»Die deutschen Ansprüche meinen es nur gut mit der Ukraine, Rußland und der ganzen Welt!«*
Es gibt einen einfachen demokratisch verbrieften Dreh: Man schiebt einfach dem Gegner die Schuld für die Krise der Ukraine (oder sonstwo) und deren Kalamitäten in die Schuhe und wäscht seine Hände in Unschuld. Als wäre das Assoziierungsabkommen und der damit dokumentierte, Rußland ausschließende Anspruch auf die Ukraine in und von Moskau selber erfunden worden. Als wäre Deutschland vermittels seines EU-Projekts nichts als ein rettendes Ufer für die Ukraine, an das die sich bloß anzuklammern bräuchte, um aller Krisen Herr zu werden. Als wäre der politische Anspruch Deutschlands eben nichts anderes als pure Selbstlosigkeit!
Diesen Eindruck jedenfalls versuchen deutsche Politiker seit Wochen Tag um Tag zu vermitteln: So heißt es, aller Wahrheit zum Trotz:
Rußland isoliere sich selbst. Putin müsse deeskalieren. Die Ukraine dürfe nicht geteilt werden. …
Als ob nicht gerade der »freie Westen« Rußland isolieren will, weil ihm dessen — unter Putin etablierte — Behauptungswille nicht paßt. Als ob nicht der »freie Westen« alles — vom ausschließenden Zugriff deutschen und EU-Kapitals bis hin zur unverblümten Kriegsdrohung — getan hat und tut, um die Situation zu eskalieren, um eben politisch-ökonomisch existente Situation immer unhaltbarer zu machen. Dazu gehören nicht minder die Spähtrupps der OSZE, die neue Vorwände zum Vorgehen gegen Rußland liefern sollen. Darüber hinaus findet der »freie Westen« dann auch irgendwo immer einen Volksstamm, der ihm ansonsten am Arsch vorbei geht — dessen Angehörige bekanntlich in hohem Bogen aus dem feinen Deutschland hinausgeworfen werden, wenn sie es schaffen und wagen dort einen Asylantrag zu stellen —, dann aber wie (im vorliegenden Falle die Tataren auf der Krim) als Kronzeuge für die Bösartigkeit russischer Politik ihm, dem »freien Westen« prima in den Kram paßt. Ja, die Bösen, das sind die Russen, die es sich herausnehmen eine kleine Schnitte von der Ukraine abzuschneiden**, wenn diese schon den von ihren eingegangenen Verpflichtungen gegenüber Rußland nicht nur nicht mehr nachkommen kann, sondern auch gar nicht mehr will. Eine Ukraine, die überdies auf die Vorzugsbehandlungen seitens Rußland — insbesondere sei an die Gaslieferungen zum Vorzugspreis erinnert — pfeift, weil sie nun bessere Freunde kennt. Eine neue Führung, die Freunde hat, fürchtet sich auch nicht davor, den mit vielerlei Ratschlägen einhergehenden Ansprüchen zu folgen; dafür ihr Volk gehörig bluten zu lassen, als ob das nicht schon gehörig bluten würde: Kredite des »freie Westens« sind und bleiben die Erpressungsmittel dafür, die Ukraine mit allem menschlichem und sonstigem Inventar dem »freie Westen«, seinem Kapital und seinen global strategischen Berechnungen zu unterwerfen. Eine wahrlich feine und höchst ehrenwerte Sache!***
Darüber hinaus ist es — so wird gerne in der »linken« taz getan — keineswegs so, daß das Assoziierungsabkommen von den Demonstranten auf dem Maidan erfunden worden wäre. Die sind lediglich die willkommenen Lakaien, die Berufungsinstanz westlicher Ansprüche, deren moralische Rechtfertigung. Da mögen die sich noch so gerne als Subjekte der Geschichte aufführen und vom »freien Westen« darin bestärkt werden. Was hilft es ihnen, sich von ihm verarschen zu lassen und so tun, als hätte man die Lüge, daß es ihnen als Individuen mit einem Richtungswechsel der ukrainischen Staatsräson irgendwie und möglichst rasch besser ginge, selber erfunden?
Dafür wird dann ein SPDler [der Koordinator der Rußlandpolitik der BRD-Regierung, Erler] untertänigst befragt (taz, 27.03.14):
"Hatten Sie den Eindruck, daß Ihre offiziellen Gesprächspartner sich ihres Weges in die Selbstisolation bewußt sind?
Nein, im Moment ist überhaupt kein Gefühl dafür vorhanden. Die ersten Maßnahmen und Sanktionen sind als Botschaft noch nicht angekommen. …"
Man kann sich natürlich über die blanke Dummheit, der aus diesem Anspruch spricht, weil er die Macht Rußlands nicht zur Kenntnis nehmen will, verwundern, wie das Erlers greiser Parteigenosse Helmut Schmidt getan hat. Aber damit ist ja nur dem Anspruch recht gegeben: Es wird ja lediglich behauptet, dieser Anspruch sei nicht adäquat vorgetragen worden. Daß der Anspruch in der Welt ist, daran wollen auch die nicht rütteln, die die Vorgehensweise eher für ungeschickt halten. Der CSUler Gauweiler gehört ebenfalls zu diesen intellektuellen Feingeistern. Von all dieser intellektuellen Attitüde imperialistischer Zuständigkeit hat sich die taz freilich längst verabschiedet. In Übereinstimmung mit der Partei DIE GRÜNEN sind ihre Redakteure spätestens seit J. Fischer das Bundesaußenamt bekleidet hat, die Speerspitze und Stichwortgeber deutsch-imperialistischer Zuständigkeit noch für den hintersten Zipfel in der Welt. Die taz, schon ganz kriegsgeil — Kriegsberichterstattung ist bekanntlich des Journalismus höchstes Gut! —, fragt betont verharmlosend:
"Schließen Sie eine militärische Lösung aus?
