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Was sind die Linken?

 

Wer »die Linken« sind, von denen sei es von ihnen selber, sei es von der bürgerlich-demokratischen Öffentlichkeit so pauschal immer gesprochen wird, ist leicht zu beantworten: Es sind eine ganze Anzahl von mehr oder weniger losen Vereinigungen und einige gedruckte Blätter sowie Internetpräsenzen. Ein sehr heterogenes Spektrum, so daß man sich fragt, wo liegen die Gemeinsamkeiten, die dem Begriff »die Linken« unterstellt sind. Einige der Linksbewegten treffen jedes Jahr auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz zusammen, die von der früheren FDJ-Zeitung junge Welt organisiert wird, wohl mit der Absicht, sie zusammenzuführen.

Doch was sind sie, was macht sie zu diesem Begriff?
Gemeinsam ist ihnen der Wille, unbedingt in der ein oder anderen Sache aktiv zu werden, so sie es nicht schon sind. Vor einigen Jahren wohnte der Schreiber dieser Zeilen einer Versammlung bei, in der es über die Möglichkeiten ging, aktiv zu werden. Das linksalternative Publikum war begeistert bei der Sache und im Nu war die große Wandtafel voll mit allerhand möglichen Aktionsformen beschrieben.

Denn eins ist allen Linken klar: Die Inhalte, für die Aktionen gestartet werden, liegen jedem vor Augen: Sei es die Erderwärmung, sei es die Zerstörung der Natur hier und dort, eine unzumutbare Arbeit in der Gesundheitsfürsorge, die Verschlechterung derselben, die soziale Malaise überhaupt usw. usf. Niemand, der die Augen nicht mutwillig verschließt, kann diese Tatsachen leugnen. Nicht einmal die, welche amtlich für ihre Verursachung sorgen.

Und da dem so ist, erübrigt sich für die Linken offenkundig die Frage nach den Ursachen der vielfältigen Unannehmlichkeiten zu stellen. Sie wollen schlicht nicht wahrhaben, daß diese eine notwendige Konsequenz aus der Politik, aus den Interessen des Staates und seiner privat in Szene gesetzten Wirtschaft ist. Und da sie diesen Schluß einfach nicht machen, kommen sie auf die Idee, der Staat müßte eigentlich ganz andere Interessen haben, als er eben hat. Er müßte, so meinen sie, sich für Umwelt & Natur etc.pp. einsetzen. Und er verfehle seinen Zweck, wenn er das nicht tue; er sei diesbezüglich ein Versager, seine Vertreter (Politiker, Wirtschaftskapitäne, Experten und Journalisten) seien inkompetent. Prototypisch dafür die Sprecherin von »Fridays for Future«, Carla Reemtsma, die dafür sogar von einem meinungsführenden Magazin [1] zitiert wird: »Beispiel Verkehr: Statt einzelne Autos zu subventionieren, solle der Staat lieber Carsharing, den Ausbau der Bahn und Nahverkehr fördern, wovon alle etwas haben.«
Nein, der Staat hat partout nicht die Interessen der linken Kritiker. Der achtet auf seine Gewalt — schließlich ist er nichts anderes als eine monopolisierte Gewalt — und deren Fortkommen, wozu er seine Wirtschaft fördert, damit die ihm die nötigen Mittel abwirft. Ja, er kümmert sich dann auch, aber einzig unter dieser Prämisse um Umwelt, Gesundheit etc. Muß er ja auch, denn eine kaputte Umwelt läßt sich schlecht länger ausbeuten, ebenso ein kranker Arbeiter, die Quellen des Reichtums versagen ihren Dienst als re-sources. Und so setzt Vater Staat hier ein Pflästerchen und dort eines und wird mittlerweile kaum noch fertig, Pflästerchen zu verkleben, um sein ganzes politökonomisches System nicht nur am Laufen zu halten, sondern vor allem, um seinen schier ins uferlos gewachsenen Machtansprüchen nachkommen zu können. Gerade an dieser Flickschusterei im sozialen und umweltbezogenen Bereich sieht man, daß und wie er die Anträge, welche Linke an ihn richten, zurückweist beziehungsweise ihnen nur zum Schein ein Stückchen Recht gibt, wenn er behauptet, er kümmere sich doch um dies und jenes. Daß bei seiner Kümmerei nie etwas herauskommt, was die Anliegen der Linken — die ja meist mehr als Not tun — zufriedenstellen könnte, ist sachgemäß und offensichtlich. Nicht einmal in Einzelfällen, die ihm und seiner Wirtschaft keinen Abbruch täte, kommt Vater Staat den Anliegen entgegen: Und nicht einmal die GRÜNEN haben, seit sie Regierungspartei sind, ein i-Tüpfelchen (das wäre z.B ein Glyfosat-Verbot, 130 km/h auf Autobahnen oder ein Rüstungsexportverbot an Diktaturen und in Krisengebiete) durchgesetzt: Ihr Programm hat sich als das größte Lügenprogramm aller im Bundestag vertretenen Parteien erwiesen. Sicher, viele Linke haben das kommen sehen, schließlich ist jene Partei nicht erst seit gestern einzig von den Sorgen des Staates selber bewegt.
Und leider ist das der Übergang, den auch die Linken auf ihre Weise machen. Eben genau darin, daß sie Staatsaufgaben antizipieren, allerdings Staatsbelange, die der Staat eben so gar nicht hat. Kurzum, wenn sie ihre Belange ernst nehmen würden — und dafür gibt es ja in der Tat Grund genug — dann würden sie über den Staat und seine Räson einmal nachdenken, ihn als das verstehen, was er wirklich ist, und ihn nicht in die Vorurteile des eigenen Kopfes zwingen. Sie würden also genau das werden, was der Staat ihnen sowieso vorwirft und was Marx einmal war, nämlich Staatsgegner.

