegeben hat.

So gut wie nicht, jedenfalls, denn der ziemlich einzige der sich wirklich Gedanken um Alternativen zum ziemlich großkotzig ausfallenden Standortprojekt Mobilitätsdrehscheibe und HBf-Unterkellerung (nebst anderem) gemacht hat (siehe Interview in der Neuen Szene, 08-2013), der Architekt Volker Schafitel, saß nicht im Stadtrat und konnte nun mit seinen ansonsten ja ziemlich biederen Freien Wählern nur 2 Sitze erreichen. Nun ja, wer auf den Wirtschaftsstandort hält — und wer tut das nicht? —, bei dem können Projekte gar nicht imposant genug ausfallen!
OB Gribl und seiner ihm subsumierten CSU jedenfalls gelang es großartig ihre in der CSM zusammengeschlossenen Abtrünnigen — die innerparteilichen Intrigen und Grabenkämpfe gehören einfach zu einer Partei, in der so mancher mit Ellbogen um seine Karriere zu kämpfen versteht — um den Mr. Superwichtig Hermann Weber ebenso an die Wand zu drücken (3 Sitze) wie den einst von Millionär Seinsch ins Leben gerufenen reinen Mehrheitsbeschafferverein Pro Augsburg (3 Sitze): Was hatten die denn schon zum Gelingen der Standortfragen beizutragen? Ist es nicht so, daß die CSU ihre vielfältigen Seilschaften auch ohne Herrn Weber & Co. zu pflegen weiß? Daß die zwielichtigen Machenschaften ihres Baureferenten Merkle, die im Falle der Eisstadionfehlplanung ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerieten, nicht gerade so kaschiert werden können, indem so getan wird, als wäre das nicht eine ureigene Sache der CSU, sondern die von Quertreibern? Wenn es etwas zu leisten galt, dann doch genau dies!

Übrigens: Als dann doch noch ein eingeforderter Untersuchungsbericht zum Eisstadion — an vielen, nicht unwichtigen Stellen geschwärzt — der Öffentlichkeit präsentiert wurde, war die zunächst aufgeschreckte Öffentlichkeit schnell beruhigt, eine Öffentlichkeit, die eh nicht gerade Kritik als ihr Gütezeichen versteht, die AZ vor allem, jedoch nicht minder die Süddeutsche Zeitung, die in ihrem Bayernteil ab und an über Augsburg berichtet. Wie gut ist es, wenn man wie die CSU in der AZ eine Öffentlichkeit hinter sich weiß, die alle Hebel in Bewegung setzt, selbst mehr als nur anrüchige Angelegenheiten unter den Tisch zu kehren!