Ich bin optimistisch, daß es zu keiner militärischen Lösung kommt. Wenn wir deeskalieren wollen, müssen wir jedoch wissen, was Rußland will. Wird es davon Abstand nehmen, anderswo ein Krim-Szenario zu entfalten? Ein kleiner Erfolg ist, daß die Verteidigungsminister der beiden Länder Kontakt aufgenommen haben."
Wenn die Russen doch endlich zu ihrer Weicheierigkeit zurückkehren würden, die sie unter Gorbatschow und Jelzin unter Beweis gestellt haben, dann verzichten »wir«, großzügig wie »wir« sind — auf ein militärisches Eingreifen!**** Um dahin zu kommen, legen »wir« den Moskowiten erstmal ökonomischen Daumenschrauben an, ja vielleicht reicht ja schon die Drohung damit:
"Ich [Erler] habe den Gesprächspartnern klarzumachen versucht, daß sie einer Fehleinschätzung aufsitzen. Auch die deutsche Wirtschaft ist bereit, wenn es um die Wahrung internationalen Rechts geht, eigene Interessen zurückzustellen. Mag das auch schmerzhaft sein. Das in aller Deutlichkeit zu vermitteln, war mein politisches Ziel."
Na dann, muß man die deutsche Politik und insbesondere die Sozialdemokratie***** mal wieder dafür feiern, großzügigerweise mal wieder einen Krieg verhindert zu haben!
(30.03.2014)
________________________________
Übrigens: Damals als die Bewohner der Ostzone an die BRD und ihre DM angeschlossen werden wollten, ging das doch in Ordnung! Und jetzt soll es nicht in Ordnung gehen, wenn die Russen in der Ukraine an Rußland angeschlossen werden wollen?
________________________________
* Diese Lüge haben die USA längst durchschaut und überwachen die Protagonisten deutscher Weltmachtansprüche gehörig. Und wenn die BRD meint, in Eigenregie die Weltordnung in Osteuropa, Afrika oder sonstwo auf der Welt vorantreiben zu müssen und sich so der USA als unentbehrlicher Partner anempfehlen zu können, dann hat sie sich darin zu ihrem eigenen Leidwesen eben getäuscht. Was natürlich nicht heißt, daß der deutsche Staat seine Ansprüche und strategischen Berechnungen zur Disposition stellt. Kapitulation wäre ein Fehler — das hat der durchdemokratisierte Staat ganz offenkundig aus zwei Weltkriegsniederlagen gelernt! Wofür hat er schließlich seine Propagandaabteilungen, pardon: seine »freien Medien«!
** Daß das Völkerrecht für die Arschlöcher ist, die an es glauben, hat der Realpolitiker und Altkanzler Gerhard Schröder, den Fall Krim mit dem des Kosovo vergleichend, festgestellt. Wofür er von den für Ideologie zuständigen Fraktionen der Republik natürlich heftig gerügt wurde: Er zeige Verständnis für den Feind! Dabei ist er nur einer derjenigen Hardliner, der Krieg sagt, wenn er Krieg meint (zumindest dann, wenn er nicht Regierungschef ist).
*** Die einzige Gefahr, die an die Wand gemalt wird — hierzulande hauptsächlich von der bescheuerten Linkspartei, die wirklich von nichts in der Welt einen (richtigen) Begriff hat —, besteht ja bekanntlich dann darin, daß die Bevölkerung einmal mehr wegen ausbleibenden blühenden Landschaften unzufrieden wird und den Faschisten von Svoboda und dem Rechten Sektor zum Durchbruch verhilft. So wie ja überall in Europa die Faschisten den ausgezeichneten Nährboden, den die Demokratien ihnen bereiten, zu schätzen wissen.
**** "Ob die NATO Krieg will oder nicht, darf wohl kaum als eine vernünftige Frage gelten. Fest steht, daß sie einen Waffengang mit dem Hauptfeind vorbereitet. Denn soviel weiß man in westlichen Führungskreisen ganz ohne das Studium von Ökonomie und Politik des Ostens: die friedliche Kapitulation, »der Friede« also, den Ronald Reagan und Helmut Schmidt tatsächlich im tiefsten Herzen anstreben, findet nicht statt. … " (jenseits aller unzweifelhaft eingetretenen Fortschritte imperialistischer Machtausweitung und jenseits der verblichenen Politfiguren: das prinzipiell nach wie vor aktuelle Editorial der MSZ, 4-1981)
***** Was für eine abgefeimte Partei die SPD ist, ist übrigens nicht nur uns aufgefallen. Auf der Website Feynsinn zum Beispiel steht zu lesen: "Die einen meinen, die SPD sei irrelevant. Kann man so sehen. Parteien im allgemeinen schon, dann die SPD im besonderen. Kann ich nachvollziehen. Wären da nicht die anderen, die man einfach für blöd erklären und dann irgendwo liegen lassen kann, diejenigen, die noch an politische Veränderungen in der und durch die »parlamentarische Demokratie« glauben. Ich gebe zu, so ganz undusselig kann ich die auch nicht finden, aber ich will sie nicht liegen lassen. …" Auch zur journalistischen Qualität demokratischer Sendeanstalten äußert Feynsinn sich treffend.