Bevor sie über Aktionen und Aktionsformen debattieren, bevor sie auch irgendeine Frage hinsichtlich dessen, wie sie sich organisieren wollen, schrecken die Linken vor dem entscheidenden Schritt zurück: Sich mit dem Staat, seinen ihm inhärenten Interessen und der sich daraus ergebender Staatsräson zu befassen. Wer seinen Gegner kennt, kann sich so manche Täuschung über ihn ersparen. Wer hingegen im Staat seinen (eigentlichen) Freund und Helfer entdeckt zu haben glaubt, der wird um eine bittere Erfahrung nach der anderen nicht herumkommen.
Und genau davon, von Staatskritik wollen sie — eine nur allzu deutlich immer aufs Neue zu Tage tretende Gemeinsamkeit der Linken — herzlich wenig wissen. Nicht daß sie den Übergang zur nationalen Verantwortung als Partei wie die GRÜNEN oder die Linkspartei DIE LINKE machen wollen, nein, aber an eben diese und die übrigen nationalen Verantwortungsträger wenden sie sich schon mit ihren Protesten, die allenthalben den Charakter von Bittgesuchen, bisweilen geradezu von verzweifelten Bettelbriefen haben: »Bitte räumt Lützerath nicht!« »Holzt den Lohwald nicht ab!« etc. Der Staat kommt ihren Anträgen nicht nach, er weicht ganz prinzipiell nicht dem »Druck der Straße« und er hört auch nicht auf die Argumente, so inständig und nachhaltig sie auch vorgebracht werden. Seine Gewalt ist ihm das schuldig und sie ist wirklich ein im wahrsten Sinne des Wortes schlagendes Argument. —

Was man den Linken nicht vorwerfen kann, ist, daß sie allein national bewegt sind. Kaum entdecken sie — und das ist nicht schwer — in einer Weltecke, mal hier mal dort, Protest gegen einen Mißstand welcher Art auch immer, etwas, was dort betroffene Menschen zu Protesten treibt, sehen auch sie sich berührt. Dann sind deutsche Linke schnell dabei, ihre Solidarität zu erklären. Doch mal ganz abgesehen davon, daß dies den Protestanten anderswo nicht hilft, denn mehr und anderes als warme Worte haben die deutsche Linken ihnen nicht zu bieten. Das wäre ja nicht weiter schlimm. Das Blöde daran ist nur eins: Die Linken wissen offenkundig nicht, wo der Gegner steht. Der steht nämlich ganz gewiß nicht in der »Dritten Welt«, denn die Gewalt, die in jenen Staaten herrscht, ist eine der hiesigen Gewalt allemal geschuldete. Entweder es schlagen dort Herrscher zu, um im Auftrag, besser: unter dem erpresserischen Diktat imperialistischer Staaten Ruhe und Ordnung herzustellen. Oder es amtiert dort, was seltener der Fall ist, eine Herrschaft, die versucht, gegen die Einflußnahme der westlichen Staaten sich aufzustellen. Dabei hat es eine solche in aller Regel mit einer bourgeoisen, mit dem Ausland in Verbindung stehenden Opposition zu tun, die ständig für Unruhe sorgt und sich so als Kolonne der »Ersten Welt« betätigt. Und immer wieder gelingt es solcher Opposition, ungebildete und naive Leute auf ihre Seite zu ziehen.

Kurz und gut, die Linken haben allen Grund, ebenso wie den Staat selber so auch dessen auswärtige Machenschaften, seinen Imperialismus sich mal genauer anzuschauen. Das wäre eine große Herausforderung, eine Aktion, die nicht auf der eingangs erwähnten Wandtafel stand. Theorie und Praxis könnten dann eben nicht länger als Gegensatz empfunden weden. Dann und nur dann nämlich würde eine Aktion nicht länger begründeter Einsicht entbehren. Vorausgesetzt natürlich, die Theorie ist so unwiderlegbar bewiesen wie Marx‘ »Kapital«.
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[1] Der Spiegel setzte auch gleich in seiner ersten Ausgabe des neuen Jahres Karl Marx auf das Titelblatt in der irrigen Meinung, der hätte eine Disfunktionalität des Kapitalismus schon seinerzeit vorhergesehen und würde für mehr Staat statt Kapital stehen. Die irrige Meinung, Sozialismus sei gleich ein Mehr an Staat und gar Staatswirtschaft schlechthin hat sich in den bürgerlichen Köpfen zutiefst eingefressen.

(21.01.2023)
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