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Kredit als politische Waffe — 3 Fälle gegenübergestellt

So sich jemand oder gar ein Staat sich als kommunistisch bezeichnet, kann und konnte er es dem »freien Westen« im Prinzip nie recht machen, was immer er auch tat, selbst wenn er einen von Moskau unabhängigen Kurs eingeschlagen hatte wie etwa Tito mit Jugoslawien. Unabhängig von Moskau zu sein, war und ist auch heute noch — ganz ohne Realsozialismus in Moskau — ein dem »freien Westen« positives Signal, welches er nach Kräften in seine Richtung, das heißt, in seine Abhängigkeiten zu lenken versucht. Diese Abhängigkeit — Jugoslawien hing am Tropf von IWF-Krediten — wurde in Belgrad seinerzeit und bis zuletzt als positives Moment gewertet: Der Westen müßte ein Interesse an diesem Staat als ganzem und als politischem Stabilitätsfaktor der Region haben, schließlich harrten eben diese Kredite ja ihrer Bedienung. So kann man sich täuschen….

Daneben gab es noch einen »Diktator«, der sich im Westen zunehmender Beliebtheit erfreute, nachdem auch er sich entschlossen hatte, die Wirtschaft seines Staates per Westkredit auf Vordermann zu bringen. Es mit Planwirtschaft zu versuchen, war ihm zu anstrengend, zumal er wie alle machthabenden Sozialisten in Moskau und dessen Umkreis von einer Kritik der politischen Ökonomie ganz offenbar keinen Dunst hatte. Bisweilen ließen jene Staatsmänner sich ja ein in Öl auf Leinwand gemaltes Porträt von Marx in ihre Amtszimmer hängen, wohl glaubend, damit des Studiums seiner Werke enthoben zu sein. Kurzum, der Kurs des Herrschers, der IWF-Kredite beantragt, steigt im Westen rapide. Er hat einen Schritt weg von Moskau getan. So auch damals in Bukarest. Doch der Herrscher in Rumänien ignorierte nach längerem, wohlwollendem Zusehen nicht länger die Wirkungen, die diese Kredite, die ihm als Hilfe, als Wohltaten, ja Land und Leuten als Wohlstand bringend schlechthin angepriesen worden waren: Diese waren desaströs: Denn zur Bedienung dieser Kredite wurde dem Land ganz konkreter Reichtum entzogen, die Leute mußten kürzertreten, selbst die Lebensmittelversorgung wurde, was sie bis dato nicht war, prekär: Die Landwirtschaft trug erheblich zu den Exporterlösen bei. Daraus zog der Herrscher einen radikalen Schluß: Mit diesen Krediten mußte ein für allemal Schluß gemacht werden. Gleichzeitig wollte er es freilich vermeiden, die im IWF zusammengeschlossenen kreditgebenden Staaten mehr als nötig vor den Kopf zu stoßen: Weder erklärte er also die aufgehäuften Schulden einfach für gegenstandslos noch bettelte er lange um einen Schuldenerlaß. Er entschied, die Schulden auf Heller und Pfennig zurückzuzahlen, um dann keine mehr zu machen. Diese Rückzahlung sollte so rasch wie möglich erfolgen und so bürdete er der eh schon geschundenen Bevölkerung zusätzliche Arbeit und Entbehrung auf. Der »freie Westen«, der in den Genuß der rumänischen Ressourcen (inklusive der human resources, der menschlichen Arbeitskräfte) gekommen war, war stinkesauer: Aber nicht weil die Menschen in Rumänien darbten, sondern weil ihm der Zugriff auf dieses Land wieder abhandenkommen sollte. Nicolae Ceauşescu, der 1971 nach Überführung des Landes in die Weltbank und in den IWF die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland für ausländische Staatsoberhäupter erhalten hatte, die Sonderstufe des Großkreuzes, viel in tiefste Ungnade, der absoluten Verachtung anheim: Es muß ein ganz, ganz böser Diktator sein, der sich dem »freien Westen« und dessen Wohltaten verweigert! Ja, so einer muß wirklich ein schlimmer Kommunist sein!

Und nun: Was lernt der geneigte Leser daraus für den aktuellen weltpolitischen Fall »Griechenland«?
1. Eine politische Entwertung von Schulden kommt nicht in Frage, da können sie ökonomisch entwertet sein, soviel sie wollen.
2. Eine Staatsführung, die auf einem Schuldenschnitt besteht, macht sich sehr des Kommunismus verdächtig. So sehr, daß der »freie Westen« Neuwahlen in Griechenland ins Gespräch bringen muß — mit der Hoffnung auf die Rückkehr eines opportunen Lallers à la Papandhréu oder Samarás an die Regierungsspitze.
[An die Überführung Griechenlands in ein NATO-Protektorat — ähnlich Teilen Jugoslawiens (Bosnien-Herzegowina, Kosovo), die bis heute faktisch ein solches sind — muß solange nicht gedacht werden, als Griechenland selber Mitglied der Werteallianz bleibt.]
3. Auf keinen Fall darf Athen an Moskau verloren werden. Tsipras mit Putin zusammen, das macht den Griechen doppelt verdächtig.
4. Der Westen muß so frei sein, »den Griechen« die schlimmsten Folgen zu profezeien: Die Drohkulisse, was passiert, wenn keine Schuldenbedienung erfolgt, muß gewaltig sein und darf nicht vor persönlichen und rassistischen Schmähungen zurückschrecken.
5. Es ist klar, daß den »Europäern«, insbesondere den deutschen Staatsapologeten, die griechische Schuldenkrise sich nicht aus den Widersprüchen ihres imperialistischen Projekts, als welches der Euro als Währungskonkurrent des US-Dollars vorangedacht ist, erklären: Fast müßten sie es ja schnellstens begraben.
Sie diskutieren auch keineswegs über den immensen Gewinn, den das deutsche Kapital EU-weit herausgeschlagen hat und herausschlägt — was sich nicht zuletzt in der gesamteuropäischen Bilanz zeigt —. Diesen Gewinn erachten sie für selbstverständlich. Sie reden vorzugsweise über die politischen Unkosten, die dafür nötig waren und sind, insbesondere über die »deutsche Staatshaftung« im Falle einer Nichtbedienung der griechischen Schulden. Hierbei denken sie selbstredend dann gleich wieder an den kleinen Mann als Steuerzahler, auf den sie — um Banken zu retten und die EZB nicht zu belasten — umgelegt werden will: Das kann doch selbst ein deutsch-national gesonnener Arbeitnehmer — und als solche hat man sie sich erzogen [an dieser Stelle ein dreifaches Hoch auf die staatstreuen prokapitalistischen DGB-Gewerkschaften!] — nie und nimmer wollen!

p.s.: Eine Frage bleibt noch offen: Warum ist Kredit kein Menschenrecht? Oder fällt er etwa unter Artikel 4 des Grundgesetzes?
(21.06.2015) 

bluete