SPD
Die Opposition bzw. das, was darunter verstanden wird, gestaltete sich über die letzte Wahlperiode folgendermaßen: Die SPD spielte die beleidigte Leberwurst, da sie sich von Gribl und der CSU ausgegrenzt fühlte, nachdem sie in der Wahlperiode zuvor zusammen mit GRÜNEN und sonstigen Stadträten die CSU ihrerseits von der Macht ausgegrenzt hatte. Ansonsten hatte sie eh keine Alternativen anzubieten, nachdem die in ihrer Regierungsperiode ja bereits schon jämmerlich gescheitert waren (insbesondere ihr Vorschlag zum Kö-Umbau). Und sie bemühte sich auch nicht darum. Ihr OB-Kandidat jammerte tagaus tagein, er fühle sich von der Stadtregierung »schlecht informiert«. Und so fuhr er wie seine Partei — keineswegs verwunderlicherweise — ein, gemessen an den Parteiansprüchen, grottenschlechtes Ergebnis ein (13 Sitze). Das hinderte die Partei jedoch nicht daran, sich an die CSU anzuschleimen und von ihr ein Koalitionsangebot zu verlangen.
Diese Option kam der CSU zupaß, konnte sie doch damit ihre beiden Streitbrüder CSM und Pro Augsburg aufs Abstellgleis befördern. Freilich durfte es keinesfalls dazu kommen, der SPD wirklich Einfluß auf die von ihr besetzte Standortpolitik einzuräumen. Für dieses Ansinnen hat die CSU ihre Seilschaft in der Lokalredaktion der AZ: Da wurde alsogleich gegen SPD-Spitzenkandidat Kiefer geschossen: Er wäre ein Hindernis, weil er sich mit Gribl ja nicht vertrage und vertragen könne. Das hatte eine sowohl an Peinlichkeit nicht zu übertreffende wie erwünschte Reaktion auf Seiten der SPD zufolge: Ein Mediator wurde eingeschaltet und die Sache dahingehend bereinigt, daß die SPD damit zu erkennen gab, daß sie die Koalition wolle, auf welche Ansprüche auch immer sie dabei verzichten müsse. Des weiteren wurde seitens der AZ gegen die lokale SPD-Vorsitzende geschossen, Ulrike Bahr nämlich, die — so vermuteten offenkundig CSU und AZ-Lokalredaktion unisono — gegen die CSU mal auf dem ein oder anderen (Unter)Punkt bestehen könnte. Ihr wurde vorgehalten, daß sie ja schon im Bundestag sitze und dann auch noch im Stadtrat… während gleichzeitig der Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich (CSU) in gleicher Situation auf seinen Stadtratssitz großzügigerweise verzichtet habe. Was dazu geführt hat, daß die SPD auch in dieser Frage den Schwanz eingezogen hat und (auf) Frau Bahr verzichtete. So wurde dann die SPD mit ganzen 2 von 7 Stadtministern (Referenten) bedacht: Kiefer ins Sozialreferat hineingelobt, welches der CSU ja sowieso lästig genug ist, zumal man damit keine öffentlichkeitswirksamen Punkte (schon gar nicht in der AZ) macht. Dem zweiten SPD-Mann wurde das Ordnungsreferat zugewiesen. Der angestrebte Zugriff auf das Finanzreferat wurde der SPD vom Koalitionspartner kategorisch verweigert, das Wirtschaftsreferat, nunmehr zusammengeschlossen mit dem Finanzreferat, stand von vorne herein völlig diskussionslos der CSU zu.

GRÜNE
Die zweite Oppositionspartei, die GRÜNEN, legten mit der Wahl leicht zu (auf 7 Sitze). Sie mußten sich darüber selbst am meisten wundern, denn Opposition hatten sie im Grunde nicht gemacht — sie hatten ja ihre wirklichen Baustellen ganz woanders: in Sachen deutschen Regelungsbedarfs auf nationaler und internationaler Ebene —, sieht man von dem Allgemeinplatz in dem ein oder anderen Punkt der Regierung »Versagen« vorzuwerfen ab. Okay, wegen der Situation für die Fahrradfahrer haben sie bisweilen geklagt, auch die Feinstaubbelastung in der Innenstadt war mal kurz Thema. Doch im Grunde war alles nur ein Quidproquo, selber den kapitalistischen Industrie-Standort viel besser und ohne »Nebenwirkungen« hegen und pflegen zu können als die CSU, die ja bekanntlich »nur« die Interessen der Unternehmer [Autoindustrie] umzusetzen gedenkt.
Daß die GRÜNEN sich nun ohne Not an das CSU-SPD-Bündnis anschleimen, welches allein schon über eine satte Mehrheit im Stadtrat verfügt, also unbedingt auch noch dabei sein wollen, wundert nicht: Schließlich gilt es — wenn überhaupt etwas —,  »uns«, den Staat, auch auf seiner untersten Ebene, der Kommune, vor all den umweltschädlichen Folgen seiner durchgesetzten Interessen, seiner kapitalistischen Staatsräson zu bewahren: Ganz so, als hätten diese Folgen nichts, aber auch gar nichts mit dem Interesse einer kapitalistischen Standortpflege zu tun. Der GRÜNEN-Karrierist Erben wird nun den Posten des Kulturreferenten übernehmen, auf den bislang Peter Grab gerade in Augen der GRÜNEN eine so irrschlechte Figur abgegeben hatte. Wobei nie so richtig klar geworden ist, worin denn nun die Kritik der GRÜNEN an Grab bestehen hat sollen. Am immer pompöseren Brecht-Festival hat sich die Kritik jedenfalls nicht (mehr) entzünden können… Und schon gar keine Kritik hatten sie daran, daß Jahr für Jahr Abermillionen für das bourgeoise — daran ändert auch die neu errichtete Brecht-Bühne nichts — Stadttheater verbraten werden.

