koka

 

Alexandra Kollontai

 

Alexandra Michailowna Kollontai (Alexandra Kollontaj, Александра Михайловна Коллонтай, 1872-1952) hat eines der Frauenbewegung der damaligen Zeit (und ebenso der heutigen) die Erkenntnis voraus gehabt, daß ohne die Abschaffung der kapitalistischen Zwangsverhältnisse eine Emanzipation der Frauen nicht möglich ist. Eine unmittelbare Emanzipation eines weiblichen Individuums kann daher nur im Widerstand gegen ebendiese Gesellschaftsordnung erfolgen. 

Ihr Buch »Wege der Liebe«, das die Erzählungen »Die Liebe der drei Generationen«, »Schwestern« und »Wassilissa Malygina« enthält, wurde erstmalig 1925 im Malik Verlag herausgegeben und wurde sogleich ein Riesenerfolg allen antikommunistischen Propagandakampagnen zum Trotz. 
1914 wurde sie in Deutschland aufgrund einer antimilitaristischen Rede verhaftet. 1917 nahm sie an der Oktoberrevolution teil. Sie war Streikführerin bei den Petrograder Wäscherinnen, hielt viele Reden in Fabriken und Arbeitsstätten, wurde von der reaktionären Kerenski-Bande, welche die Regierung zeitweise an sich gerissen hatte, Anfang Juli verhaftet. Gegen eine Kaution kam sie frei und machte weiter, die verbotene Parteizeitung »Prawda«, welche trotz Verbots erschien, veröffentlichte ihren Artikel »Die nächsten Aufgaben der Arbeiterinnenkonferenz«. Kaum war die Oktoberrevolution einigermaßen erfolgreich (der Krieg gegen die von den imperialistischen Staaten unterstützten weißen Horden dauerte ja noch eine Weile an), wurden unter ihrer Leitung sofortige Verbesserungen für die Frauen erzielt (freier Schwangerschaftsabbruch, Änderung des Eherechts zugunsten der Frau, Mutterschaftsschutz, Kinderkrippen, Milchversorgung der Kinder etc.) Für die Sowjetunion nahm sie ab 1923 diplomatische Aufgaben hauptsächlich im Ausland (Norwegen, Mexiko, Schweden) wahr. So war sie denn nicht an den Diskussionen der KPdSU beteiligt und die politischen Maßnahmen konnte sie aus der Ferne schwerlich beurteilen, zumal sie im Gegensatz zu ihrem selbstbewußten Auftreten manche Notwendigkeiten nicht erkannte oder nicht erkennen konnte, andere wiederum nicht anzweifeln konnte, weil sie von vorneherein, zumal unter Stalin, als alternativlos hingestellt wurden. So verteidigte sie das Urteil gegen Pjatikow, Radek, Sokolnikov und 14 weitere Revolutionäre (trotzkistischer Richtung) in den Moskauer Prozessen 1937. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie dann Beraterin des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR in Moskau. Ihre schriftstellerische Tätigkeit blieb perifer, war sie doch ihrer politischen Aktivität untergeordnet, die sie als die wesentlichere erkannt hatte.
Um sich mal ein wenig über ihre Situation als Diplomatin ein Bild machen zu können, ein Auszug aus dem Buch »Alexandra Kollontai – Ein Leben in der Dipolomatie, Aufzeichnungen aus den Jahren 1922-1945«, Dietz Verlag, Berlin, 2000, S.627

