EZB senkt Leitzins
Eine Reaktion auf die weiter andauernde Krise des Kapitals
Wie jede Firma einer tauschwertorientierten Gesellschaft möchten Banken mit ihren Dienstleistungen, die sie anbieten, mit ihren Krediten also, ein Geschäft machen, also ihr — einer bedürftigen Firma vorgeschossenes — Kapital mit Gewinn (Zins) nach einer gewissen Laufzeit zurückerhalten. So weit, so klar.
Nun hat sich gezeigt, daß der Staat, also jener ideelle Gesamtkapitalist eben jener Gesellschaft, die den Tauschwert — Geld und damit seine Vermehrung — zu ihrem Zweck hat, mit der Leistung seiner in Privatregie operierenden Kreditinstitute unzufrieden ist. Und zwar mit dem Gebrauchswert, den sie für die Seite haben, der sie mit ihrem Tauschwert behilflich sind: Die Banken kämen staatlicher Betrachtung zufolge ihrer Aufgabe, als Motor der gesamten Wirtschaft zu fungieren, nur sehr unzureichend nach. Ob das wirklich so ist oder ob sich in dieser Feststellung vor allem die maßlosen Ansprüche des Staates (bzw. des Euro-Staatenbundes) widerspiegeln, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Fakt ist die Reaktion der Europäischen Zentralbank: Sie hat die Zinsen für ihren (Geld)Kredit erneut gesenkt. Und gleichzeitig bestraft sie nun brach liegendes, also seinem Zweck entzogenes Kapital, das die Banken bei ihr deponiert haben. Diese Parksünder bekommen nun einen Denkzettel: Von wegen Profitieren und gleichzeitig Leistung schuldig bleiben!
Natürlich haben die wenigen Kommentatoren recht, welche die Politik, die zu dieser Situation geführt hat, dafür verantwortlich machen (z.B. Hervé Nathan in Marianne): Erst die Wirtschaft im Euro-Raum mit Spardiktaten abwürgen und sich dann wundern, daß das Wirtschaftswachstum ausbleibt, es daher auf Teufel-komm-raus wieder angekurbelt werden muß! Wenn jene Kommentatoren freilich eine andere Politik (u.a. massive Lohnerhöhungen — nicht weil die Lohnabhängigen sie dringend nötig hätten, sondern damit »die Wirtschaft« wieder in Schwung kommt!) fordern, dann entkommen sie freilich überhaupt nicht den systeminhärenten Widersprüchen des Kapitalismus. Das Kapital von einer Sfäre der Spekulation in eine andere zu werfen, garantiert überhaupt nicht seine wirkliche Verwertung. Solche Überlegungen gebiert schlicht die Tatsache der Überakkumulation; anders ausgedrückt: Es gibt jede Menge angehäuftes Kapital (in welcher Form auch immer), das sich nicht mehr verwerten läßt und somit seiner offiziellen Entwertung harrt, welche praktisch längst eingetreten ist. Für viele Unternehmen, eben auch Banken geht es darum, sich einigermaßen schadlos — auf Kosten anderer, versteht sich — zu halten. Der Staat seinerseits eröffnet seiner (freien) Wirtschaft mit seinem (Billig-)Kredit ein letztes unschlagbares Angebot und bietet ihr weitere Ressourcen an: Nicht zuletzt wird mal wieder der kleine Mann, der für seine Rente spart (weil der regelmäßige Lohnabzug dafür absehbar nicht ausreicht), viel zitiert und heuchlerisch bejammert.
Über diejenigen allerdings, die nun EZB-Chef Mario Draghi nicht ausstehen können, weil er als Ausländer unmöglich deutsche Interessen vertreten (können) würde, ja ihnen vorsätzlich zu schaden gedenke, sei hier kein weiteres Wort verloren: Soviel Dummheit stinkt ebenso zum Himmel wie die deutsche (Regierungs-)Politik.
(06.06.14)