sonstige Parteien
Den Abgesang der Partei DIE LINKE (2 Sitze) verdeutlicht nichts weniger als ihr Setzen auf schonungslosen Personenkult im Wahlkampf. Einer ihrer Köpfe wurde wohl schlechten Gewissens wegen gar mit einem Brechtzitat gerechtfertigt. Und auf einem der wenigen Text-Plakate stand zu lesen, daß DIE LINKE zu 100% sozial wäre: Die Wahrheit ist, daß sich diese Partei, den deutschen Staat und seine kapitalistische Staatsräson sozial zurechtdenken kann: Dazu wäre freilich Voraussetzung, die richtige Partei in Amt und Würden hineinzuwählen. Was nicht einmal damit gelungen ist, daß ein Gewerkschaftsfunktionär auf ihrer Liste die kapitalistische Anwendung der Arbeitskraft als »gute Arbeit« hat verkaufen wollen…. Wie hätte denn das gelingen sollen? Mit der Schuttelei für's Kapital macht man keine Punkte, auch wenn man ihr auf Teufel-komm-raus etwas Positives andichten will. »Positives« will ja heißen, einen Beitrag zur Stärkung der Nation! Kurzum, selbst in der Kommunalwahl wollten sich diese Linken als alternative Nationalisten, als Steigerer des Bruttosozialprodukts beweisen….
Besser gelungen ist das der »Alternative für Deutschland« die vergleichsweise schnörkellos auf das vorhandene Nationalbewußtsein der Staatsbürger gesetzt und es angestachelt hat; Ausbeutung allenthalben als notwendig für das Wohl der Nation unterstellt. Das brachte dieser Partei vier Sitze, einer Partei, die wie alle Faschisten einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus anstrebt, freilich ohne offen von einer jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung gegen die deutsche Nation zu reden: Allein das würde sie ja in den Augen der politischen Konkurrenz verdächtig erscheinen lassen. Aber so? Freilich: Faschisten gehören zur Demokratie — das ist nichts Neues — wie die Scheiße zum (biologischen) Verwertungsprozeß.
Ansonsten gibt es noch drei Mini-Parteien, die jeweils einen Sitz gewonnen haben, darunter die FDP, die gegenüber dem Bündnis zwischen Kapital und CSU keine Alternative darzustellen vermag. Ihre anerkannte Rolle als Mehrheitsbeschaffer spielte sie in Augsburg ja sowieso nie. In der entschieden auf die CSU ausgerichteten Tagespresse hatte sie nie Einfluß.

Fazit:
Alles in allem kann man der Binsenweisheit einmal mehr recht geben, daß Wahlen nichts verändern. Das haben mittlerweile fast 60 % gemerkt. Doch das Bewerkenswerte ist, daß der Staat selber die ständige Wählerei mittlerweile für ziemlich lästig hält, gerade weil sie ja seine Ansprüche und Vorhaben eh nicht tangieren kann. Um den schönen Schein der existenen — kapitalistischen — Herrschaftsverhältnisse willen, welche sich — nicht zu Unrecht (schließlich bedeutet der Begriff nichts anderes als Herrschaft mit der Berufung aufs Volk, auf den Freifahrtsschein, den das Volk mittels Stimmzettel der Herrschaft ausstellt) — Demokratie nennen, will man maßgeblicherseits jedoch nach wie vor nicht einfach darauf verzichten.

Eine andere Frage ist die, warum neuerdings so große und breite Koalitionen, angefangen von der Bundesebene bis hinunter auf die kommunalpolitische in Mode kommen. Zwar konnte man sich ja schon lange fragen, warum sich die etablierten Parteien nicht zu einer Deutsch-Demokratischen Einheitspartei zusammenschließen. Eine solche Überlegung freilich haben sie bislang als Diffamierung erzdemokratischer Zustände im Lande weit von sich gewiesen. Daß sie selber mittlerweile aufgrund der Sachzwänge, die ihnen die kapitalistische Staatsräson aufherrscht — bis eben hinunter zur lokalen Standortpflege —, dies für eine ultima ratio halten, unabhängig davon, wie das von ihnen allenthalben abschätzig beurteilte Wahlvolk dies sehen könnte, ist nicht zu übersehen: Auf Wähler können sie sich bekanntlich verlassen. Die kennen eh nichts Besseres, als ihre Stimme abzugeben; d.h. Ein- und Widerspruch ist eh nicht die Sache der Untertanen, die zu vollmündigen Wählern sich haben heranziehen lassen.

(19.04.14) 

bluete