»Madame Kollontay gibt eine Erklärung aus Anlaß zählebiger Gerüchte

Der sowjetische Gesandte in Stockholm, Madame Kollontay — Alexandra Michailovna mit Vornamen —, gehört zu den wahrhaft romantischen Figuren in dem roten Drama. Sie ist zweifellos die interessanteste weibliche Persönlichkeit der russischen Revolution. Gerade jetzt sind Gerüchte über ihre Abberufung aufgekommen, Gerüchte, mit denen man sehr vertraut ist, weil ihr Alter für sich spricht. Blättert man in alten Zeitungsbänden, so findet man, daß es kaum ein Jahr gegeben hat, in dem Madame Kollontay nicht abberufen werden sollte, weil sie in Ungnade gefallen sei. So war es, als sie Gesandte in Oslo war. Als sie nach Mexiko ging, wurde das eher als eine Verbannung denn als ein Ehrenauftrag betrachtet, was man so allerdings nicht ohne Selbstverleugnung tun konnte, als sie nach Stockholm versetzt wurde. Seither sind die Gerüchte wiedergekehrt: 1930, 1931, 1932 … Aber Madame Kollontay sitzt nach wie vor in ihrem Arbeitszimmer mit den roten Seidentapeten, sie hat immer noch Lenins Bild an der Wand, Stalins vor sich und Litwinows Foto mit eigenhändiger Widmung auf dem Schreibtisch. Doch jetzt heißt es, daß man im Rahmen der großen Säuberung bis zur Diplomatie vorgedrungen sei, und das kann vielleicht erklären, weshalb man ständig Meldungen darüber bekommt, daß auch Madame Kollontay an der Reihe wäre. Sie gehörte ja zur ersten Garde, saß in der ersten Regierung als Kommissar für die staatliche Fürsorge.

Sie ist nicht, wie behauptet wird, gerade in Moskau gewesen; sie war in Mösseberg [Aus Eintragungen im Terminkalender geht hervor, daß A. Kollontai um den 20.11.1937 aus Mösseberg nach Stockholm zurückgekehrt war (vgl. RGASPI, Best. 134, Verz. 3, A. 64)] einem wesentlich friedlicheren Ort.

>Die Sensation war schon ein wenig schal geworden, als sie meine Ohren erreichten<, sagt sie auf direkte Anfrage zu ihrer Stellung. >Es ist natürlich nie angenehm für einen Diplomaten, seine Zeit damit zuzubringen, Gerüchte zu dementieren. Doch kann ich gern mitteilen, daß ich nie abberufen wurde und daß die Versionen über meine Abberufung, diesmal aus Genf, völlig aus der Luft gegriffen waren. Wie man einen ganz bestimmten Tag, den 28. September, für meine Abberufung benennen konnte, darauf kann ich wirklich nicht antworten. Wenn ich mich recht erinnere, war das der Tag, an dem ich als offizielle Delegierte zum Völkerbund eine große Rede in Genf hielt, die tags darauf ganz ausführlich und mit Befriedigung in unserem Regierungsorgan Iswestija in Moskau kommentiert wurde. Ein lustiges Zusammentreffen, nicht wahr?< [146 Ein kommentierender Text der Redaktion wurde ausgelassen]

>Ich bin jetzt sieben Jahre in Schweden und in der Diplomatie über 15. In dieser Zeit habe ich mich daran gewöhnt, daß jedes Mal, wenn von gewisser Seite eine Kampagne gegen die Sowjetunion geführt wird, man auch immer versucht, mich auf die eine oder andere Weise zu verdächtigen. Kommt das vielleicht daher, daß die Herren bestimmter Zeitungen jenen Kreisen angehören, die meinen, >die Frau gehöre ins Haus<,[Im Original in deutscher Sprache] und deshalb Abneigung gegen >Damen in der Diplomatie< zeigen?

Im Ernst verhält es sich doch so, daß fast die gesamte Welt voller Spannung und Nervosität ist, da sich in Südeuropa und im Fernen Osten Ereignisse abspielen, die zu noch größeren Konflikten in der Welt führen können, Ereignisse, die die friedliebenden Länder mit Abscheu und Besorgnis erfüllen. Es finden sich aber auf der anderen Seite Elemente, die alle möglichen Vorwände für eine Kampagne suchen, um den freundschaftlichen Beziehungen zwischen zwei Frieden suchenden Ländern Schaden zuzufügen. Wenn man diese Dinge ins Auge faßt, ist die Kampagne gegen die Sowjetdiplomatie ganz leicht zu verstehen. Sie ist ein Glied jener Propaganda, die von gewissen Staaten mit dem Ziel geführt wird, ihre Eroberungspolitik mit dem Begriff Bekämpfung des Kommunismus zu verdecken.<

Das ist also Frau Kollontays Meinung zur Sache, wörtlich wiedergegeben und autorisiert.«

aus: Veckojoumalen 49/(Dezember) 1937, S. 20 f.

bluete